Kirchbergers Woche:Zeit zum Grübeln

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Im Festspielhaus zu Bayreuth konnte Staatsminister Florian Herrmann darüber nachdenken, warum in Bayern bald die Lichter ausgehen.

Kommentar von Johann Kirchberger, Freising

Irgendwie war man diese Woche versucht, Mitleid mit unserem Staatsminister Florian Herrmann und seiner Renate zu haben. In feiner Abendgarderobe den Grünen Hügel in Bayreuth erklimmen und dann im Festspielhaus sechs Stunden lang auf engen Holzstühlen Tristan und Isolde anhören zu müssen, so etwas macht man doch nicht aus Lust und Tollerei, oder? Na gut, es sind viele Promis über rote Teppiche gelaufen, und alle haben anschließend treuherzig versichert, wie schön dieser Almauftrieb mal wieder gewesen ist. Was sollen sie auch sonst sagen. Und wenn man Leiter der bayerischen Staatskanzlei ist, dann gehört man halt auch zu den Promis und dann muss man da hin. Schon weil der Chef auch da ist und weil da so schöne Fotos gemacht werden, zusammen mit anderen wichtigen Personen der Zeitgeschichte. Unsereins, zugegebenermaßen ein ausgesprochener Banause, kann sich jedenfalls nicht vorstellen, dass man sich Richard Wagner freiwillig antut.

Eigentlich hätte es sich ja gehört, dass unser Florian Herrmann an diesem bewussten Montag nicht nach Bayreuth fährt, sondern daheim bleibt, und ein Konzert der Isar Shantys am Korbiniansbrünnlein besucht. Die haben dort Seemannslieder von der Waterkant gesungen. Durchaus passend in Freising, schließlich wird gerade die Moosach in der Oberen Hauptstraße freigelegt und die ersten Freisinger sitzen schon an der Waterkant und schlecken Eis. Das Shanty-Konzert hatte gegenüber Bayreuth natürlich den Nachteil, dass die Dichte der Prominenz sehr gering war und Sitzgelegenheiten selbst mitzubringen waren. Dafür hat es auch nicht so lange gedauert und lustiger war es bestimmt auch. Schließlich sind Tristan und Isolde am Ende tot.

Aber wenn man so viele Stunden in einem Festspielhaus sitzt, da hat man wenigstens Zeit ein wenig nachzudenken. Denn schon am nächsten Tag kommt der Alltag zurück und so ein Staatsminister muss der Presse erzählen, warum in Bayern jetzt bald die Lichter ausgehen. Ja, was soll man denen jetzt sagen. Dass wir keine Stromtrassen haben, um die von Windrädern an der Waterkant erzeugte Energie ins schöne Bayernland zu transportieren? Dass wir keine eigenen Windräder haben, weil Horst Seehofer einst zu allem Abstand halten wollte, was womöglich eine Wählerstimme gekostet hätte? Oder dass wir nicht einmal eigene Gasspeicher haben, weil die in Österreich versteckt wurden? Aber dafür haben wir ein Atomkraftwerk an der Isar, das eigentlich zum Jahresende abgewrackt werden sollte und das man noch ein paar Monate oder auch länger ein bisschen Strom produzieren lassen kann. Ob das wirklich etwas bringt, um unsere Energieprobleme zu lösen, weiß man nicht, ist auch egal. Fehlende Sicherheitsüberprüfungen? Eine Frage der Risikofreudigkeit. Auf alle Fälle hat Markus Söder einen steifen Zeigefinger mit dem er nach Berlin deuten kann. Dort nämlich sitzen die Übeltäter, die alles verbockt haben. Die sollen jetzt endlich in die Gänge kommen und Bayern helfen.

Irgend sowas in der Richtung wird sich Florian Herrmann in Bayreuth ausgedacht haben, als Tristan versucht hat, die Isolde zu bekommen. Ist schon gut, so ein mehrstündiges Konzert, das Tagesgeschäft erlaubt es ja sonst nicht, in Ruhe nachzudenken. Aber Rheingold steht ja auch noch auf dem Programm. Wie lesen gerade, dass noch 13 Karten zu haben sind. Eile ist angesagt.

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