Armut im Landkreis Freising:Sozialpass für ein besseres Leben

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Bei manchen Menschen ist das Geld knapp. Sie sind auf Unterstützung durch den Staat angewiesen. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Der Landkreis will im Frühjahr 2024 einen Ausweis für Menschen am Existenzminimum einführen. Bedürftige sollen so Einrichtungen oder Veranstaltungen zu ermäßigten Preisen besuchen können.

Von Peter Becker, Freising

Ein Besuch im Schwimmbad, Sprachkurse in der Volkshochschule oder ein Leihausweis für die örtliche Bücherei: Für die meisten Menschen im Landkreis Freising ist das eine Selbstverständlichkeit. Doch der ist ein teures Pflaster. Nach Berechnungen des Landratsamts gibt 6455 Bedürftige, die sich solche Angebote nicht so ohne weiteres leisten können, weil ihre Einkünfte zu gering sind. Der Sozialausschuss des Kreistags empfiehlt dem Kreisausschuss deshalb einstimmig, möglichst zum Frühjahr des kommenden Jahres einen Sozialpass einzuführen, der diesem Personenkreis eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht.

Einen entsprechenden Antrag hatte die Fraktion der Grünen im Februar gestellt. Was die Zielgruppe anbelangt, kommen die Personen in Frage, die bereits den Landkreispass beziehen. Der ermöglicht günstigere Fahrten mit dem Münchner Verkehrsverbund. Als weitere Personenkreise kommen all diejenigen in Frage, die Asylsuchende sind oder Grundsicherung im Alter, Sozialhilfe, Hartz IV sowie Sozial- oder Wohngeld beziehen.

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Die Fraktion der Grünen hätte der größeren Zielschärfe wegen gerne neben den ohnehin für den Sozialpass in Frage kommenden Gruppen von Berechtigten eine Prüfung von Einkommensverhältnissen beantragt. Diese Bedürftigkeitsprüfung sei aber zu aufwendig, erklärte Landrat Helmut Petz (FW). Es sei ein bürokratisches Monster. Petz ist sich sicher, dass zu Beginn nicht der ganze in Frage kommende Personenkreis erfasst werde, aber es gebe die Möglichkeit nachzusteuern.

Guido Hoyer (Linke) war davon überrascht, dass der Sozialpass im Landkreis große Zustimmung findet. Er habe in der Stadt Freising schon zwei Mal entsprechende Anträge gestellt, die jeweils in der Schublade verschwanden. Hoyer hätte gerne auf die vorgeschlagenen Bemessungsgrenzen für die Berechtigung eines Sozialpasses noch einen gewissen Prozentsatz drauf geschlagen. Denn schnell könne jemand nach einer Rentenerhöhung aus der Grundsicherung herausfallen, argumentierte er.

Wer in Deutschland nicht mehr als 1408 Euro im Monat verdient, gilt als arm. Gerade im Landkreis Freising schwindet das Geld wegen teurer Wohnungen und der Inflation schnell dahin. Ähnliches gilt für ältere Menschen, die weniger als 1370 Euro Rente beziehen. Doch jede Grenze berge Ungerechtigkeiten, entgegnete Petz. Hoyer stellte den Antrag, einen Zuschlag zu den Bemessungsgrenzen zu geben. Der scheiterte und Hoyer stimmte letztlich dem Vorschlag der Verwaltung zu.

Die Entscheidung liegt bei den Gemeinden, ob sie sich am Sozialpass beteiligen

Für den Landkreis hält sich der Aufwand für den Sozialpass in Grenzen. Zwar war eine halbe Personalstelle vorgeschlagen, doch das Landratsamt will die neue freiwillige Leistung mit dem aktuellen Personal stemmen. Für die Behörde geht es nur darum, den Sozialpass auszustellen. Das könnte beispielsweise beim Ausdruck von Bescheiden für Wohngeld oder anderen Sozialleistungen geschehen.

Jetzt liegt die Entscheidung bei den Gemeinden, ob sie sich am Sozialpass beteiligen. "Es geht um Ermäßigungen, nicht um freien Eintritt", stellte Sabina Brosch (Grüne) zum Antrag ihrer Fraktion klar. In Hallbergmoos, der Gemeinde, in der sie wohnt, gebe es bereits solche Vergünstigungen. Der Sozialpass sei auch kein "Pass für die Ewigkeit". Es müsse schon eine Bedürftigkeit vorliegen. Der Ausweis selbst hat die Größe einer Scheckkarte.

Die Ausgabe des Sozialpasses soll am 1. März 2024 beginnen

Landrat Petz will den Sozialpass während einer Bürgermeister-Dienstbesprechung am 12. September in Moosburg genauer erläutern. Haben mehr als zehn Gemeinden Inhalte für diesen auf den Weg gebracht und auf ihren Gemeindeseiten veröffentlicht, wird der Sozialpass öffentlich gemacht. Die Ausgabe des Ausweises soll dann am 1. März 2024 beginnen.

Trotz der derzeit bestehenden Unschärfe, was die Zielgruppe anbelangt, stößt die Einführung des Sozialpasses bei allen Fraktionen auf ein positives Echo. "Das Leben ist nicht gerecht", stellte Herbert Bengler für die SPD fest. Aber der Spatz in der Hand sei ihm lieber als die Taube auf dem Dach. Manuel Mück (CSU) findet, dass das kleine Format der Karte den Nutzerinnen und Nutzern ein wenig die Angst für einer Stigmatisierung nehme. Falls nur das Sozialamt den Ausweis ausgibt, ergibt sich der Vorteil, dass die Behörde auf einfache Weise einen Armutsbericht für den Landkreis generieren könnte.

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