Verkehrspolitik in Freising:Sicherheit vor Bequemlichkeit

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Die Parkplätze an der Erdinger Straße von der Korbiniansbrücke bis zum Rabenweg in Lerchenfeld sollen entfallen. Ein Pilotversuch sieht auf beiden Seiten Schutzstreifen für den Radverkehr vor. (Foto: Marco Einfeldt)

Schutzstreifen für den Radverkehr sollen auf der Erdinger Straße und der Straße Gute Änger für mehr Sicherheit sorgen. Die Initiative Radverkehr Freising verteidigt den Pilotversuch, den Gewerbetreibende als existenzgefährdend kritisieren.

Von Peter Becker, Freising

Man möchte meinen, die Welt gehe unter, sagte Ulrich Vogl (ÖDP) während des Pressegesprächs "Faktencheck Erdinger Straße" der Initiative Radweg Freising. Die Stadt Freising plant, beiderseits der Hauptverkehrsader in Lerchenfeld sowie in der Straße Gute Änger probeweise für ein Jahr Schutzstreifen für den Radverkehr einzurichten. Dagegen protestieren Gewerbetreibende, die um ihre Existenz fürchten. Doch "Sicherheit geht vor Bequemlichkeit" sagte Vogl, der durchaus versteht, dass Leute sich ärgern, weil sie nicht mehr auf der Straße, sondern nur auf ausgewiesenen Stellplätzen parken dürfen.

Robert Mordstein, Inhaber eines Gartengestaltungsbetriebs, hat eine Unterschriftenaktion gegen den Radweg gestartet, die etwa 1200 Bürgerinnen und Bürger unterschrieben haben. Stellvertretend für die Firmen hat Michael Bscheid, der eine Praxis an der Straße Gute Änger betreibt, eine Email an die Stadt Freising geschickt, die zu seinem Bedauern unbeantwortet geblieben ist. Darin macht er die Stadt für die bereits angespannte Parksituation in den Guten Ängern verantwortlich. Kritisiert werden die Schutzstreifen vor den Schulen sowie die Einführung einer Parkzone im Gewerbegebiet Clemensänger. Das hatte dazu geführt, dass Lastwagen und Anhänger zunehmend in den Guten Ängern parken.

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Was speziell seine Praxis betrifft, klagt Bscheid, dass körperlich stark eingeschränkte Menschen unzumutbar lange Wege auf sich nehmen müssten, um zu ihrer Behandlung zu kommen. Die betroffenen Firmen fordern, konkrete Zahlen zum Radverkehr speziell für die Guten Änger. Wirtschaftlich sinnvollere Alternativen sollten in Erwägung gezogen werden. Falls das Projekt, das bis jetzt ein Pilotversuch für ein Jahr ist, tatsächlich umgesetzt werden sollte, fordern die Firmen ein Konzept zur Unterstützung der ansässigen Unternehmen.

Laut Jürgen Maguhn (Grüne) fahren jeden Tag bis zu 6000 Radfahrer und Radfahrerinnen über die Korbiniansbrücke nach Lerchenfeld. Diese Ziffer ermittelt eine dauerhafte Zählstation, die über das Internetportal der Stadt oder des Radentscheids abgerufen werden kann. Ein Drittel dieser Personen biege in die Ismaninger Straße ab. Diese seien zwischen 5 und 90 Jahren alt.

"Jung gegen Alt ausspielen", das sei nicht fair

Aus Stellungsnahmen zu den Schutzstreifen liest Vogel die Beschwörung eines Generationenkonflikts heraus. "Jung gegen Alt ausspielen, das ist nicht fair", sagte er. Viele Menschen würden bis ins hohe Alter Radfahren, insbesondere jetzt im Zeitalter der Elektromobilität.

Was Vogl ebenfalls stört, ist das Argument, dass Geschäfte kaputt gingen, wenn auf der Erdinger Straße Parkplätze gestrichen würden. Für alle Häuser und Praxen zwischen Korbiniansbrücke und Rabenweg seien Stellplätze in Tiefgaragen ausgewiesen. Die Leute stellten ihre Autos aus Bequemlichkeit auf der Straße ab. Es sei aber nie ein Stellplatz auf der Straße abgelöst worden, ergänzte Emilia Kirner (ÖDP), die in den Stellungsnahmen persönlich attackiert wird. Auch das rügte Vogl während der Pressekonferenz.

Vogl verweist darauf, dass im Ausgleich zur Erdinger Straße auf der Oberen Pfalzgrafstraße eine Kurzparkzone eingerichtet werde. Eine Alternative sei auch das Parkhaus des "fresch". Von dort über den Rabenweg oder auf dem Fußweg zwischen Schwimmbad und Sportplatz kommen Parkende binnen kurzer Zeit zu den Praxen und Betrieben an der Erdinger Straße.

Kurzparkzonen entlang der Straße Gute Änger sollen das dauerhafte Abstellen von Lastwagen und Anhängern verhindern. Dadurch könnten am Ende mehr Stellplätze zur Verfügung stehen als bislang. (Foto: Marco Einfeldt)

"Öffentlicher Raum ist knapp", stellte Andreas Kagermeier vom Verkehrsclub Deutschland fest. Und der sei nicht gratis zu haben, ergänzte Kirner. Das gilt auch für die Guten Änger. Dort macht Bscheid geltend, dass seine Praxis zwar Parkplätze im Hof anbiete. Diese reichten aber bei weitem nicht aus. Erweitern komme nicht in Frage und das Anmieten von Stellplätzen scheitere an den umliegenden Firmen. Bscheid schlägt außerdem vor, die Schulkinder auf dem Gehweg fahren zu lassen.

Die Initiative Radweg hält es für die bessere Alternative, Kinder auf dem Schutzstreifen fahren zu lassen. Daneben könnten Autos parken. Auf der Fahrbahn selbst müsse langsam gefahren werden, um auf den Gegenverkehr zu achten. "Radfahrer fühlen sich so sicher",, betonte Vogl.

Die betroffenen Firmen fühlen sich mit der Planung von der Stadt überfahren, weil es im Vorfeld zur Sitzung des Planungsausschusses im April keine Informationsveranstaltung gegeben hatte. "Eine konkrete Bürgerinformation durch Anschreiben an die Anlieger/-innen erfolgt selbstverständlich rechtzeitig vor Beginn der Umsetzung", versichert Christl Steinhart, Pressesprecherin der Stadt, auf Nachfrage. Der Ausschuss werde sich in jedem Fall mit den zentralen Inhalten der eingegangenen Stellungsnahmen befassen.

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