Archivstück des Monats:Ein Hauch von Ascot

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Auf der Postkarte vom Freisinger Pferderennen von 1906 sind eine Ansicht von Freising und ein Rennmotiv zu sehen. (Foto: Stadtarchiv/Postkartensammlung)

Pferderennen hatten in Freising eine lange Tradition. Veranstalter waren zumeist die Brauer der Stadt. Bis zum Ende des 20. Jahrhunderts fanden die Wettbewerbe während des Volksfestes statt. Organisator war der Trab- und Rennverein.

Von Florian Notter, Freising

Bis Ende des 20. Jahrhunderts fand in Freising mindestens einmal im Jahr ein großes Pferderennen statt. Zuletzt waren es die Rennen, die während des Volksfestes vom Trab- und Rennverein veranstaltet wurden. Die Tradition reicht jedoch weiter zurück.

Eine frühe, barockzeitliche Form des Pferderennens stellte in katholischen Regionen das sogenannte Kirchenrennen dar. Es war Teil eines Kirchenfestes zu Ehren eines bestimmten Heiligen, dessen Patrozinium der Landwirtschaft, Tieren und dabei insbesondere auch Pferden galt. Nach einer feierlichen Messe, einem Umritt um die Kirche und einer Pferdesegnung versammelten sich Reiter mit ihren Pferden auf einer nahen Wiese zum Pferderennen. Zu gewinnen gab es dabei zumeist wertvolle Stoffe. Inwieweit das Rennen jeweils noch Teil des damaligen religiösen Kultes gewesen ist, darüber gibt es heute unterschiedliche Ansichten. Als ein nahes Beispiel für ein Kirchenrennen wäre das Hohenbacherner Silvesterrennen zu nennen, am letzten Tag des Jahres. Die Rennbahn lag zwischen Hohenbachern und Vötting, als eine Art Schiedsrichter fungierte der Pfarrvikar von Weihenstephan.

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Ende des 18. Jahrhunderts, in der Hochphase der Aufklärung, sowie im Zuge der bayerischen Säkularisation 1802/03 waren die Kirchenrennen vielerorts - zumindest vorübergehend - verboten worden. Pferderennen, die in einem profanen Rahmen stattfanden, gab es gleichwohl weiterhin. Ein bekanntes Beispiel dafür ist jenes Rennen, das am 17. Oktober 1810 vor den Toren Münchens anlässlich der Hochzeit des bayerischen Kronprinzen Ludwig und seiner Gemahlin Therese veranstaltet wurde. Es fand bei den 40.000 Zuschauern so großen Anklang, dass es ab 1814 jährlich wiederholt und um zahlreiche weitere Attraktionen und gastronomische Einrichtungen erweitert wurde - das nachmalige "Oktoberfest".

Auf der Rückseite der Postkarte von 1906 sind die Reiter nach Losnummer aufgelistet. In einer eigenen Spalte konnte handschriftlich die Platzierung eingetragen werden. (Foto: Stadtarchiv/Postkartensammlung)

In Freising hören wir von einem (profanen) Pferderennen erstmals im April 1811. Zwei Brauereibesitzer, Joseph Sebastian Parth (Gößweinbräu), und Wolfgang Sporrer (Hacklbräu), traten als verantwortliche Organisatoren ("Rennmeister") auf. Mit der Wiederholung des Rennens im darauffolgenden Jahr, im April 1812, wurde schließlich eine Tradition begründet, die sich - mit kurzzeitigen Unterbrechungen - weit bis ins 20. Jahrhundert fortsetzen sollte. Der Ablauf blieb dabei im Wesentlichen derselbe: Ein oder mehrere Freisinger Bürger, später "Renn-Komitee" genannt, stellten jedes Jahr beim Stadtmagistrat einen Antrag auf Abhaltung eines Pferderennens. Unter Angabe von bestimmten Auflagen wurde die Genehmigung erteilt.

