Kinderbetreuung in Freising:Jetzt kommen die "Helfenden Hände"

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Freisinger Eltern haben schon im Juli vor dem Rathaus gegen die Kitakrise demonstriert. Im Rathaus sucht man unterdessen weiter nach Lösungen und ist nun auf die "Helfenden Hände" gekommen. (Foto: Johannes Simon)

Modell des Familienministeriums soll Quereinsteigerinnen in die Kitas locken. Die würden zwar den Betreuungsschlüssel nicht verbessern, könnten das Fachpersonal aber von der Hauswirtschaft entlasten. Dafür will die Stadt sogar fünf neue Vollzeitstellen schaffen.

Von Kerstin Vogel, Freising

Das Modell heißt "Helfende Hände". Es stammt vom bayerischen Familienministerium und soll nun auch in Freising dazu beitragen, langfristig Fachkräfte für die Kinderbetreuung zu gewinnen. Der Kulturausschuss des Freisinger Stadtrats jedenfalls hat am Dienstagabend empfohlen, zum Einstieg fünf Vollzeitstellen dafür in den städtischen Stellenplan aufzunehmen, trotz der 250 000 Euro, die das jährlich kosten wird - und trotz einiger Zweifel am tatsächlichen Nutzen dieses Modells. Am Ende überwog schlicht die Hoffnung, dass auf diese Weise wenigstens eine kleine Unterstützung für das überlastete Personal in den Kitas geschaffen werden kann.

Fehlende Kita-Plätze haben zuletzt nicht nur für Aufruhr unter den betroffenen Eltern gesorgt, sie haben Freising auch eine gewisse Berühmtheit über die Stadtgrenzen hinaus beschert. "Die Kitastrophe" titelte unlängst das Nachrichtenmagazin Spiegel und machte unter dieser Überschrift die Lage in Freising bundesweit publik: In der Stadt gibt es viel zu wenig Hort-, Kita- und Krippenplätze, gut 680 Kinder standen Anfang Oktober auf den Wartelisten, für die wenigsten hat sich seither ein Betreuungsplatz gefunden. Dabei hat die Stadt ihre Hausaufgaben gemacht und viel Geld in den Bau immer neuer Kitas investiert - doch das Problem liegt nicht in den fehlenden Räumen, es fehlt schlicht am Fachpersonal, ein bundesweites Problem, das in Freising exemplarisch sichtbar wurde.

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Schnelle Lösungen gibt es dafür, zumal in einer Hochpreisregion wie Freising, nicht - und vor diesem Hintergrund war man am Dienstag im Kulturausschuss von Anfang an geneigt, den "Helfenden Händen" eine Chance zu geben. In diesem Modell können Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger ohne pädagogische Ausbildung und ohne praktische Erfahrung in einer Kita eine berufsbegleitende Qualifizierung bis hin zur pädagogischen Fachkraft absolvieren.

Um dieses Modell des bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales zur Fachkräftegewinnung in Freising zu initiieren, müssen jedoch die entsprechenden Stellen geschaffen werden. Das Fachamt hatte den Ausschussmitgliedern zum Einstieg fünf Vollzeitstellen für Mitarbeitende vorgeschlagen, die in einer Kindertagesstätte zum Einsatz kommen und dann bei positiver Beurteilung der jeweiligen Einrichtungsleitung die entsprechende Ausbildung durchlaufen können.

Die Stellen sind kein Ersatz für pädagogische Fachkräfte

Er sei nicht ganz überzeugt von dem Konzept, räumte Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher in der Ausschusssitzung ein. Eine Verbesserung des Personalschlüssels sei mit den "Helfenden Händen" nicht zu erreichen, diese Stellen könnten keinesfalls Ersatz für pädagogische Fachkräfte sein. Gleichwohl sei es einen Versuch wert, schon weil die neuen Helfer viele hauswirtschaftliche Tätigkeiten übernehmen könnten, für die es keinen pädagogischen Hintergrund brauche, wie Hauptamtsleiter Rupert Widmann erläuterte: Tische abräumen oder Betten beziehen. Davon verspricht man sich eine Entlastung des Fachpersonals und langfristig eben auch, dass sich vielleicht die eine oder andere helfende Hand für diesen Beruf und die zugehörige Ausbildung entscheidet.

"Ich sehe das als niederschwellige Chance, in den Beruf hineinzuschnuppern", sagte etwa Schulreferentin Monika Riesch: "Und wir sollten jede Chance ergreifen." "Sehr, sehr skeptisch" äußerte sich dagegen Nico Heitz (Grüne). Wenn, dann sei das höchstens ein Versuch, auch wenn er sich schon frage, warum man gleich fünf Stellen für so eine Testphase schaffen müsse. Abgesehen davon binde es ja auch erst mal Arbeitskraft, die Neulinge in den Kitabetrieb einzuführen. "Wir können das schon ausprobieren, aber wir sollten das sehr genau beobachten."

"Die Kinder sind es doch wert"

Man tue gut daran, "das Fachpersonal, das wir haben, so zu entlasten, dass die uns nicht davonlaufen", argumentierte Monika Schwind (FSM). In so einem Kitabetrieb gehe schon viel Zeit für Wäsche und Hauswirtschaft drauf. Skeptisch äußerte sich dagegen Karl-Heinz Freitag (FW) vor allem mit Blick auf die desolate Haushaltslage der Stadt. Er habe das mal eben im Kopf durchgerechnet, sagte er, das koste an die 1,5 Millionen Euro in den nächsten vier bis fünf Jahren - "und wir wissen nicht, wie viele dann überhaupt bleiben". Charlotte Reitsam (Grüne) wiederum erklärte, wenn man die Erzieherinnen, die man habe, halten wolle, "wäre es toll, so etwas auf den Weg zu bringen. Die Kinder sind es doch wert."

Trotz aller Skepsis entschied der Ausschuss am Ende, das Modell umsetzen zu wollen. Im Januar wird nun zunächst der Finanzausschuss in der Debatte über den Stellenplan 2024 den fünf neuen Stellen zustimmen und sie dann dem Stadtrat zur endgültigen Beschlussfassung empfehlen müssen.

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