Ausstellung in Freising:"Die Kamera ist mein Freund"

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Oleksander Stadnichenko nutzt die Fotografie als eine Art Meditation. (Foto: Marco Einfeldt)

Für den ukrainischen Künstler Oleksander Stadnichenko ist die Fotografie ein wichtiger Teil seines Lebens. Seine Bilder erinnern ihn an eine Heimat, die er aufgrund eines grausamen Angriffskriegs verloren hat. In seiner ersten Ausstellung in Deutschland möchte er nun die Schönheit von Kiew mit Freising teilen.

Von Lena Meyer, Freising

Oleksander Stadnichenko ist ein freundlicher Mann, der am Telefon lacht und scherzt. "Kiew", sagt er, "ist eine sehr alte und sehr schöne Stadt, mit einer reichen Geschichte". Mit der Stadt verbinde er viele wertvolle Momente, die er mit Anderen teilen möchte.

Stadnichenko sitzt im Rollstuhl und wird momentan von der Lebenshilfe in Freising betreut. Denn als der Angriffskrieg Vladimir Putins gegen die Ukraine begann, musste er Kiew verlassen. Die Erinnerungen an die Stadt leben in seinen Fotografien weiter und zeigen ein Kiew, eine Ukraine vor dem Krieg. Nun lädt der Künstler zu seiner Fotoausstellung "Kiew bei Nacht/ Night Kyiv" ein. Die Ausstellung wird am Dienstag, 9. August, im Atrium der Sparkasse Freising an der Unteren Hauptstraße um 18.30 Uhr eröffnet. Der Künstler ist zugegen, die Eröffnungsrede wird Johann Kirsch halten. Auf seiner Flucht ließ Stadnichenko seine Kamera zurück. Von dem Erlös der Ausstellung erhofft er sich, eine neue kaufen zu können und bittet deswegen um finanzielle Unterstützung.

"Ich spürte die Angst vor der Druckwelle"

Stadnichenkos Bilder sind gefragt - in der Ukraine wurde er als Fotograf zu verschiedenen Veranstaltungen eingeladen. Dann befahl Vladimir Putin, die Ukraine anzugreifen. Und mit dem Krieg kam die Brutalität: Stadnichenko erinnert sich an die Schrecken und das Grauen. Er erinnert sich, wie eine Rakete das Nachbarhaus traf - die Gewalt des Einschlags hatte er spüren können: "Ich spürte all die Angst und die Schrecken vor der Druckwelle der russischen Rakete." Bei diesem Angriff sind "friedliche Menschen gestorben", erinnert sich Stadnichenko. Unter ihnen auch Kinder. "Der Krieg zerstört jetzt unser Land. Er muss beendet werden", fordert der Künstler.

Zusammen mit seinem Vater floh er und verließ die Stadt, in der er aufgewachsen ist und die er liebt. "Ich bin nicht allein gegangen. Wir haben viele Leute in unserem Auto mitgenommen", erklärt der Künstler. Diese Menschen, die Stadnichenko in seinem Auto mitnahm, haben ebenfalls eine körperliche Einschränkung. Für sie setzt sich Oleksander Stadnichenko ein - vor dem Krieg war der Künstler sozial engagiert, nahm an verschiedenen Projekten teil. Unter anderem organisierte er spezielle Busse, die Menschen mit einer Behinderung die Mobilität erleichtern sollen. In Deutschland gelinge ihm das soziale Engagement noch nicht: "Es fehlt an Kommunikation. Deutsch habe ich noch nicht gelernt."

Die geliebte Kamera musste er zurücklassen. Das Auto, das viele Menschen aus dem Kriegsgebiet brachte, ist mittlerweile kaputt. Durch die Erlöse der Ausstellung erhofft sich der Künstler, das Gefährt zu reparieren und eine neue Kamera zu kaufen. Besonders vermisse er seine Heimat und die Freunde, mit denen er an lauen Sommerabenden die Stadt erkundete.

