Auffahrritus am Christi Himmelfahrtstag:Wo Jesus gen Himmel entschwebt

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In Wolfersdorf wird eine neugotische Statue des Auferstehungschristus an einer eigens angefertigten Halterung an Stahlseilen langsam zum Gewölbe emporgezogen. (Foto: privat)

In zwei Ortschaften im Landkreis Freising wird die schwer vorstellbare Fahrt des Gottessohnes zu seinem himmlischen Vater bis heute liturgisch inszeniert. Früher wurden in fast allen hiesigen Pfarrkirchen Christusbilder an Seilen durch das Dach gezogen.

Von Kreisheimatpfleger Bernd Feiler, Freising

Das Fest Christi Himmelfahrt ist seit 1934 in ganz Deutschland ein gesetzlicher Feiertag. Als Vatertag kennt ihn jeder zweite Bundesbürger. Fünf Prozent halten "Christi Himmelfahrt" für eine Flugfahrtschau und 39 Prozent aller Deutschen denken noch an die Auffahrt Jesu in den Himmel. Das behauptet zumindest das Meinungsforschungsinstitut INSA.

Tatsächlich taten sich schon die Evangelisten Markus und Lukas bei der genauen Beschreibung der Fahrt des Gottessohnes zu seinem himmlischen Vaters schwer. Mit nur einem nüchternen Satz erwähnen sie in ihren Texten beiläufig das Ereignis. Zeitgenössische Theologen interpretieren Christi Himmelfahrt als ein anderes Bild für die Auferstehung des Messias. Gekreuzigt und gestorben verharrt Jesus demnach nicht im Tod, durch ihn hat er vielmehr Gott erreicht. Wenn die Sprache nicht mehr ausreicht, dann kommen Rituale und Bilder ins Spiel. Und so entwickelten sich schon früh zahlreiche Himmelfahrtsbräuche, von denen sich als einziger bis heute der sogenannte Auffahrritus erhalten hat.

Auch beim Auffahrritus in Viehbach verschwindet das Christusbild durch ein Loch in der Decke gen Himmel. (Foto: Hans Schertl/oh)

Er soll das veranschaulichen, was sich der menschlichen Vorstellungskraft schlichtweg entzieht. Als liturgisches Schauspiel wird dabei eine hölzerne Figur des auferstandenen Christus im Kirchenraum nach oben gezogen und verschwindet über eine Gewölbeöffnung im Dachraum. Den Brauch des Christusaufziehens gab es in Bayern bereits im späten Mittelalter. Diese Erkenntnis verdankt man einem eher traurigen Anlass: Im Jahr 1433 wurde nämlich Ulrich Masterling, Propst des Augustiner-Chorherren-Stifts Bernried am Starnberger See, von einer herabstürzenden Christusfigur erschlagen. Die Skulptur hing an einem verschlissenen Seil.

In Viehbach erhebt sich seit 1695 alljährlich am Himmelfahrtstag eine Christusfigur

Der Auffahrritus wurde früher fast in jeder Pfarrkirche zu Christi Himmelfahrt gepflegt. Im Landkreis Freising hat er sich noch in zwei Ortschaften erhalten. In der Filialkirche St. Laurentius zu Viehbach erhebt sich bereits seit 1695 alljährlich am Himmelfahrtstag eine Christusfigur nach oben. Das mit Blumen geschmückte Bildwerk des Auferstandenen ist in einem Rahmen montiert, an dem Kerzen brennen. Während des Gottesdienstes flankieren zwei Ministranten die Holzskulptur. Nach dem Inzensieren mit Weihrauch durch den Priester wird das an zwei Seilen befestigte Jesusbild zum Gesang der Gemeinde nach oben gezogen. Hier kommt eine im Dachraum montierte hölzerne Seilwinde zum Einsatz, die durch Muskelkraft in Gang gesetzt wird.

Mesnerin Stephanie Hassfurther bedient in Viehbach die hölzerne Seilwinde im Dachraum, mit der das Jesusbild emporgezogen wird. (Foto: privat)

Nach der Messe zum Fest Christi Himmelfahrt findet in Viehbach noch eine Prozession zu Ehren des heiligen Florian statt. Gemeindemitglieder tragen betend eine Holzfigur des Heiligen durch die Ortschaft. Dieser Umgang geht auf ein Gelübde zurück, das die Viehbacher 1705 unter dem Eindruck des Spanischen Erbfolgekrieges abgelegt hatten. Als nämlich im Jahr davor, nach der Schlacht am Schellenberg bei Donauwörth, kaiserliche, englische und niederländische Truppen brandschatzend bis in das nur zehn Kilometer entfernte Petershausen vorgedrungen waren, gelobten die Einwohner von Viehbach im Falle einer Verschonung dem heiligen Florian besondere Verehrung.

Nach der Corona-Pause werden die Riten heuer wieder vollzogen

Nach einer Corona-bedingten Zwangspause werden heuer in Viehbach der Auffahrritus und die Floriansprozession wieder vollzogen. In Wolfersdorf hat Dekan Stefan Rauscher das Christusaufziehen 2015 wiederbelebt. In der prächtigen neugotischen Pfarrkirche St. Petrus steht während des Gottesdienstes auf einem blumengeschmückten Podest die neugotische Statue des Auferstehungschristus. Die Figur ist an einer eigens angefertigten Halterung befestigt. Nachdem Pfarrer Rauscher das Christusbild inzensiert hat, stimmt der Wolfersdorfer Kirchenchor den Hymnus zum Fest Christi Himmelfahrt an. Zu dessen Klängen erhebt sich das Christusbild und schwebt an Stahlseilen langsam zum Gewölbe empor.

Das Verschwinden der Skulptur wirkt in Wolfersdorf besonders geheimnisvoll, denn zwei gelbweiße Fahnenbänder verdecken die Gewölbeöffnung. Im Dachraum bedient Mesner Michael Thalmaier die Metallwinde und sorgt dafür, dass Christus sicher den Himmel erreicht. Auch in Wolfersdorf musste im vergangenen Jahr wegen der pandemischen Lage das Emporziehen ausfallen. Heuer findet es an Christi Himmelfahrt bei einer Himmelfahrtsandacht um 19 Uhr statt.

Früher wurden Himmelfahrt und Höllensturz oft gemeinsam inszeniert

Oben und unten sind nicht nur Richtungshinweise, sondern auch Qualitätsbegriffe. Das gilt besonders für den Glauben. Deshalb wurden früher in den Kirchen häufig die Himmelfahrt des Heilands gemeinsam mit dem Höllensturz des Satans inszeniert. Um den endgültigen Sieg Christi über das Böse sinnfällig zu machen, warf man, nachdem die Christusfiguren aufgezogen worden waren, Teufelsbilder in das Kirchenschiff herab. Die Anregung dafür kam aus dem 12. Kapitel der Offenbarung des Johannes mit seiner Beschreibung des Drachensturzes.

Das Herabwerfen des Antichristen ist unter anderem für Altenerding und München belegt. Dort schleppten johlende Buben eine abgestürzte Teufelspuppe aus Stroh von der Frauenkirche zum Gasteig und verbrannten sie. Der Tumult, der bei dieser Gelegenheit entstand, war den Geistlichen jedoch ein Dorn im Auge. Deswegen wurde der Brauch des Teufelssturzes bereits im 18. Jahrhundert vielerorts eingestellt. Der Teufel war damit aus dem Gottesdienst verbannt, nicht aber aus der Welt.

Bernd Feiler ist Heimatpfleger im Landkreis Freising

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