Zentrum der Familie:Die Leute haben wieder Lust auf reale Kontakte

Lesezeit: 3 min

Sabine Bock (rechts) und Annette Fußeder stellen das neue Programm des Zentrums der Familie vor. (Foto: privat)

Die Nachfrage zum Angebot des Zentrums der Familie hat wieder das Niveau vor der Pandemie erreicht. Das Online-Angebot bleibt erhalten. Viele Menschen buchen aber wieder verstärkt Präsenzkurse.

Von Paula Dick, Freising

"Es ist das erste Jahr seit der Pandemie, in dem unsere Zahlen wieder auf das Niveau der Vorjahre zurückgekehrt sind", meint Sabine Bock, Pädagogische Leiterin des Familienzentrums Freising, erleichtert. Besonders mit dem Jahr 2021 im Rücken hat die Einrichtung keine einfachen Zeiten hinter sich. Zuerst war das Angebot aufgrund der ergriffenen Schutzmaßnahmen stark dezimiert, zudem sorgten Personalausfälle und eine gewisse Zögerlichkeit der Menschen dafür, dass die Kurse und Angebote noch im vergangenen Jahr durch die Pandemie gelitten haben.

"Viele Mütter und Väter haben sowohl die Geburtsvorbereitung, als auch die -nachbereitung ganz alleine oder online machen müssen. Sich dann wieder auf den Präsenzbetrieb einzustellen und in Kurse zu kommen, war für manche anfangs sicher nicht ganz einfach", meint Bock. Annette Fußeder, Leiterin der Elternschule und selbst Hebamme, bestätigt das. "Auch jetzt nach der Pandemie umfasst unser Angebot 350 Online-, wie auch Präsenz-Angebote. Gerade die Veranstaltungen, die der reinen Wissensvermittlung dienen, werden nach wie vor sehr gern online besucht. Aber man merkt auch, dass die Leute wieder Lust haben, Kontakte zu knüpfen, sich zu vernetzen."

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So kann das Zentrum wieder mit einem zahlreichen und bunten Repertoire an Möglichkeiten aufwarten. Individuelle Einzelberatung, Geburtsvor- und Nachbereitung, Yoga und Pilates, Informationskurse zum "Leben mit dem Kind" sowie psychosoziale Beratung und ein interkultureller Mutter-Kind-Treff sind nur einige der vielseitigen Angebote, die Paare in der Einrichtung besuchen können. "Gerade unsere Angebote zum Tanzen boomen", sagt Bock. Freuen kann sich das gut 30-köpfige Team zudem über zwei neue Hebammen sowie einige weitere Referentinnen. Damit gestalten sich die Themen der Veranstaltung so bunt wie die Menschen, die sie erreichen sollen. "Wir wollen auch neue Perspektiven und Bereiche ansprechen", so Bock. Erstmalig soll dabei im neuen Zyklus das Thema "Chancen und Herausforderungen neurodivergenter Elternschaft" angesprochen werden. Darunter fallen beispielsweise ADHS oder Autismus.

Ein weiteres Angebot richtet sich im speziellen an die Eltern queerer Kinder und deren Umgang mit der Kirche. "Themen wie diese können für fromme Menschen nicht ganz einfach sein. Und gerade bei Fragen der Sexualität kommen die Menschen gerne auf das Online-Angebot zurück, weil es anonymer ist und Schutz bietet." Auch innerhalb der Gruppen merke man, dass das traditionelle Familienbild "Mutter-Vater-Kind" schon längst nicht mehr Allgemeingültigkeit besitzt. "Immer wieder haben wir auch schwule oder lesbische Paare bei uns, die wir natürlich in den Kurs integrieren. Bei uns gilt: Egal wie, alle sind willkommen", so die beiden Leiterinnen.

Die Kita-Krise ist im Familienzentrum angekommen

Ebenso wichtig wie Offenheit gegenüber der LGBTQIA+-Community ist dem Familienzentrum die Einbindung von Geflüchteten und Menschen mit Migrationshintergrund. Gerade wenn die Muttersprache von Kindern nicht Deutsch ist, können Angebote wie beispielsweise die "Servus Mama"-Gruppe, die als Vorbereitung für Kita und Kindergarten gilt, helfen. Für den "Interkulturellen Eltern-Kind-Treff" sucht das Team noch nach einer Referentin, um die Gruppe wieder stattfinden lassen zu können.

Doch trotz der vielen guten Nachrichten macht sich auch die Kita-Krise im Familienzentrum bemerkbar. Kinder müssten zum Teil länger als üblich in den auf die Kita vorbereitenden Gruppen bleiben, weil sie keinen Platz bekommen haben, schildert Bock. Auch stünden die Eltern oftmals extrem unter Druck. "Teilweise sind die finanziellen Konstrukte der Familien ja damit völlig über den Haufen geworfen." Besonders schlimm sei zudem die Unwissenheit, wann man mit einem Platz rechnen könne. Dadurch stünden die Eltern oft extrem unter Druck.

Das Zentrum versucht, neben den Kurs- und Betreuungs-Angeboten mit Ratschlägen zur Seite zu stehen. "Wir empfehlen den Familien ganz klar, zu klagen", erklärt Bock und fügt hinzu: "Das Thema braucht Aufmerksamkeit. Sonst passiert da nichts!" Besonders genervt sind die beiden Leiterinnen zudem von der offensichtlichen Realitätsferne und Scheinheiligkeit mancher Parteien und Politiker. "Wenn ich Forderungen wie die nach der Kita-Pflicht höre, frage ich mich, wie die auf sowas kommen", sagt Bock kopfschüttelnd. Wichtig sei vielmehr, den Menschen ihr Recht auf einen Platz einzuräumen und dafür zu sorgen, dass die Arbeitsbedingungen auf einem Niveau sind, bei dem die Menschen gerne in dem Bereich arbeiten wollen. Denn, so betonen Fußeder und Bock: "Die Arbeit mit Kindern ist toll."

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