Islamische Bestattung:Hürden vor der letzten Ruhe

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Auf dem Freisinger Waldfriedhof gibt es ein muslimisches Gräberfeld - es ist das bisher einzige im Landkreis. (Foto: Johannes Simon)

Immer mehr Muslime wünschen sich eine Bestattung in Deutschland, um nahe der Familie begraben zu werden oder weil in ihrem Heimatland gerade Krieg herrscht. Doch islamische Grabfelder sind rar - auch im Landkreis Freising.

Von Francesca Polistina, Freising

Wenn sich verstorbene Muslime und ihre Hinterbliebenen in Deutschland eine Beerdigung nach islamischem Ritus wünschen, haben sie häufig nur eine Wahl: auf eigene Kosten in das Herkunftsland der Familie überführt zu werden. Doch was passiert, wenn das Geld dafür fehlt? Oder wenn es schlicht nicht möglich ist, weil im Land Krieg herrscht und man selbst geflüchtet ist?

Es sind Fragen wie diese, die Orhan Söhmelioglu beschäftigen. Der Unternehmer aus Moosburg hat auf Facebook einen Aufruf gestartet: In kurzer Zeit und ohne großen Aufwand, wie er sagt, hat er über 500 Unterschriften gesammelt und sie Bürgermeister Josef Dollinger übergeben.

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Sein Wunsch: Innerhalb des Moosburger Friedhofes eine Fläche für muslimische Gräber einzuplanen, die nach Mekka ausgerichtet sein sollten. "Es würde erstmal reichen, zehn oder zwanzig Gräber zu haben", sagt Söhmelioglu, der bereits in Kontakt mit der Stadtverwaltung ist.

Immer mehr Kommunen öffnen sich langsam für die islamische Bestattung, doch diese Möglichkeit wird bisher fast nur in den größeren Gemeinden angeboten. Zum Beispiel in Freising: Dort gibt es auf dem Waldfriedhof bereits seit 2010 ein muslimisches Gräberfeld - das einzige im Landkreis. Insgesamt 34 nach Mekka ausgerichtete Grabstätten stehen zur Verfügung. Belegt sind aktuell 14 davon.

Die Sargpflicht wurde inzwischen auch in Bayern aufgehoben

Im Juli hat sich außerdem die Satzung des Waldfriedhofes geändert: Seitdem ist auch eine sarglose Bestattung, wie nach islamischem Bestattungsritus vorgesehen, erlaubt. Hintergrund ist die Aufhebung der Sargpflicht in Bayern 2021, nachdem fast alle Bundesländer diesen Schritt schon gemacht hatten. Stattgefunden hat eine sarglose Beisetzung im Freisinger Waldfriedhof aber noch nicht, sagt Christl Steinhart, Sprecherin der Stadt. Voraussichtlich im September wird der Ablauf intern bei Probebeisetzungen erprobt: Ziel ist es, religiöse Rituale in den Bestattungsvorgang zu integrieren und gleichzeitig die gesetzlichen Vorschriften zu berücksichtigen, so die Sprecherin weiter.

Dass immer mehr Muslime in Deutschland begraben werden wollen, das bestätigen Angehörige der Gemeinde. Zum Beispiel Mustafa Bıyık von der Bestattungsfirma Huzur mit Sitz in Hallbergmoos. "Die neuen Generationen entscheiden sich immer häufiger für eine Beisetzung in Deutschland, weil die ganze Familie hier ist", sagt er. Das Problem ist nur: Friedhöfe akzeptieren in der Regel nur Menschen, die bei ihrem Ableben Einwohner der Stadt waren. Wer also in Freising wohnt, kann im muslimischen Grabfeld des Waldfriedhofes bestattet werden, wer in anderen Gemeinden angemeldet ist aber nicht.

Die sarglose Bestattung ist ein wesentlicher Teil des muslimischen Trauerrituals - jedoch nicht der einzige. Wichtig ist auch die rituelle Reinigung des Leichnams, "Waschung" genannt, die so früh wie möglich und nach bestimmten Vorschriften stattfinden sollte, bevor der Tote in ein Leinentuch gewickelt und beigesetzt wird. Mancherorts ist die Möglichkeit, eine Waschung durchzuführen, bereits vorhanden. Zum Beispiel am Klinikum Freising: "Neben dem Kühlraum, wo die Verstorbenen bis zur Abholung durch den Bestatter aufbewahrt werden, befindet sich ein Raum, wo die Waschung des Leichnams möglich ist", sagt Klinikum-Sprecher Sascha Alexander.

Im Klinikum steht Menschen aller Religionen ein Abschiedsraum zur Verfügung

Die Klinik stellt den Raum zur Verfügung, der Ritus selbst wird von den Angehörigen und der muslimischen Gemeinde organisiert. Die Waschung sei in der Klinik inzwischen "nichts Ungewöhnliches", so Alexander, das Prozedere sei dem Personal bekannt. Im selben Bereich befinde sich außerdem ein Abschiedsraum, der Menschen aller Religionen zur Verfügung stehe.

Auch Sena Karahan engagiert sich dafür. Zusammen mit einigen Angehörigen hat die Freisingerin einen Spendenaufruf gestartet, um für das Sophienhospiz in Erding eine Metall-Tragefläche zu beschaffen, die es ermöglichen würde, Verstorbene auf eine muslimisch traditionelle Art zu waschen. "Kulturell bedingt werden Ältere eher zuhause gepflegt", sagt Karahan. Dennoch sei auch innerhalb der muslimischen Gemeinde ein Wandel zu bemerken: Immer mehr Menschen seien bereit, ihre Angehörige Altenheimen oder Hospizeinrichtungen anzuvertrauen. "Das kommt immer häufiger vor".

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