Freisinger Fabriken:Von der Kaserne zur Tuchfabrik

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1907 eröffnete Carl Feller seine Tuchfabrik, 2015 musste die Familie in einem letzten Schritt auch den Laden in Neustift aufgeben. (Foto: Jörg Koch/ SZ Freising)

Carl Feller gründet 1907 in Neustift ein Unternehmen, das Lodenstoffe herstellt. 1974 müssen seine Nachfahren aufgeben. Inzwischen befindet sich in dem Firmengebäude das Landratsamt.

"Freisinger Fabriken" heißt ein Buch, das der Freisinger Hans Lorenzer 2022 veröffentlicht hat. Das Nachschlagewerk, wie er es nennt, beschäftigt sich mit Fabriken und Werken innerhalb des Stadtgebiets. Manche gibt es heute noch, viele sind verschwunden. Die Freisinger SZ stellt in einem Streifzug durch die Industrialisierung bestehende und aufgegebene Unternehmen vor. Heute: Tuchfabrik Carl Feller (1907 - 1974)

Mitte Dezember 2015 war es, als der Name Feller endgültig von der Liste der Freisinger Unternehmen verschwand. Im gleichnamigen Modehaus am Landratsamt lief der Räumungsverkauf. Geschäftsführer Rupert Feller beugte sich den modernen Zeiten. Der Onlinehandel habe ihm die Geschäftsbilanz verdorben, sagte Feller damals der Freisinger SZ. Außerdem sei es ein Fehler gewesen, nicht in die lukrative Innenstadtlage umzuziehen, als sich vor einigen Jahren die Gelegenheit dazu geboten habe.

So endete ein Kapitel Freisinger Wirtschaftsgeschichte, das 1907 seinen Anfang genommen hatte. Carl Feller, eigentlich Volksschullehrer aus Lauingen, trat in die Fußstapfen seiner Vorfahren, die seit 1526 Generationen von Tuchmachern hervorgebracht hatten. Laut Hans Lorenzer trat er in die Fabrik seines Bruders ein. Beide gründeten 1899 in Schwaig bei Erding die Tuchfabrik Feller. Dort stand genügend Wasserkraft für die Maschinen zur Verfügung und zum Absatzmarkt nach München war es auch nicht weit. Doch der Transport der Ware in die Landeshauptstadt mit Fuhrwerken war mühsam und teuer.

Da traf es sich gut, dass die Stadt Freising, die ja über einen Bahnanschluss verfügte, 1906 das ehemalige Kloster in Neustift zum Kauf anbot. Zuvor hatte das Gebäude als Kaserne gedient. Die Stadt hatte den Verkauf explizit mit der Auflage zu einer industriellen Nutzung verknüpft, um Arbeitsplätze für die Freisinger und Neustifter Bevölkerung zu schaffen.

Der Unternehmer gründet die "offene Handelsgesellschaft Carl Feller & Sohn". 1907 eröffnete die Fabrik, die ihre Lodenstoffe schon vor dem Ersten Weltkrieg bis in die Niederlande, Belgien und Luxemburg exportierte. Feller produzierte trotz Mangel an Rohstoffen in Kriegszeiten weiter. Wegen seines Bemühens, die Arbeiterschaft zu halten, ernannte ihn die Stadt zum Kommerzienrat.

Carl Feller starb 1924, sein gleichnamiger Sohn sah sich ebenfalls Krisen ausgesetzt. Er überstand die Inflation in den Nachkriegsjahren und auch die Wirtschaftskrise, ausgelöst durch den Börsenkrach, den "Schwarzen Freitag", im Jahr 1929. Weil er sich in dieser schweren Zeit vorbildlich um seine Arbeitskräfte gekümmert hatte, ernannte ihn die Stadt ebenfalls zum Kommerzienrat.

Das Wirtschaftswunder beflügelt den Aufschwung

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ging es mit den Geschäften schnell wieder aufwärts. Die Tuchfabrik, in die mittlerweile die Söhne Carl-Heinz und Norbert als Gesellschafter eingestiegen waren, bekam den Auftrag, Dienstkleidung für Beschäftigte bei Post und Bahn herzustellen. Das Wirtschaftswunder beflügelte den Aufschwung zusätzlich. Die Tuchfabrik bezog Wolle bester Qualität aus aller Welt und exportierte ihre Ware in viele Länder. Carl Feller war ebenso auf das Wohl seiner Beschäftigten bedacht und ließ an der Wendelinstraße in Neustift Werkswohnungen bauen. Der damalige Oberbürgermeister Max Lehner ernannte Feller zum Ehrenbürger der Stadt. Er starb im Dezember 1964.

Ein halbes Jahr später brach eine Katastrophe über die Tuchfabrik herein. Pfingsten 1965 richtete ein Dauerregen große Schäden in Freising an. Entlang der Alten Poststraße und der Tuchinger Straße sei es zu Erdrutschen gekommen, berichtet Lorenzer. Am 6. Juni sei gegen fünf Uhr ein Teil der Weberei eingestürzt. "Maschinen und Mauerwerk brachen in die darunter gelegene Ausnäherei." Gegen sieben Uhr stürzte das Dach ein.

Das Gebäude war fast völlig zerstört. Unter hohem finanziellen Aufwand wurde es wieder aufgebaut, neue Maschinen gekauft. Um auf dem Weltmarkt bestehen zu können, schloss sich die Tuchfabrik mit der Firma Lodenfrey in München zusammen. Die Spinnerei wurde noch einmal erweitert, die Weberei 1970 stillgelegt. Dadurch konnte die Produktion noch vier weitere Jahre erhalten werden. Was blieb, war der Verkaufsladen.

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