Kirchbergers Woche:Schnurstracks in die Fastenzeit

Lesezeit: 2 min

Weil der Fasching in Freising ausgefallen ist, muss sich niemand groß umstellen.

Von Johann Kirchberger

Mag ja sein, dass die Menschen anderswo mit der von Olaf Scholz ausgerufenen Zeitenwende Probleme haben. Wir in Freising nicht, wir bevorzugen den nahtlosen Übergang und haben einfach weniger Zeiten. Die närrische Zeit zum Beispiel haben wir heuer wieder einmal komplett ausfallen lassen. Nicht einmal ein kleines Faschingstreiben gab es. Niemand wollte es organisieren, niemand wollte Obernarr sein. Deshalb sind wir, ohne uns groß wenden zu müssen, gleich in eine neue Zeit hineingeglitten. Schnurstracks von der Weihnachts- in die Fastenzeit.

Zu einer Domstadt passt Fasten ja ohnehin besser als das Herumlaufen mit Ringelhemd und roter Nase. Und deshalb haben wir gleich am Aschermittwoch mit dem Fasten begonnen. In allen Wirtshäusern wurde ein meist als traditionell bezeichnetes Fischessen anberaumt und alles aufgetischt, was für gewöhnlich in Flüssen, Seen und Meeren herumschwimmt. Ganz vorne bei den Fischessern waren wie eh und je die politischen Parteien. Bei der Freisinger Mitte gab es als Vorspeise eine Führung durch den Dom, bei der CSU als Beilage Nudeln und Risotto und bei der SPD wurden als Nachspeise engagierte und gepfefferte Reden zumindest versprochen. Bei den Freien Wählern wurde auf üppige Beilagen verzichtet und dafür mit den Stadträten ausdiskutiert, wie die Stadt fasten und sich ihrer drückenden Schuldenlast entledigen könnte.

Den Zwang, während der Fastenzeit nur zu essen, was aus dem Wasser kommt, tut sich der Freisinger nur ein paar Tage an. Danach beginnt er die Starkbierzeit, genießt sein etwas stärker eingebrautes flüssiges Brot und lässt sich gerne dazu verleiten, beim Starkbierfest diverse Kleinigkeiten wie eine Schweinshaxe zu verdrücken. Ein klarer Verstoß gegen die Fastenregeln, stimmt. Aber als Katholik kann man den ja beichten. Weil zu einem zünftigen Starkbierfest auch ein wenig Politik gehört, engagieren Brauereien, Wirte und Vereine nicht selten einen Bürgermeister oder sogar einen Landtagskandidaten, um einen Zapfhahn in ein Fass Bier zu treiben. O'zapft is! Manchmal kommt auch ein leibhaftiger Kabarettist angereist, der als Bruder Barnabas dem Volk die Leviten lesen soll. Aber nur ein bisserl, nicht dass da noch einer beleidigt nach Hause geht. Wer Geld hat, wie die Staatsbrauerei Weihenstephan, heuert einen Wolfgang Krebs an, der als Stoiber, Söder oder Aiwanger herumblödelt. Wer knapp bei Kasse ist, engagiert Erich Irlstorfer.

Dann kommt auch schon Ostern. Einen Hasen durch die Innenstadt hoppeln zu lassen, auf die Idee ist in Freising noch keiner gekommen. So was hat keine Tradition. Aber gefärbte Eier und ein Zenterling Geräuchertes - natürlich geweiht und mit Kren - kommen schon auf den Tisch. Das nämlich hat Tradition und die Fastenzeit ist ja an Ostern vorbei, jetzt darf man wieder. Der Schriftsteller Johann Pezzl, der in Mallersdorf geboren und im Freisinger Lyzeum zur Schule gegangen ist, hat in seinem 1784 erschienenen Buch "Reise durch den Bairischen Kreis" festgehalten: "Das höchste Gut eines Freysingers ist ein unversiegender Bierkrug und ein ungestörter Müßiggang". So ist das. Gott verschone uns vor einer Zeitenwende.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: