Ernährung:Brennnessel aufs Butterbrot

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Wildpflanzenexpertin Inge Steidl zeigt, welches Superfood im Gemeinschaftsgarten wächst. (Foto: Johannes Simon)

Die Wildpflanzenexpertin Inge Steidl erklärt, wie man sich mit Pflanzen und Kräutern aus dem eigenen Garten selbst etwas Gutes tun und nebenbei auch den Schmetterlingen helfen kann.

Von Victoria Hehle, Freising

Mitten im Bachinger Moos im Süden von Freising befindet sich eine grüne Gartenoase. Pays de Cocagne, zu deutsch Schlaraffenland, ist einer der vier Gemeinschaftsgärten der Knollen und Co e.V. Die Vereinsmitglieder teilen sich dort die Gartenarbeit und ziehen zusammen Obst und Gemüse auf ökologischer Basis heran. Neben Zucchini und Tomaten wachsen im Garten auch einige Pflanzen, denen ganz besondere Wirkungen nachgesagt werden. Wie man dieses "Superfood" nutzen kann, stellt Landschaftsplanerin und Wildpflanzenexpertin Inge Steidl vor.

Als Superfood werden Lebensmittel bezeichnet, die durch ihren hohen Nährstoffgehalt als besonders gesundheitsfördernd gelten. Eine genaue Definition gibt es allerdings nicht. Im Supermarkt sind häufig exotische Pflanzen wie etwa Gojibeeren, Chiasamen oder Quinoa als Superfood gelabelt. "Es gibt aber viele heimische Alternativen dazu, die man nicht erst im Bioladen kaufen muss, sondern ohne Probleme im eigenen Garten ernten kann", meint Inge Steidl und lacht.

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Sie zeigt auf ein paar hochgewachsene Pflanzen, die wie Sonnenblumen aussehen. Tatsächlich ist die Gattung die gleiche, doch es handelt sich hierbei um Topinambur. Ihre Besonderheit liegt unter die Erde: Die dicken Knollen enthalten, ähnlich wie das exotische Superfood Yacon, das Kohlenhydrat Inulin. Dieser Mehrfachzucker ist unverdaulich und fermentiert im Dickdarm. Das führt zwar einerseits zu Blähungen, andererseits fördert es aber die Gesundheit der Darmflora.

Weil durch das Inulin auch der Blutzucker beim Essen konstant bleibt, wird Topinambur als Kartoffel der Diabetiker bezeichnet und soll auch beim Abnehmen helfen. "Am besten schrubbt man die Knollen, bevor man sie dünstet oder brät", empfiehlt Inge Steidl. Auch als Rösti könne man Topinambur gut zubereiten, ergänzt eine Besucherin des Vortrags. Geschmacklich erinnert die Knolle an eine Mischung aus Kartoffel und Artischocke. Sie kann im Winter geerntet werden.

Vereinsmitglieder und Pflanzenfreunde haben es sich im Bachinger Moos gemütlich gemacht, um dem Vortrag zu lauschen. (Foto: Johannes Simon)
Die Blätter sind ähnlich wie bei Sonnenblumen, doch Topinambur hat ein paar außergewöhnliche Eigenschaften, erklärt Inge Seidl. (Foto: Johannes Simon)

Nicht nur Topinambur fühlt sich in heimischen Gärten wohl. Auch der Riesengänsefuß kommt jedes Jahr von selbst wieder und steht im Garten der Knollen e.V. zur Ernte bereit. Seine magentafarbenen Blätter sind schön anzusehen und gleichzeitig eine Gaumenfreude. Die jungen Triebspitzen des Riesengänsefußes lassen sich nämlich wie Spinatgemüse verkochen. "Unser Gartenspinat kommt aus Spanien. Bevor man ihn bei uns eingeführt hat, wurden andere Pflanzen als Spinatgemüse verwendet", erzählt Wildkräuterexpertin Inge Steidl.

Lange Zeit war auch die Gartenmelde fixer Bestandteil in der Küche. Heutzutage eher als "Unkraut" bezeichnet, bietet die anpassungsfähige Wildpflanze doch eigentlich viel mehr: Sie enthält viele Nährstoffe wie etwa Vitamin A oder Magnesium und kann dabei gut mit dem Gartenspinat mithalten. Auch wurde die Melde früher als Heilmittel gegen Nieren- und Blasenbeschwerden eingesetzt. Die jungen Blätter können roh oder gekocht verzehrt werden.

