Freisinger "Igelmutter" schlägt Alarm:Viel Futter und Kamillentee

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Jetzt im Herbst brauchen Igel Hilfe. Gesunde große Tiere nur Futter, kleine oder kranke Hilfe oft sogar eine Überwinterungshilfe oder den Tierarzt. (Foto: Marco Einfeldt)

In diesem Jahr sterben, wohl auch wegen des Kälteeinbruchs im September, sehr viele Jungigel. Ulrike Kolar, im Landkreis als "Igelmutter" bekannt, ist alarmiert. Sie appelliert, wilde Ecken für die Tiere im Garten zu lassen.

Von Alexandra Vettori, Freising

Die "Igelmutter" im Landkreis Freising, Ulrike Kolar, weiß nicht mehr, wo ihr der Kopf steht. "Wir haben heuer ein extremes Jahr, die Jungigel sterben wie die Fliegen", sagt sie alarmiert. Mit ein Grund war ihrer Ansicht nach der Kälteeinbruch im September, da haben sich viele Igelmütter zum Winterschlaf zurückgezogen und ihre Jungen verlassen.

Denn heuer seien auch die Igelmütter nach dem sehr trockenen Vorjahr teils noch geschwächt und hätten die Jungigel nicht so gut ernährt. "Und jetzt finden alle natürlich nicht mehr genug zum Fressen, weil alles zu aufgeräumt ist", weiß Kolar. Sie kann nicht oft genug an Stadtgärtner und Gartenbesitzer appellieren, doch wilde Ecken zu lassen, damit Insekten und Kriechtiere dort Nahrung und Unterschlupf finden. Tagtäglich riefen mehrere Leute bei ihr an, erzählt Ulrike Kolar, weil sie Igelbabys zum Teil mit einem Gewicht von 130 Gramm fänden. Das Problem: Es gibt im Landkreis keine Anlaufstelle für die kleinen Findlinge, viele Tierärzte mögen sie nicht behandeln, und im Tierheim in Dietersheim ist man für die Wildtiere nicht zuständig, kann sie aus Personalmangel auch nicht betreuen. Sie selbst könne auch nicht immer zwischen Moosburg und Dietersheim hin und her fahren, sagt Kolar, und übernimmt wenigstens eine Telefon-Beratung unter 0 87 61/60 36 5.

Kranke und verletzte Igel gehören zum Tierarzt

Generell ist es verboten, Igel als geschützte Tierart aus der Natur zu entnehmen. Allerdings sind jetzt im Herbst Ausnahmen angesagt. So müssen verletzte Igel zum Tierarzt gebracht werden. Auch wenn Igel krank sind, was man meist daran erkennt, dass sie tagsüber herum laufen, torkeln oder liegen, ist der Gang zum Tierarzt angebracht. Dass Igel zu mager sind, sieht man an Einbuchtungen hinter dem Kopf, herausstehenden Hüftknochen und Augen, die nicht halbkugelig hervor stehen, sondern eingefallen und schlitzförmig sind.

Ulrike Kolar rät, kleine Igel erst einmal zu wiegen. Haben sie 400 Gramm und wirken gesund, kommen sie gut über den Winter, so sie einen Unterschlupf haben. Ideal sei, einen Ballen Heu oder Stroh zu besorgen, ihn aufzubinden und in einer ruhigen Ecke im Garten mit einer Plastikplane regendicht zu machen. Igeljunge, die sich tagsüber außerhalb ihres Nestes befinden, geschlossene Augen haben und sich kühl anfühlen, benötigen dringend Hilfe. "Sie müssen ins Warme", sagt Kolar. Denn ist es kalt, fressen sie nicht mehr und sterben.

Oft sind die Tiere mit Maden befallen, die muss man entfernen

Oft sind die Tiere auch mit Maden befallen. Die müsse man mit Flohkamm oder Pinzette entfernen. "Es ist eklig, aber es hilft nichts", sagt Kolar. Sie persönlich schwöre auch auf igelverträgliche Flohsprays mit dem Wirkstoff Fibromil. Allerdings solle man es sehr vorsichtig anwenden. Viele Igel haben auch Magen- und Darm- oder Lungen-Würmer. Dagegen rät Kolar zu einem Mittel mit dem Wirkstoff Flubendazol. Lungenwürmer haben Igel meist, wenn sie husten und stark pumpend atmen. Macht das Tier starke Geräusche, muss man zum Tierarzt, denn Igel können auch eine Lungenentzündung haben, gegen die man Antibiotika geben müsse.

Zum Überwintern müssen die ganz Kleinen ins Warme und den ganzen Winter über gefüttert werden. Igel mit einem Gewicht um 300 Gramm könne man in einer Kiste auf der Terrasse oder im Wintergarten unterbringen. Weil sie Einzelgänger sind, gilt: Jedem Igel ein Haus; allerdings müsse man sie beobachten - wachen sie auf, brauchen sie sofort Futter.

Die Devise im Herbst lautet: Füttern, füttern, füttern

Laufen Igel bei Dauerfrost und Schnee herum, ist ebenfalls Hilfe nötig. Ausnahmen bilden aufgestörte Igel. Werden Laubhaufen oder Holzstapel in Garten oder Parks entfernt, können Igelnester zerstört werden, dann sucht sich auch ein gesundes Tier tagsüber einen neuen Unterschlupf.

Ansonsten lautet Kolars Rat: "Füttern, füttern, füttern"; am besten ist Katzen- oder Hundenassfutter, ohne Sauce und ohne Gelee, Babykatzentrockenfutter und spezielles Igelfutter. Eier bitte nicht, davon bekommen die Igel Magen-Darmprobleme. Zum Trinken gebe man ein Schüsselchen Wasser, nie Milch. Schwachen Tieren muss man die Nahrung mit einer Plastik-Einwegspritze ohne Nadel geben, eventuell auch lauwarmen, ungesüßten Fenchel- oder Kamillentee.

© SZ vom 28.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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