Fachkräftemangel in Freising:"Wir suchen ab sofort. . ."

Lesezeit: 3 min

Im "Gewandhaus Gruber" wird man gleich mit einer ganzen Auswahl von Stellenangeboten empfangen. (Foto: Marco Einfeldt)

Ob in Modehäusern, Bäckereien oder Blumenläden: Überall in der Freisinger Innenstadt fehlt es an Personal. Viele Geschäftsinhaber rekrutieren ihre Mitarbeiter schon aus dem fernen Ausland - aus Südkorea, Kirgisistan und sogar aus Myanmar.

Von Pauline Held und Ella Rendtorff, Freising

Martina Auer hat an diesem Mittwochvormittag alle Hände voll zu tun: Ware im Lager einräumen, Kleider nach Größe und Farbe sortieren und nebenher noch Kundschaft beraten. Seit anderthalb Jahren arbeitet sie als Modeberaterin im "Gewandhaus Gruber" in der Freisinger Innenstadt. Durch die Corona-Pandemie verlor die gelernte Raumausstatterin ihre Stelle, nach einer Umschulung steht sie jetzt fünf Tage die Woche in dem Bekleidungsgeschäft an der Unteren Hauptstraße. Quereinsteigerinnen wie Martina Auer sind aktuell sehr gefragt, in zahlreichen Freisinger Geschäften mangelt es an geeignetem Personal.

"Wir stellen ein", "Fachkraft für den Verkauf gesucht", "Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung". Solche Ausschreibungen liest man derzeit häufig im Vorbeigehen an den Schaufenstern vieler Läden. Ob in Bäckereien, Modehäusern oder Blumengeschäften, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen werden händeringend gesucht. Cynthia Michalk, Abteilungsleiterin im Gewandhaus Gruber, kennt dieses Problem: "Viele junge Leute wollen keine Ausbildung mehr machen." Fällt die Entscheidung dann doch auf eine Lehre im Einzelhandel, sei das oft nicht von langer Dauer: "Die Fluktuation ist brutal." Gerade während der Pandemie hätten viele Unternehmen befristete Arbeitskräfte verloren, mit fatalen Konsequenzen. Mehr denn je sei der Einzelhandel nun auf neue Mitarbeitende angewiesen.

Newsletter abonnieren
:SZ Gerne draußen!

Land und Leute rund um München erkunden: Jeden Donnerstag mit den besten Freizeittipps fürs Wochenende. Kostenlos anmelden.

Im Freisinger "Blumen Outlet" binden auch Studierende und Minijobber die Sträuße. "Für manche Aufgaben reicht das aus, aber ganz ohne Fachkräfte läuft unser Laden nicht", sagt Nina Ilgen, die zwischen Tulpen und anderen Schnittblumen die Kasse bedient. "Viele stellen sich den Job zunächst leichter vor, als er tatsächlich ist. Zudem ist die Bezahlung eben auch mal so mal so." Dennoch sind in der Freisinger Filiale momentan alle Stellen besetzt, das könne sich aber jederzeit ändern. Auch deshalb macht keiner Anstalten, den Aushang an der Eingangstür abzuhängen. Floristen werden hier am laufenden Band gesucht.

"Jeder bemüht sich, neue Kräfte zu finden", bestätigt Max Josef Kirchmaier. Als Geschäftsführer der Aktiven City Freising ist er täglich mit dem Thema konfrontiert, nicht zuletzt habe auch der eigene Verein mit einem massiven Personalmangel zu kämpfen. "Die Leute sind in der Corona-Zeit verschwunden und keiner weiß wohin", klagt Kirchmaier. Woran das liegt, da kann er nur spekulieren. Einen möglichen Grund sieht er in den hohen Lebenshaltungskosten im Wirtschaftsraum München, zu dem auch Freising zählt. Gerade im Dienstleistungssektor würden viele Arbeitskräfte abwandern oder sich lukrativere Stellen suchen. "Gleichzeitig bringen steigende Energiekosten und die Inflation viele Betriebe an ihre Grenzen."