Der Riesengänsefuß lässt sich hervorragend wie Spinatgemüse verkochen. (Foto: Johannes Simon)

Das absolute Lieblingssuperfood von Inge Steidl ist ein alter Bekannter: Die Brennnessel. "Im Grunde genommen kann man Brennnesseln für alles verwenden, für das man normalerweise Spinat nehmen würde", sagt die Wildkräuterexpertin. Egal ob in Pestos, Suppen, Tees oder als Frühjahrsgemüse, die jungen Blätter des Nesselgewächses seien vielseitig einsetzbar und gesund. Sie enthalten viele Mineralstoffe wie etwa Magnesium, Kalium und Eisen. Fast doppelt so viel Vitamin C wie eine Orange sollen Brennnesselblätter besitzen. Auch immerhin sieben Gramm Proteine lassen sich in 100 Gramm der Blätter finden.

Die Samen der Pflanze enthalten wertvolle Aminosäuren und sind ebenfalls essbar. Inge Steidl empfiehlt, sie frisch aufs Butterbrot zu streuen oder für den Winter trocknen zu lassen. Sie schwärmt von der pflegeleichten Wildpflanze: "Eigentlich bräuchte man im Garten ja drei verschiedene Beete davon", meint sie und schmunzelt. Einerseits wird die Brennnessel kulinarisch verwendet, andererseits wirkt sie auch gegen Blattläuse. Dafür kann eine Brennnessel-Jauche angesetzt werden, die auch als Dünger funktioniert. Der dritte Grund, warum man die Brennnessel nicht aus dem Garten verbannen sollte, ist ihre wichtige Rolle als Versorger für Schmetterlinge. "Rund 36 heimische Schmetterlingsarten sind von der Brennnessel abhängig", erzählt Inge Steidl.

Inge Steidl kennt sich mit Wildkräutern aus. Beim Bund Naturschutz ist sie dafür schon lange aktiv. (Foto: Johannes Simon)
Die Knoblauchsrauke sorgt für ein ganz besonderes Aroma in Speisen. In der Natur lockt sie Schmetterlinge an. (Foto: Johannes Simon)

Es ist ihr wichtig zu betonen, welche große Rolle die heimischen Superfoods auch beim Schutz von Insekten spielen, denn ihr Vortrag ist Teil des Biodiversitätsprojekts der Knollen und Co. Dem Verein liegen nämlich nicht nur seine Pflanzen, sondern auch die im Garten lebenden Krabbeltiere am Herzen. Damit diese beim Rasenmähen nicht mehr mitgehäckselt werden, hat der Verein einen Balkenmäher angeschafft, der das Gras schonend schneidet. "Zusätzlich zu dem Kauf wollten wir die Leute auch mit Vorträgen über die Biodiversität aufklären", erzählt Vereinsmitglied Elisabeth Albrecht.

So manche Pflanze im Garten ist also nicht nur Superfood für den Menschen, sondern auch für Schmetterlinge. Da wäre etwa die Knoblauchsrauke: Sie kann ungekocht als Ersatz für Knoblauch verwendet werden. Durch ihre Senföle wirkt sie verdauungsfördernd und antibakteriell. Am Nektar der Blüten erfreuen sich vor allem der Grüne Zipfelfalter und der Aurorafalter. Ähnlich sieht es beim Barbarakraut aus.

Das Barbarakraut ist wie Brunnen- oder Gartenkresse verwendbar

Die gelbblühende Pflanze zieht nicht nur Weißlinge, sondern auch kochbegeisterte Menschen an. Sie ist wie Brunnen- oder Gartenkresse verwendbar und schmeckt gut im Salat. Gesund ist das Barbarakraut natürlich auch, durch seinen hohen Gehalt an Vitamin C und Senfölen wurde es früher auch als Heilpflanze verwendet.

Sehr zu schätzen weiß Inge Steidl auch ein bekanntes Küchengewürz: "Auch wenn man nur einen ganz kleinen Garten oder einen Balkon hat, sollte man für Oregano Platz haben" , meint sie. Sie nennt die Pflanze als "absoluten Insektenmagnet", der Bienen und Schmetterlinge anlockt. Und auch für italienische Speisen ist Oregano als Gewürz unverzichtbar.

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