Obdachlosenhilfe in Freising:Warten auf die Welle

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Gut hundert Menschen leben derzeit in den Notunterkünften der Stadt Freising. (Foto: Marco Einfeldt)

In den Notunterkünften der Stadt leben gut hundert Menschen. Die Verantwortlichen halten Wohnraum frei, weil sie mit Corona-bedingten Zwangsräumungen rechnen. "Freiwillig" Obdachlose gibt es kaum.

Von Gudrun Regelein, Freising

Gut hundert Menschen leben derzeit in den zwei Notunterkünften der Stadt Freising, vor allem männliche Singles seien das, sagt Susanne Weber, Leiterin Soziales Wohnen und Obdachlosenhilfe der Stadt Freising. Aber auch Paare und Familien sind dort untergebracht. Die Zahl schwankt stark: "Nicht alle Bewohner leben langfristig dort, sondern es gibt auch immer wieder solche, die nur für eine oder wenige Nächte bleiben. Voll ausgelastet sind die Unterkünfte nicht", sagt Weber.

Dass nicht alle Plätze belegt sind, hat noch einen ganz anderen Grund: "Wir halten Wohneinheiten frei, da wir davon ausgehen, dass es zunehmend mehr Zwangsräumungen geben wird", erklärt Weber. Die Corona-Krise habe viele Menschen in eine finanzielle Notlage gebracht, vielen fehle das Geld, um die Miete zu bezahlen. Wohnungskündigungen und im schlimmsten Fall Zwangsräumungen drohten. Bei vielen Betroffenen aber sei die Scham extrem groß, sich Hilfe zu holen. "Wenn man sich aber rechtzeitig bei uns meldet, kann man viel vom Tisch bringen - und die Wohnungslosigkeit verhindern", sagt Weber. Etwa 100 Haushalte hat man 2020 beraten, bei nur zwei von ihnen kam es zu einem "negativen Ausgang", der Umzug in die Notunterkunft konnte nicht vermieden werden. Alle anderen Klienten fanden eine neue Wohnung oder konnten - beispielsweise mit einem Jobcenter-Darlehen - die Mietschulden begleichen. Oft helfe auch ein Gespräch mit dem Vermieter, die meisten seien kooperativ, schildert Weber.

Ein Rest von Freiheit

Für die Unterbringung obdachloser Menschen ist immer die Kommune zuständig, in welcher der Betroffene gemeldet ist. "Wenn aber jemand aus Berlin oder Hamburg bei uns anfragt und sagt, dass er eine Unterkunft braucht, dann sind wir für den auch zuständig", erklärt Weber. Denn der Weg sei zu weit, um ihn zu seinem eigentlichen Wohnort zurückzuschicken. "Das passiert aber nicht häufig, es sind Einzelfälle." Daneben gebe es noch wohnungslose Menschen, die zwar einen Anspruch auf einen Platz in einer Unterbringung haben, aber lieber die "freiwillige Obdachlosigkeit" wählen. Wenn jemand zurechnungsfähig und nicht schwer krank sei, sei das eine Entscheidung, die man akzeptieren müsse, sagt Weber. "Zumeist sind es Männer, die sagen, sie wollen noch einen Rest Freiheit behalten - aber häufig kommt das nicht vor."

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Eine drohende Obdachlosigkeit löse immer heftige Existenzängste aus, erklärt Weber. "Die eigene Wohnung ist etwas extrem Wichtiges, die steht in der Bedürfnispyramide noch vor dem Essen." Gerade für Familien und vor allem für Alleinerziehende sei das extrem schlimm.

Viele haben Mietschulden

Auch in der Fachstelle zur Verhinderung der Obdachlosigkeit (FOL) der Diakonie Freising, die für den Landkreis zuständig ist, wird alles versucht, um einen drohenden Wohnungsverlust zu vermeiden. Meist gelingt das auch hier. Susanne Noller, Leiterin der FOL, hat eigentlich damit gerechnet, dass die Klientenzahlen nun durch die Corona-Krise nach oben schnellen - bislang aber ist das noch nicht geschehen. Mietschulden seien jedoch bei vielen Menschen schon jetzt ein Thema, sagt sie. "Viele haben in der Corona-Krise ihren Job verloren oder sind in Kurzarbeit. Wahrscheinlich versuchen momentan noch viele, mit ihren Reserven über die Runden zu kommen." Auch durften im vergangenen Jahr wegen Mietrückständen für einen begrenzten Zeitraum keine Kündigungen ausgesprochen werden. Noller ist sich sicher, dass sich das in den kommenden Monaten ändern wird. "Ich warte auf die Welle, die wird kommen."

Obdachlos gewordene Menschen, die nicht in einer Notunterkunft untergebracht werden wollten, gebe es derzeit im Landkreis kaum, sagt sie. Die seien zumeist in den größeren Städten zu finden. Für die Betroffenen aber sei es durch Corona richtig schwierig geworden. Eine Anlaufstelle ist zumindest noch immer die Freisinger Wärmestube.

Essen "to go"

Dort könnten die Gäste zwar nicht mehr duschen oder ihre Wäsche waschen, aber ein To-go-Essen könne man ihnen noch anbieten, berichtet die Vorsitzende Irmgard Schiffer. Nach wie vor nehmen das täglich bis zu 15 bedürftige Menschen in Anspruch. Obdachlose aber sind keine mehr darunter. Nur ein obdachloser Mann sei zuletzt noch in die Wärmestube gekommen, seit Januar aber kam auch er nicht mehr. "Das war ein Unbelehrbarer, er wollte in keine Unterkunft", sagt Schiffer. Das müsse sie akzeptieren, sie könne dann nur mit warmen Anziehsachen, Schlafsack und einem Essen helfen. Diejenigen, die von einem Ort zum anderen ziehen würden - die Durchgangsleute, wie Schiffer sie nennt -, kämen erst im Frühjahr oder Sommer wieder in den Landkreis.

Dass derzeit keine obdachlosen Menschen in der Wärmestube auftauchen, habe neben der kalten Jahreszeit aber auch etwas mit Corona zu tun, sagt Schiffer. Gelegenheitsarbeiter aus osteuropäischen Ländern, die zumeist keinen Wohnsitz haben und im Auto oder Zelt schlafen, nämlich kommen momentan auch nur noch sehr vereinzelt. "Es gibt ja kaum mehr Jobs für sie", sagt Irmgard Schiffer.

© SZ vom 04.02.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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