Freising/Landshut:"Der Staat lässt sich nicht veräppeln"

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Berufungsrichter sieht beim Abspielen von NS-Liedgut zumindest bedingten Vorsatz bei NPD-Funktionär. Das Urteil des Freisinger Amtsgerichts wird nur finanziell gemildert. Der Angeklagte sieht sich als politisch Verfolgter

Von Peter Becker, Freising/Landshut

Nun bleibt dem 60-jährigen bayernweit bekanntem NPD-Funktionär nur der Gang vor das Bundesverfassungsgericht. Den kündigte er an, falls er am Landshuter Landgericht wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verurteilt werde. Die Staatsanwaltschaft warf ihm vor, im November des vergangenen Jahres am Freisinger Kriegerdenkmal ein Lied mit dem Refrain "Meine Ehre ist meine Reue" abgespielt zu haben. Dieser erinnert an den Wahlspruch der Waffen-SS. Richter Manfred Kastlmeier hatte ihn im April zu einer Geldstrafe von 4500 Euro verurteilt, zahlbar in 90 Tagessätzen. In der Berufungsverhandlung am Dienstagnachmittag minderte Vorsitzender Richter Ralph Reiter die Geldstrafe auf 3600 Euro.

Gegen das Freisinger Urteil waren sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der Verteidiger des Angeklagten in Berufung gegangen. Die Behörde ist der Ansicht, dass der Tat des 60-Jährigen eine Bewährungsstrafe von fünf Monaten sowie eine Geldauflage von 3000 Euro angemessen gewesen wäre. Der Verteidiger verlangte Freispruch. Mit dem milderen Urteil wollte sich der Angeklagte nicht zufrieden geben. Er warf Reiter vor, gegen seinen richterlichen Eid verstoßen zu haben, der da lautet, ohne das Ansehen der Person zu urteilen. Dieses Prinzip habe er missachtet. Ein Urteil sei nur gefällt worden, weil er dem rechten Spektrum angehöre, argumentierte der Angeklagte, der sich als politischen Verfolgten ansieht. Reiter drohte ihm daraufhin zusätzlich zur Geldstrafe ein Ordnungsgeld an. Um sich einen Eindruck zu verschaffen, wie politische Verfolgung aussehe, solle er sich einmal für ein Jahr nach Syrien begeben, gab er dem 60-Jährigen mit auf den Weg.

Der NPD-Funktionär hatte vergangenen November während einer Kundgebung des NPD-Ortsverbands für musikalische Unterhaltung gesorgt. Da war die Bayern-Hymne zu hören und eben jene Ballade des rechten Liedermachers Frank Rennicke. Der Angeklagte sagte, er könne sich nicht erinnern, dieses abgespielt zu haben. Die CD sei in einer Kiste gewesen, die er gerade von der Augsburger Polizei zurückerhalten habe. Die habe den Inhalt nach einer Hausdurchsuchung drei Jahre lang geprüft. Da habe er angenommen, dass kein unrechtes Liedgut dabei gewesen sei, sagte der Beschuldigte.

Ein als Zeuge geladener Polizist versicherte, das Lied gehört zu haben. Sogar mit dem Original-SS-Slogan "Meine Ehre ist meine Treue". Von dem Text gibt es allerdings mehrere Versionen. Vorsitzender Richter Reiter nahm zugunsten des Angeklagten an, er habe die Fassung gehört, die auf "Reue" endet. Dies sei wohl bei den tumultartigen Ereignissen an jenem Tag für den Polizisten nicht unterscheidbar gewesen. Gleichwohl sei das Lied bis zum Ende gelaufen, ohne dass der Angeklagte die "Austaste" gedrückt habe.

Deshalb unterstellte Reiter dem Angeklagten zumindest bedingten Vorsatz. Wie schon andere Veranstalter vor ihm hatte er in Kauf genommen, mit Imitationen nationalsozialistischer Kennzeichen, sei es Parolen, Runen oder bestimmter Kleidung den politischen Gegner zu Straftaten zu provozieren. Dies sei ein abstraktes Gefährdungsdelikt. "Doch der Staat lässt sich nicht durch lustige Abwandlungen veräppeln", verdeutlichte Reiter.

© SZ vom 16.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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