Die Standorte für den Rennplatz wechselten; mal wurden dafür Wiesen südlich der Stadt, mal auf der anderen Seite der Isar bereitgestellt und mit Stangen und Fahnen abgesteckt. Viele Jahrzehnte hinweg fanden die Pferderennen an einem Sonntag im Frühling statt, meistens im April; erst im späten 19. Jahrhundert, als man die Rennen mit den ersten Volksfesten kombiniert hatte, im September.

Die Reiter zogen zusammen mit dem Publikum auf den Rennplatz hinaus

Am Renntag hatten sich die teilnehmenden Reiter am Vormittag im Rathaus zu melden und eine Renngebühr zu bezahlen. Bei dieser Gelegenheit losten sie auch ihre Rennnummer. Am Nachmittag zogen die Reiter zusammen mit den Zuschauern und Zuschauerinnen vom Marienplatz auf den Rennplatz hinaus. Aus dem Jahr 1897 wissen wir, dass die Rennbahn dreimal umritten werden musste, was einer Strecke von etwa 1200 Metern entsprach. Die Zahl der Reiter schwankte zwischen zehn und zwanzig. Die Zahl der Zuschauer dürfte sicherlich bei mehreren Hundert, im Lauf der Zeit wohl auch im vierstelligen Bereich gelegen sein.

Da die Veranstalter überwiegend Freisinger Brauer waren, ist anzunehmen, dass neben dem Rennplatz ein Ausschank vorhanden war. Einen Preis erhielt am Ende ein jeder Reiter. Während die vorderen Plätze mit Geldpreisen prämiert wurden, mussten sich die hinteren mit Sachpreisen begnügen. Nicht ohne Ironie wurden beim Rennen von 1811 dem letztplatzierten Reiter vier Hufeisen überreicht.

Ergebnisliste des Freisinger Pferderennens vom 19. April 1812: In der rechten Spalte sind die Reiter in der Reihenfolge der gelosten Rennnummer mit Kurzbeschreibung des Pferdes auf-geführt, in der linken Spalte die jeweilige Platzierung. Mit dabei: Franz Xaver Krenkl, der im Englischen Garten zu München verbotenerweise die Kutsche des Kronprinzen Ludwig überholte. (Foto: Stadtarchiv)

Neben Akten, einzelnen Zeitungsannoncen und Postkarten hat sich zu den Freisinger Pferderennen im Stadtarchiv ein weiteres, äußerst seltenes Dokument erhalten: eine gedruckte Ergebnisliste des Rennens vom 19. April 1812. Unter Rennnummer 4 (Drittplatzierung) findet sich der Name eines Münchners, der größere Bekanntheit erlagen sollte: Franz Xaver Krenkl (1780-1860). Außer der Tatsache, dass er insgesamt 14 Mal das Oktoberfest-Pferderennen gewann, ging sein frecher Ausspruch, den er dem Kronprinzen Ludwig gegenüber äußerte, in die bayerische Geschichte ein: Als Krenkl Ludwigs Kutsche im Englischen Garten verbotenerweise überholte, soll er ihm zugerufen haben: "Majestät, wer ko, der ko".

Quellen: Stadtarchiv Freising, AA I, Abt. XXV, Nr. 10; ebd., Druckschriftensammlung, Rariora u. Volksfeste; ebd., Postkartensammlung; ebd., Zeitungssammlung, Freysinger Wochenblatt, 21.04.1811 u. 05.04.1812.

Literatur: Böck, Robert: Pferde- und Fußrennen im Amperland bis 1803, in: Amperland 52 (2016), S. 130-135. - Goerge, Rudolf: Pferderennen im Amperland, in Amperland 8 (1972), S. 278-280 - Goerge, Rudolf: Wallfahrten im Landkreis Freising. Geschichte und Gegenwart (Manuskript in der Bibliothek des Stadtarchivs Freising), 1971, hier bes. 43-46.

Der Autor ist Leiter des Freisinger Stadtarchivs

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