Kitakrise in Freising:Von oben verordnete Lohnkürzung

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Freisinger Eltern haben am Donnerstag auf dem Marienplatz gegen die Kitakrise demonstriert. (Foto: Johannes Simon)

Die Stadt bezahlt bewährte Kinderpflegerinnen mit schwieriger Tätigkeit besser als der Tarifvertrag vorsieht. Das ist Veruntreuung von Steuergeldern und darf darum künftig nicht mehr sein, sonst landet der OB vor Gericht. Ein Dilemma.

Von Birgit Goormann-Prugger, Freising

In Bamberg und in Neumarkt saßen kürzlich zwei Oberbürgermeister auf der Anklagebank, weil sie verdiente städtische Mitarbeiter nach einer höheren Gehaltsgruppe entlohnt haben, obwohl das der Tarifvertrag so nicht vorsieht. Der Vorwurf: Haushaltsuntreue und Veruntreuung von Steuergeldern. Das hätte dem Freisinger Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher auch passieren können, wenn der Kulturausschuss am Dienstag nicht zwei Beschlüsse aus den Jahren 2012 und 2021 wieder aufgehoben hätte.

Damals war festgelegt worden, dass bewährte pädagogische Ergänzungskräfte mit mindestes achtjähriger, beziehungsweise fünfjähriger Berufserfahrung nicht nach der Entgeltverordnung SuE3 für Kinderpflegerinnen sondern nach SuE4 für Kinderpflegerinnen mit schwieriger Tätigkeit bezahlt werden.

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Für eine Kinderpflegerin mit fünfjähriger Berufserfahrung, die zum Beispiel regelmäßig die Kitaleiterin vertritt, wenn diese an einer Fortbildung teilnimmt oder krank ist, "die dann den Laden stemmt", so Bürgermeisterin Eva Bönig, bedeutet das, dass sie statt 3245 brutto 3512 Euro brutto verdient. Dieses Verfahren ist laut Christian Koch, Leiter Personal- und Organisationsamt, aber nicht zulässig, weil es nicht tarifkonform ist und außerdem den Tatbestand der Veruntreuung von Steuergeldern erfüllt.

Koch mahnte die Stadträte und Stadträtinnen dringend, diese Beschlüsse wieder aufzuheben. "Etwas tarifwidriges zu vollziehen, was Sie nicht dürfen, das halte ich für grenzwertig und ganz gefährlich", sagte er. Denn die Mitglieder im Kulturausschuss hatten diesen Beschluss nur widerwillig aufgehoben. Fachkräfte im Kitabereich sind Mangelware und schließlich kommt dieses Thema gerade zur Unzeit, nachdem Freisinger Eltern auf der Online-Plattform Change.org eine Petition gestartet haben, um auf ihre Notlage in der aktuellen Kitakrise hinzuweisen. Bei der Demo am Donnerstagnachmittag auf dem Marienplatz machten sie zudem mit Nachdruck darauf aufmerksam, dass sie keine Kompromisse mehr eingehen wollen und von der Stadt eine Lösung fordern. Jetzt.

Kinder und Eltern haben in Freising wegen der Kita-Krise demonstrieret. Viele haben noch keinen Betreuungsplatz gefunden. (Foto: Johannes Simon)

Hier wurde einmal mehr darauf hingewiesen, dass nicht die Kommunen die Kitakrise und den dramatischen Fachkräftemangel in diesem Bereich zur verantworten hätten, sondern vielmehr der Freistaat und der Bund. Außerdem unternehme die Stadt Freising alles, was sie könne, um das bestehende Personal in den Kitas zu entlasten, beispielsweise mit der Unterstützung von hauswirtschaftlichen Fachkräften, sagte Referatsleiterin Helga Schöffmann.

"Es ist wirklich heute nicht mehr so, dass die Kinderpflegerin nach Dienstschluss noch Kindergarten putzen muss", versicherte Eva Bönig, die selbst lange Jahre, auch in Leitungsfunktion, in diesem Beruf tätig war. Auch bei der Bezahlung habe die Stadt alles ausgereizt, was möglich sei, versicherte Christian Koch. "Wir sind da am Ende der Fahnenstange." Und Helga Schöffmann fügte hinzu: "Wir führen laufend Bewerbungsgespräche, wir stellen laufend ein. Doch in der vergangenen Woche kamen wieder zwei Schwangerschaftsmeldungen und dann sind sie wieder weg." Immer weniger seien auch bereit, zu pendeln, berichtete Koch. Der wohnortnahe Arbeitsplatz werde immer wichtiger. Wer in Zolling wohne und dort in der Kita Arbeit findet, der fahre nicht nach Freising.

Vorgabe des Kommunalen Prüfungsverbandes

Vermutlich wäre das Thema gar nicht auf die Tagesordnung des Kulturausschusses gekommen, wenn nicht der Kommunale Prüfungsverband zur Haushaltskonsolidierung zurzeit ein strenges Auge auf die Ausgabenpraxis der klammen Stadt Freising hätte.

So hatten die Mitglieder des Kulturausschusses gar keine andere Wahl, als dem zuzustimmen. Wichtig in diesem Zusammengang: Es ist nicht etwa so, dass den betroffenen Kinderpflegerinnen und Kinderpflegern, die bereits höhergruppiert wurden, jetzt die Löhne gekürzt werden. "Es erfolgen keine Rückgruppierungen, die vormalige Regelung steht zukünftig für Mitarbeitende, die die erforderliche Beschäftigungszeit erreicht haben, nicht mehr zur Verfügung", dazu Pressesprecherin Christl Steinhart.

Allerdings gab der Kulturausschuss dem Freisinger Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher den Auftrag mit auf den Weg, das Thema beim nächsten Städtetag vorzutragen. Laut Koch ist in diesem Fall der Kommunale Arbeitgeberverband der richtige Ansprechpartner und nicht etwa die Staatsregierung, wie fälschlicherweise vermutet wurde. "Es ist zum Heulen und ich bin darum dankbar für diesen Zusatz zu Beschluss", sagte Theresa Degelmann. Die SPD-Stadträtin forderte außerdem dazu auf, transparenter zu machen, was die Stadt alles unternehme, um das Kitapersonal zu entlasten und auch ganz deutlich zu machen, dass nicht alles Hand der Stadt liege. "Ich habe das Gefühl, die Eltern fühlen sich von uns nicht immer ernst genommen," sagte sie.

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