Mit seiner Kamera spaziert er am liebsten nachts durch die Stadt

Erst seit 2019 nahm Stadnichenko an Ausstellungen und Wettbewerben teil. Davor war die Kunst ein reines Hobby für ihn: Der 40-jährige Oleksander Stadnichenko erwarb seine erste Kamera mit 25 Jahren und begann, sie "einfach auszuprobieren". "Es war alles ein Hobby, ich ging einfach gerne spazieren und fotografierte, was ich sah", bekräftigt der Künstler. Gerade in spontanen, privaten Momenten entstehen seine schönsten Fotografien, erklärt Stadnichenko, wenn er "einfach zum Vergnügen durch die Stadt laufe". Dort fotografiert er am liebsten abends oder nachts. "Die Kamera ist mein Freund", sagt er, "ich fühle mich wohl mit ihr zusammen, wir können die ganze Nacht gemeinsam durch die Stadt spazieren".

Dann nämlich zeige sich das echte, das wahre Kiew für ihn. "Im Licht der Laternen wird die Stadt fabelhaft, sie sieht ganz anders aus", schwärmt er. Die Beleuchtung der alten Gebäude fasziniere ihn, weswegen er sie in seinen Fotografien festzuhalten versucht. Dabei verwendet Stadnichenko eine maximale Kameraeinstellung, von der Verwendung von Photoshop sieht er ab. Stattdessen möchte der Künstler zeigen, was er genau in dem Moment sieht, in dem er den Auslöser seiner Kamera betätigt.

Seine Bilder zeigen, wie facettenreich Kiew ist

Mit ihr fängt er Bewegungen von Autos oder Menschen ein, verewigt ihre Eile und Hast. Gerade das Aufzeigen von Dynamiken und Statiken fasziniert ihn - "Kiew lebt", sagt Stadnichenko. Aufgrund der langen Verschlusszeit der Kamera wirken die festgehaltenen Bewegungen verschwommen, während der Rest des Bildes klar bleibt. Für seine Arbeit benötigt er Geduld und Zeit: "Manche Aufnahmen dauern 15 bis 30 Minuten." Doch das Ergebnis ist umso beeindruckender - bunte Farben, die in der Dunkelheit nur so leuchten und der Stadt sowohl einen mystischen als auch einen modernen Glanz geben. Mal zeigt er rasche Bewegungen, die sich verschwommen in der Dunkelheit verirren, mal die Ruhe eines kleinen Cafés irgendwo in Kiew. Stadnichenko schafft es, eine Balance zwischen Eile und Ruhe darzustellen und zeigt, wie facettenreich die ukrainische Hauptstadt ist.

Die Ausstellung in Freising wird gleichzeitig seine erste in Deutschland sein, bei der er Einblicke in einen Bereich seines Lebens gewährt, der ihm viel bedeutet. Vor dem Event zeigt sich der Künstler nervös, es sei seine erste persönliche Ausstellung. "Ich hoffe", sagt Stadnichenko, "dass die Menschen in Deutschland meine Arbeit mögen". Er möchte Freising zeigen, was die ukrainischen Soldaten und Soldatinnen verteidigen und wofür sie ihre Leben riskieren. Besonders aber hoffe er, dass die Freisingerinnen und Freisinger erkennen, wie besonders seine Stadt ist, denn "Kiew ist eine schöne und gute Stadt".

Das Gespräch wurde mithilfe eines Übersetzers geführt. Die Ausstellung ist von Montag bis Freitag geöffnet. Montag, 8.30 bis 12.30 Uhr und 14 bis 18 Uhr; Dienstag, 8.30 bis 12.30 Uhr und 14 bis 16 Uhr; Mittwoch, 8.30 bis 13.00 Uhr; Donnerstag, 8.30 bis 12.30 Uhr und 14 bis 18 Uhr; Freitag 8.30 bis 12.30 Uhr und 14 bis 16 Uhr.

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