Petition an die Bundesregierung:Klimawandel erfordert Schrumpfkurs im Flugbetrieb

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Die Reform des Postgesetzes könnte zu weniger Nachtflügen führen. (Foto: Johannes Simon)

Bürgerverein wirbt für Beteiligung an einer Kampagne der Bundesvereinigung gegen Fluglärm. Aufgemuckt-Vorsitzender Christian Magerl warnt vor Zunahme des nächtlichen Frachtverkehrs.

Von Peter Becker, Freising

"Höllisch aufpassen" sollten die Menschen in der Flughafenregion, warnte Aufgemuckt-Vorsitzender Christian Magerl mit dem Slogan "Fracht ist Nacht" während einer Versammlung des Bürgervereins Freising. Seiner Ansicht zufolge plant die Flughafen München GmbH (FMG) ein Ausweiten des Frachtverkehrs. Und der findet vor allem in der Nacht statt, so dass die Menschen in der Region wohl des öfteren aus ihrem Schlaf gerissen würden. Bürgerverein und Fluglärmkommission klagen seit längerem über eine zunehmende Ausweitung des Nachtflugkontingents am Flughafen im Erdinger Moos.

Magerl verwies darauf, dass die Flugbewegungen bisher nie mehr das Level von 2017 erreicht haben. Dann kam Corona und sorgte für einen drastischen Einbruch des Luftverkehrs. Das Inlandsaufkommen sei bislang nicht in dem Ausmaß zurückgekommen, wie es sich die Flughafenbetreiber und Fluggesellschaften erhofft hatten. Magerl sagte, die "Leute werden vernünftiger". In den Unternehmen, zitiert er das Handelsblatt, gehe der Trend zu weniger Flügen. Sie wollten Kosten und auch CO₂ einsparen.

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Jost Lammers, Vorsitzender der Geschäftsführung der FMG, hat laut Magerl trotzdem die Parole ausgegeben, "alte Höhen und weitere darüber hinaus zu erreichen". Als "Frechheit" und "Skandal" bezeichnet er die Ankündigung der Lufthansa, "das Geschäft nicht der Bahn oder den Anbietern von Videokonferenzen" überlassen zu wollen.

Angesichts der bevorstehenden Landtagswahlen forderte Magerl insbesondere die CSU auf, die dritte Startbahn endlich aus dem Landesentwicklungsplan zu streichen. Die Flughafenerweiterung sei durch nichts zu rechtfertigen. Die vorhergesagten Flugbewegungen und das Passagieraufkommen seien nie erreicht worden. Er habe noch nie eine Prognose gesehen, die so krachend gescheitert sei, spottete Magerl.

Spannend werde es im Jahr 2026, wenn die Gültigkeit des derzeit geltenden Planfeststellungsbeschluss ausläuft und sich die Frage nach der Verlängerung stellt. Die FMG gehe wohl vom bisherigen Baurecht aus, sagte Magerl. Doch der Antrag auf Verlängerung werde sich wohl erneut zu "einem riesigen Verfahren" auswachsen.

Früher sind nur Privilegierte geflogen, heute ist das Fliegen "ein Massen-Missvergnügen"

Werner Kindsmüller von der Bundesvereinigung gegen Fluglärm kündigte eine neue Strategie zur Verminderung des Flugaufkommens an. "Wegen des Klimawandels müssen wir zu einem Schrumpfkurs kommen", sagte er. Geschehen soll das über eine Petition an die Bundesregierung, welche den Flugverkehr um zwanzig Prozent verringern soll. Mehr sei nicht möglich, weil der Eingriff in die Rechte der Unternehmen verhältnismäßig sein müsse. Er warb um Unterstützung der Kampagne, weil mit dem Wahnsinn des kontinuierlichen Wachstums endlich Schluss sein müsse.

Kindsmüller verwies auf die Fünfziger- und Sechzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts, in denen das Fliegen der schiere Luxus für wenige Privilegierte gewesen sei. "Heute ist es ein Massen-Missvergnügen." Auch ständige Kriege und Krisen hatten den Aufwärtstrend beim Fliegen nicht stoppen können. Das schaffte letztlich nur Corona

Kindsmüller bezeichnet es als eine "propagandistische Meisterleistung der Branche" zu suggerieren, der Aufwärtstrend im Flugverkehr sei nicht zu stoppen. Innerhalb der nächsten 25 Jahre solle sich das Aufkommen der Flugreisenden noch einmal verdoppeln, auf über neun Milliarden Menschen weltweit. Bis 2050 solle klimaneutrales Fliegen möglich sein. Mit dieser Ankündigung sollen laut Kindsmüller Öffentlichkeit und Politik eingelullt werden. Geschehen soll das klimaneutrale Fliegen einerseits durch Batterie-Technik. Doch dieses Verfahren eigne sich nur für Kurzstrecken, denn die Energiespeicher seien zu schwer.

Der Mythos über neue Technologien funktioniere nicht mehr, sagte Kindsmüller

Flugzeuge, die andererseits mit einem Wasserstoffantrieb fliegen, sieht Kindsmüller noch in weiter Ferne. Neue Maschinen würden benötigt, doch neue Flugzeuge benötigten eine Entwicklungszeit von mindestens zwanzig Jahren. Kindsmüller geht davon aus, dass Flugzeuge mit Wasserstoffantrieb nicht vor Mitte dieses Jahrhunderts einsetzbar seien. Außerdem "wollen alle Wasserstoff" und nicht nur die Flugbranche. Der Mythos über neue Technologien funktioniere nicht mehr, sagte Kindsmüller.

Wolfgang Herrmann, Vorsitzender des Bürgervereins, erinnerte an die vergangene Sitzung der Fluglärmkommission, der er angehört. Seine Fragen zum Einsatz von schwefelarmen Kerosin oder Taxibots, den Flugzeugschleppern, seien von der FMG gar nicht oder nur unzureichend beantwortet worden. Er dränge aber auf eine Beantwortung, ebenso wie auf eine Dokumentation von Nachtflügen im Internet. Er wolle wissen, wer da unterwegs sei, sagte er. Ein Ambulanzflugzeug oder der Vorstand von Siemens.

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