Freisinger Fabriken:Rastloser Tüftler

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Wenn man so will, hat das BMW-Werk in Dingolfing seinen Ursprung in Freising. Maurus Glas hat in Freising eine Firma gegründet und ging bankrott. Sein Enkel Hans Glas stellte bis in die Sechzigerjahre hinein Autos her, bis BMW seine Firma aufkaufte. (Foto: Armin Weigel/dpa)

Maurus Glas gründet 1860 in Freising eine Maschinenfabrik und Eisengießerei. Sein Enkel Hans baut in Dingolfing eine Autofabrik auf, die später BMW übernahm.

Von Peter Becker, Freising

"Freisinger Fabriken" heißt ein Buch, das der Freisinger Hans Lorenzer 2022 veröffentlicht hat. Das Nachschlagewerk, wie er es nennt, beschäftigt sich mit Fabriken und Werken innerhalb des Stadtgebiets. Manche gibt es heute noch, viele sind verschwunden. Die Freisinger SZ stellt in einem Streifzug durch die Industrialisierung bestehende und aufgegebene Unternehmen vor. Heute: Maschinenfabrik und Eisengießerei Maurus Glas (1860 bis 1877).

"Maurus Glas empfiehlt sich zu geneigten Aufträgen in Bräuerei-Einrichtungen, Saug-, Heb- und Druckpumpen, Drehbänken ..." So lautete die Anzeige in einer Freisinger Zeitung vom 12. Mai 1864. Maurus Glas, Sohn eines Dorfschmieds aus Dörnbach in der Pfalz, war laut Hans Lorenzer ein "rastloser Tüftler auf dem Gebiet von Landmaschinen". Er übernahm zunächst die Schmiede am Büchl in Freising. 1860 gründete er sein Unternehmen an der Fabrikstraße. Dieses entwickelte sich zum seinerzeit größten Betrieb in Freising.

Interessant ist die damalige Arbeitsweise. Jede Schraube und zugehörige Mutter habe zuerst gegossen, dann geschmiedet und anschließend mit einem Gewinde versehen werden müssen, schreibt Lorenzer. Eine DIN-Norm, so wie wir sie heute kennen, gab es erst gegen Ende des Ersten Weltkriegs. Glas ließ extra eine Straße direkt vom Bahnhof an der evangelischen Kirche vorbei in die Fabrikstraße bauen. So ließ sich seine Ware schneller zum Bahnhof befördern. Aus dem in der Annonce genannten Sortiment schließt Lorenzer, dass der Betrieb von Glas etwa 50 Personen beschäftigte.

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Wegen der großen Nachfrage nach seinen Produkten kaufte der Unternehmer mehrere Grundstücke dazu. Am Ende war es auf 3400 Quadratmeter angewachsen. Die sogenannte Gründerkrise, eine lang anhaltende Phase der Deflation, die auf den Gründerkrach 1873 folgte, bereitete dem prosperierenden Unternehmen ein unerwartetes Ende. Im Freisinger Tagblatt war am 5. Dezember 1877 eine Übersicht von zu versteigernden Einrichtungen und Geräten zu lesen. Die Fabrik mag zu diesem Zeitpunkt auf etwa 100 Beschäftigte angewachsen sein. Das Historische Lexikon Bayerns nennt sogar 300 Personen.

Der Vorschussverein, ein Zusammenschluss "betuchter Freisinger Geschäftsleute", ersteigerte das Anwesen mitsamt den Maschinen. Wie aus einer Anzeige hervorgeht, baute man dort "als Spezialität" Turbinen, Wasserräder, Triebwerke, Mühlen, Sägen und Pumpwerke. Die Firma wurde dann unter neuer Leitung bis 1894 weitergeführt. Dann übernahm sie Franz Datterer, der sie wegen der vorhandenen Dampfmaschine für sein Elektrizitätswerk nutzte.

Der Enkel stellt das berühmte "Goggomobil" her

Andreas Glas, Sohn von Maurus Glas, eröffnete 1883 in Pilsting bei Dingolfing die "Maschinenfabrik und Reparaturwerkstätte Andreas Glas". 1908 verlegte er das Unternehmen nach Dingolfing, um dort an einer zu Kirchweih stattfindenden Messe teilnehmen zu können. Zu dieser waren nur ortsansässige Betriebe zugelassen. Er erhoffte sich dadurch einen besseren Absatz seiner Landmaschinen. Die Stadt Dingolfing stellte ihm dazu ein drei Tagwerk umfassendes Grundstück zur Verfügung.

Hans Glas, Enkel von Maurus Glas, gründete dort die "Automobilfabrik Hans Glas". Sie stellte zunächst Motorroller her, später in den Fünfzigerjahren das berühmte "Goggomobil", einen Kleinwagen, den sich auch weniger betuchte Familien leisten konnten. In den Sechzigerjahren bauten die Glas-Werke schnittige Sportwagen und Coupés, die durch ihr elegantes Design bestachen. Das Unternehmen konnte aber mit den großen Automobilfabrikanten in Deutschland nicht mehr mithalten. 1966 übernahm es BMW.

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