Konditoren werden gesucht... (Foto: Marco Einfeldt)
... ebenso Floristen. (Foto: Marco Einfeldt)

Strom und Gas für die Backstube, hohe Preise für Mehl, Butter und Eier: Viele Bäckereien hatten in den vergangenen Monaten Angst, dass sie bald die Öfen nicht mehr heizen können. Jetzt ist die Lage zwar wieder entspannter, der Personalmangel bleibt aber weiterhin ein großes Problem. Mit Ausschreibungen wie "Wir stellen ab sofort ein: Konditor" und "Fachverkäufer/in gesucht", bemüht sich die Bäckerei Schweller um neues Personal - bislang mit wenig Erfolg. "Wir erhalten kaum Bewerbungen", bedauert Mitarbeiterin Katharina Leitmaier. Für die Backbranche ein altbekanntes Problem, die Corona-Pandemie habe dabei nicht gerade zur Besserung beigetragen. "Es ist eben auch harte körperliche Arbeit", gesteht Leitmaier.

Während andere noch schlafen, stehen die Bäcker schon längst an den Öfen und die Fachverkäufer hinter der Theke. "Stattdessen gehen junge Leute heute lieber studieren", mutmaßt sie. An der Staatlichen Berufsschule Freising zeigt sich diese Tendenz schon seit Jahren: Immer kleiner werden die Klassen, das Interesse am Ausbildungsberuf nimmt ab. "Deshalb unterrichten wir die angehenden Bäckereifachverkäufer und Bäcker in Kombinationsklassen", erklärt Schulleiter Daniel Spreng.

Pâtissier Andreas Muschler freut sich über neue Mitarbeiterinnen aus Südtirol, Kirgisistan und Südkorea. (Foto: Marco Einfeldt)

Betritt man in diesen Tagen die Pâtisserie von Andreas Muschler, zeichnet sich ein anderes Bild: Drei Mitarbeitende empfangen Gäste an der Theke, während fünf Konditorinnen hinter einer Glaswand mit Schokolade und Backformen hantieren. Muschler klopft auf Holz: "Im Moment sind wir gut aufgestellt, ich kenne aber auch andere Zeiten." Um Engpässe zu vermeiden, achtet er auf eine frühzeitige Planung und gute Kommunikation. So kommt er heute auf 21 Beschäftigte, darunter sind Konditorinnen aus Südtirol, Kirgisistan und Südkorea.

Internationale Arbeitskräfte als Lösung für den Fachkräftemangel? Im Gewandhaus Gruber funktioniert das gut, findet Abteilungsleiterin Cynthia Michalk und deutet auf ihre Auszubildende May Shoonrei-Nyein. Die 26-Jährige kommt aus Myanmar, vor fünf Monaten startete sie ihre Lehre in Freising. Davon profitieren beide Seiten: May Shoonrei-Nyein entlastet das Team, gleichzeitig verbessert sie durch die Kundenberatung ihre Deutschkenntnisse. Wäre da nur nicht die Aufenthaltsgenehmigung, die sie trotz festem Arbeitsplatz alle sechs Monate verlängern muss. Den Antrag immer wieder aufs Neue zu stellen sei schwierig, betont die junge Frau aus Myanmar. Cynthia Michalk kann über diese Hürde nur den Kopf schütteln: "Wir hoffen jedes Mal, dass May bleiben darf."

Auch Max Josef Kirchmaier sieht internationalen Arbeitskräften als große Chance. Davon, dass Abschlüsse aus den Herkunftsländern auf dem Arbeitsmarkt oft nicht anerkannt werden, zeigt er sich frustriert. "Es scheitert an Bürokratie, Akzeptanz und Genehmigungen", bedauert der Geschäftsführer der Aktiven City Freising. So herausfordernd die Lage auch ist, ganz die Hoffnung aufgeben will er nicht: "Man muss optimistisch bleiben."

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusHindernisse im Alltag
:Wie barrierefrei ist Freising wirklich?

Unterwegs mit Menschen, die täglich Hindernisse überwinden müssen und wissen, wie eine inklusive Stadt aussehen sollte - und was man dafür tun muss.

Von Francesca Polistina und Marco Einfeldt

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: