Urteil am Freisinger Amtsgericht:Intensivtäter mit enormer Rückfallgeschwindigkeit

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Zu einer Geldstrafe ist ein Mann am Freisinger Amtsgericht verurteilt worden. Er hatte eine Bedienung sexuell belästigt. (Foto: Marco Einfeldt)

Versuchter Schwangerschaftsabbruchs, gefährliche Körperverletzung, Handel mit Betäubungsmitteln. Dafür muss ein 19-Jähriger Neufahrner jetzt ins Gefängnis.

Von Peter Becker, Freising

Das Kind ist wohlauf, die Mutter ebenso: Doch die Sache hätte auch ein böses Ende nehmen können, als ein damals 19-jähriger Neufahrner im September des vergangenen Jahres seine Freundin in den Bauch trat, um einen Schwangerschaftsabbruch zu erzwingen. Ob ein Partner aus einem Drogengeschäft mittlerweile seinen Arm wieder normal bewegen kann, ist dagegen unbekannt. Der 19-Jährige hatte aus Wut mit einem Messer zugestochen und dabei einen Nerv durchtrennt. Das Jugendschöffengericht am Freisinger Amtsgericht verurteilte ihn deshalb wegen versuchten Schwangerschaftsabbruchs, gefährlicher Körperverletzung und Handels mit einer nicht geringen Menge von Betäubungsmitteln zu einer Jugendstrafe von drei Jahren und sechs Monaten.

Der Heranwachsende ist fast schon als jugendlicher Intensivtäter mit enormer Rückfallgeschwindigkeit zu bezeichnen. Der Staatsanwalt bescheinigte ihm mit Blick in die Vorstrafen "eine beachtliche Liste für sein Alter". Selbst Haftstrafen haben ihn bislang nicht vor weiteren Straftaten abgehalten. "Er läuft mit einer kurzen Zündschnur durch die Gegend", umschrieb der Staatsanwalt das Wesen des Angeklagten. In Rage gebracht, schlägt, tritt oder sticht er zu, um sich kurze Zeit später bei seinen Opfern zu entschuldigen. Wurzel allen Übels ist die Drogensucht des Neufahrners.

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So schlug er im vergangenen Jahr, kaum aus einer Haft entlassen, seiner Freundin ins Gesicht. Dafür wurde er zu einer Bewährungsstrafe verurteilt, die mit dem aktuellen Urteil miteinbezogen wurde. Wenige Wochen später prügelte der Jugendliche in der Nähe des Neufahrner Rathauses erneut auf seine Freundin ein. Als sie am Boden lag, trat er sie mehrmals in den Bauch, obwohl er wusste, dass sie schwanger war. Er ging damit das Risiko eines Schwangerschaftsabbruchs ein. Es bestand eine abstrakte Gefahr für das Leben von Mutter und Kind.

Ein Zeuge setzt den Notruf ab

Als sich ein Spaziergänger mit seinem Hund näherte, ließ der Beschuldigte von seiner Freundin ab. Der als Zeuge geladene Mann sagte, er habe einen Notruf abgesetzt. Später sei der Beschuldigte an den Tatort zurückgekehrt. Allerdings hatte er sich umgezogen, weshalb er ihn nicht gleich erkannt habe. Der junge Mann sei auf ihn zugegangen und habe ihn angeschrien.

Ungeklärt ist allerdings, wer tatsächlich der Vater des Kindes ist. Dem Beschuldigten gegenüber hatte die junge Frau stets gesagt, er sei es. Auf Nachbohren des Verteidigers Walter Huber wollte sich die Zeugin in der Gerichtsverhandlung dazu nicht eindeutig äußern. Dem Vernehmen nach soll sie ihrem damaligen Freund auch einen Schwangerschaftsabbruch angeboten haben, falls er ihr 20 000 Euro zahle.

Messerattacke nach Drogendeal

Im Dezember des vergangenen Jahres hatte sich dann der Messerstich nach einem Drogengeschäft ereignet. Der Beschuldigte und ein Bekannter von ihm hatten in Freising etwa 150 Gramm Marihuana gekauft. Ausgemacht war, dass jeder der beiden die Hälfte des Rauschgifts bekommen sollte. Der Beschuldigte, der mit einem Teil der Drogen handeln wollte, um sich Geld zu verschaffen, beanspruchte aber mehr. Daraufhin kam es zum Streit, wobei er seinen Widersacher mit einem Messer in einen Arm stach. Wie es diesem heute geht, ist ungewiss.

Als ein als Zeuge geladener Polizist ihn zuletzt gesehen hatte, sei der Arm trotz Operation "heruntergehangen wie eine Gummihand". Zu Beginn der Verhandlung hatten sich die Prozessbeteiligten nebst Bewährungshelferin des Beschuldigten und dem Vertreter der Jugendgerichtshilfe zu einem Rechtsgespräch zusammengesetzt. Als dessen Ergebnis wurde dem Beschuldigten in Aussicht gestellt, dass bei einem Geständnis seine Strafe nicht mehr als drei Jahre und neun Monate betragen solle. Über seinen Verteidiger räumte der junge Mann seine Taten ein.

"Ordentliches Kaliber"

Vorsitzender Jugendrichter Boris Schätz stellte fest, dass der Beschuldigte von seiner damaligen Freundin gewissermaßen in die Enge getrieben worden sei. Das sei aber keine Entschuldigung für sein Handeln. "Das Kind kann nichts dafür. Sie hätten es töten können." Schätz hielt dem Jugendlichen seine Straftaten vor, die ein "ordentliches Kaliber" hätten.

Der Angeklagte war aus Untersuchungshaft vorgeführt worden. Zunächst muss er in die Justizvollzugsanstalt Stadelheim zurück, um dort weitere vier Monate im Gefängnis zu verbringen. Dann kommt er in eine Entziehungsanstalt. Verläuft seine Drogentherapie, die mindestens ein Jahr dauern soll, positiv, kann er anschließend mit einer Verkürzung seiner Haftstrafe rechnen.

© SZ vom 01.10.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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