Frauenrechtlerin und Geschichtenerzählerin:Teil eines Vermächtnisses

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Geschichten über mutige Frauen oder solche, die aus Nichts etwas Bemerkenswertes gemacht haben, gehört zu den Herzensangelegenheiten von Gisela Landesberger. (Foto: Andreas Gebert)

Gisela Landesberger setzt sich seit 40 Jahren für die Rechte der Frauen ein und hat sie das Freisinger Frauenhaus auf den Weg gebracht. Ein Rezept für echte Gleichberechtigung hat sie dennoch nicht.

Von Katharina Aurich, Freising

Für Gisela Landesberger, die sich seit 40 Jahren in unterschiedlichen Positionen für die Rechte der Frauen im Landkreis einsetzt, gibt es eigentlich noch viel zu tun. Frauen verdienen immer noch für die gleiche Arbeit weniger als Männer, in höheren Positionen sind weibliche Chefs Mangelware und die Frauenhäuser sind voll von Frauen, die häusliche Gewalt ertragen müssen. Trotzdem ist von der Aufbruchstimmung der 68er Jahre oder dem Wiedererstarken der Frauenbewegung 1987 heute nur noch wenig zu spüren und Landesberger fragt sich, wie es mit dem Kampf um Gleichberechtigung weiter gehen wird. Obwohl sie sich schon so lange damit beschäftigt, hat auch sie kein Rezept oder Ratschläge für die nächste Frauengeneration.

SZ: Wie kamen Sie als junge Freisingerin zum ersten Mal mit der Frauenbewegung in Berührung?

Landesberger: Das war 1968 zufällig in München, eine Freundin nahm mich zu einer Veranstaltung mit Alice Schwarzer mit. Sie stand dort oben auf der Bühne in einem hellen, langen Wildledermantel. Ich verstand zwar inhaltlich nicht, was sie sagte, aber ihre Ausstrahlung hat mich fasziniert.

Bis dahin war Ihr Leben in konventionellen Bahnen verlaufen...

Ja, ich besuchte die Klosterschule, die heutige Sankt Korbinianschule, dann die Mädchenoberrealschule im Asamgebäude, die schließlich mit dem Hofmiller-Gymnasium fusionierte. Meine Eltern haben mir aber verboten, das Abitur zu machen, obwohl ich das wollte und auch die Noten dafür hatte. Ich erkämpfte dann den Besuch einer Sprachenschule in München, aber mir wurde klar, dass ich zu Hause erstickt wäre. Als mein Vater mich auf eine Sekretärinnenstelle bei Texas Instruments vermitteln wollte, riss ich aus und nahm den Zug nach Berlin, obwohl ich damals noch nicht volljährig war.

Was erwartete Sie im Berlin der Siebzigerjahre?

Ich tauchte ein wie in einen Strudel, in dem sich die Stadt befand, ging auf Demonstrationen und arbeitete an der Freien Universität. Wir fuhren in unserem alten Käfer nach Ostberlin, um dort Bücher und Noten zu kaufen, alles schien möglich. Schließlich machte ich das Abitur nach und studierte Pädagogik. Und ich kam mit vielen Frauen zusammen, die für ihre Interessen eintraten.

Warum kamen Sie in den Landkreis zurück?

Nach acht Jahren hatte ich genug von der Großstadt und hier in Freising war ja inzwischen auch einiges passiert. Die ersten Wohngemeinschaften entstanden und ich zog in eine nach Oftlfing (Zolling). Außerdem gründete sich meine Frauengruppe, die es bis heute noch gibt. Diese Gruppe ist mir sehr wichtig.

Schließlich kam 1980 mein Sohn auf die Welt und wir lebten mit anderen Erwachsenen und Kindern in einer Wohngemeinschaft zusammen.

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Welche Themen packten Sie dann an?

Wir brauchten als erstes einen Treffpunkt für Frauen, so entstand 1986 der Arbeitskreis für Fraueninteressen, den 50 Frauen gründeten. Wir waren die Ersten im Landkreis, die den sexuellen Missbrauch von Mädchen thematisierten, die Gewalt gegen Frauen und wir gründeten den Notruf und schließlich auch das Freisinger Frauenhaus. Bis dahin war ich noch pädagogische Mitarbeiterin beim Kreisjugendring und bewarb mich dann erfolgreich auf die Stelle einer Frauenbeauftragten im Landratsamt.

Was sagten die Männer zu diesen Aktivitäten ?

Das hat uns nicht interessiert. Sicher hat es bei vielen Frauen zu Hause Diskussionen gegeben, aber bei uns Frauen herrschte Aufbruchstimmung und wir knüpften starke Netzwerke.

Welche Schwerpunkte setzten Sie als Frauenbeauftragte?

Es entstand der runde Tisch "Gewalt gegen Frauen", an dem sich unterschiedliche Institutionen, zum Beispiel auch Richter, beteiligten. Es gab Beratungsstunden, oft kamen alleinerziehende Mütter, die Hände ringend eine Wohnung suchten. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Viele Frauen suchten Gleichgesinnte, da sie isoliert lebten. Wir forderten natürlich auch gleichen Lohn für gleiche Arbeit und ich war für die Gleichstellung aller Mitarbeiter im Landratsamt zuständig. Die beiden Landräte Manfred Pointner und Michael Schwaiger haben all diese Aktivitäten immer unterstützt.

Sie initiierten aber auch sehr praktische Projekte, um Frauen zu unterstützen...

Eines meiner Herzensprojekte ist der interkulturelle Garten am Hang neben dem Schafhof, der nach zwei Jahren Überzeugungsarbeit 2007 Wirklichkeit wurde. Vor allem auch ausländische Frauen finden hier einen Anknüpfungspunkt an deutsche Frauen, sie bauen gemeinsam an, unterstützen sich und feiern. Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt war die Frauengeschichte in Stadt und Landkreis Freising. Außerdem gründete ich vor fünf Jahren mit Gleichgesinnten den Verein "Kulturgut", der Menschen mit geringem Einkommen, oft alleinerziehenden Frauen und ihren Kindern, die Teilnahme an kulturellen Veranstaltungen zu günstigen Preisen ermöglicht.

Woher nehmen Sie die Kraft und Gewissheit, auf dem richtigen Weg zu sein ?

Es hat mich immer gestärkt zu wissen, dass es vor uns schon viele kämpferische Frauen gegeben hat und wir heute einen Teil ihres Vermächtnisses erfüllen. Sie sind uns ja auch Beispiel und Vorbild. Ein wichtiger Teil meines Lebens ist das Geschichten erzählen, vor allem über die Biografien mutiger Frauen oder über Frauen, die aus Nichts etwas Bemerkenswertes gemacht haben. Seit ich 2010 in Altersteilzeit ging, nimmt diese alte Tradition des mündlichen Geschichtenerzählens einen breiten Raum in meinem Leben ein und in meinen Literarischen Salons wird weibliche Lebenskunst sichtbar.

Mit welchen Frauen befassen Sie sich?

Mit ganz verschiedenen. Politikerinnen, Künstlerinnen, Autorinnen wie Mascha Kaleko, Rosa Luxemburg, Astrid Lindgren, Anita Augspurg, Coco Chanel, Hanna Arendt - die Liste ist lang und es kommen immer wieder Neue dazu. Ich erzähle auch im Bayerischen Dialekt, zum Beispiel über die Doktorbäuerin Amalie Hohenester. Sehr gerne besuche ich auch die Orte, wo die Frauen herkamen und wirkten und spüre ihnen nach.

© SZ vom 19.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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