Freising:Die Kontrolle verloren

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Das Amtsgericht verurteilt einen 36-jährigen Mann zu einem Jahr und neun Monaten Gefängnis, weil er Tausende von kinderpornografischen Bildern und Videos besessen und verbreitet hat

Von Peter Becker, Freising

Kontaktscheu, zaghaft mit geringer Selbstachtung und wenig Selbstvertrauen: Ein schwieriges familiäres Umfeld in seiner Kindheit und Jugend hat verhindert, dass ein 36-jähriger Freisinger eine gefestigte Persönlichkeit entwickeln konnte. Das schützt ihn allerdings nicht vor einer Freiheitsstrafe. Das Freisinger Schöffengericht verurteilte den Mann wegen des Besitzes und der Verbreitung kinderpornografischer Schriften zu einer Haft von einem Jahr und neun Monaten.

"Diese Freiheitsstrafe ist angemessen", sagte Vorsitzender Richter Manfred Kastlmeier. Etwas anderes wäre der Öffentlichkeit nicht vermittelbar gewesen. Andere Leute müssten von der Verbreitung solcher Bilder und Videos abgeschreckt werden. Denn: "Hinter jedem dieser Bilder steckt ein Missbrauch", betonte Kastlmeier.

Der Beschuldigte ließ über seinen Verteidiger einräumen, dass er der Besitzer der Datenträger sei, auf denen Polizisten im Oktober vor zwei Jahren Tausende von Bildern, Videos und einschlägigen Chats gefunden hatten. Sein Mandant sei selbst über die Fülle der Dateien erschrocken gewesen, sagte der Rechtsanwalt. Der Beschuldigte selbst erklärte, er sei über Chats zum ersten Mal in Berührung mit Kinderpornografie gekommen. "Irgendwann bin ich dann hängen geblieben." Es seien dann immer mehr Bilder geworden. "Ich habe die Kontrolle verloren."

In einem Chat tauschte der Angeklagte Missbrauchsfantasien mit weiteren Pädophilen aus. "Ich hätte das aber nie gemacht", beteuerte der 36-Jährige. "Ich wollte nur, dass der Chat läuft. Auf die Schliche war die Polizei dem Freisinger gekommen, weil er über Twitter ein Bild hochgeladen hatte. Das Bundeskriminalamt hatte daraufhin einen Hinweis aus den USA bekommen. Freisinger Polizisten, welche die Wohnung des Beschuldigten durchsucht hatten, trafen diesen im Bad an. "Er war schockiert und hat sich auf den Boden fallen lassen", schilderte ein Beamter als Zeuge. Den Vorwurf, im Besitz von Kinderpornografie zu sein, habe er abgestritten.

"Ich bin froh, dass die Sache raus ist und ich Hilfe bekomme", sagte der Beschuldigte in seinem letzten Wort, bevor sich das Schöffengericht zur Beratung zurückzog. Die Therapie, die er sich erhofft, erhält er aber nicht in Freiheit, sondern zunächst hinter Gittern. Vielleicht hätte das Schöffengericht die Bitte des Verteidigers erhört, eine Bewährungsstrafe auszusprechen, wenn sich sein Mandant direkt im Anschluss an die Wohnungsdurchsuchung um einen Therapieplatz bemüht hätte. Die Schreiben an entsprechende Psychologen stammen aber allesamt aus dem Mai dieses Jahres. Sowohl der Staatsanwalt als auch der Vorsitzende Richter hatten dies moniert. Der Angeklagte habe anderthalb Jahre verstreichen lassen. "Das stört mich wahnsinnig", kritisierte Kastlmeier. Es möge schon sein, dass der Grund dafür mit der Persönlichkeit des Angeklagten zu tun habe. So kurz im Vorfeld der Hauptverhandlung komme dies aber schlecht an.

Gegen eine Bewährungsstrafe sprechen überdies die Menge des gefundenen Materials sowie die krassen Darstellungen, die darauf zu sehen sind. Die Bilder hat der Beschuldigte mit weiteren Personen getauscht. Den Inhalt der Chats, die der Beschuldigte mit Gleichgesinnten geführt habe, seien ausgesprochen geschmacklos, sagte Kastlmeier in seiner Urteilsbegründung.

© SZ vom 08.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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