Landkreis Freising:Zum Wohle der Kinder

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Eva Bönig gibt ihr Amt als Vorsitzende des Kinderschutzbunds ab. (Foto: Johannes Simon)

Nach 35 Jahren als Vorsitzende des Freisinger Kinderschutzbundes will Eva Bönig das Amt aufgeben. Die Jahre seien bereichernd gewesen, sagt sie.

Von Gudrun Regelein, Freising

Vor knapp 42 Jahren, am 14. April 1980, wurde der Kinderschutzbund Freising ins Leben gerufen. Eva Bönig war zwar nicht bei der Gründung dabei, aber bereits einige Monate später, im Herbst 1980, trat sie dem Verein bei. Seit 1987 ist sie die Vorsitzende des Vereins, der mittlerweile knapp 50 Mitglieder zählt. "Wir sind ein tolles Team", sagt Bönig. Nach 35 Jahren als Vorsitzende wollte die 65-Jährige eigentlich schon bei der Mitgliederversammlung im März von ihrem Amt zurücktreten, tat das dann aber doch nicht: Sie wird die Geschäfte noch kommissarisch weiterführen. Im Gespräch mit der SZ Freising zieht Eva Bönig schon jetzt eine Bilanz.

Frau Bönig, Sie werden nun doch kommissarische Vorsitzende bleiben. Hat sich keine Nachfolgerin oder kein Nachfolger gefunden?

Eva Bönig: Es ist tatsächlich nicht so einfach, aber dieses Problem haben viele Vereine. Wir sind im Gespräch und ich werde nun bis zum Herbst den Kinderschutzbund kommissarisch weiterführen. Bei der Bundesvorstandsversammlung wird übrigens über neue Formen der Vorstandschaft diskutiert werden, auch ein Team mit einer Aufgabenteilung könnte für uns eine Lösung sein.

Fast 42 Jahre sind Sie bereits Mitglied, 35 Jahre leiteten Sie den Freisinger Kinderschutzbund. Wie schaut Ihre persönliche Bilanz aus?

Für mich war das eine sehr bereichernde Zeit mit einem tollen Team. Ich habe viele gute Kontakte geschlossen, aus denen sich manchmal auch Freundschaften entwickelt haben. Und ich habe meine eigenen Grenzen erfahren - sowohl meine persönlichen, als auch die Grenzen des Engagements. Die Jahre sind wahnsinnig schnell vergangenen, der Wandel, der sich vollzogen hat, ist groß.

Blicken wir zurück auf die Anfänge. Was waren damals Ihre aktuellen Themen?

Ganz früher waren wir ein Küchen-Wohnzimmer-Verein, damals fanden die Vorstandssitzungen noch im privaten Bereich statt. Zu Beginn haben wir uns auf die Einzelfallhilfe konzentriert. Wir haben beispielsweise Ausflüge mit Waisenkindern unternommen oder Schulranzen-Aktionen veranstaltet. Ein anderes Thema war eine Aufklärungskampagne zum Thema Sicherheit im Auto, damals turnten die Kinder ja noch in den Autos rum. Mit der ersten Geschäftsstelle an der Gartenstraße wurde es dann etwas professioneller, dort haben wir dann auch die erste Kleiderkammer eingerichtet. Damit konnten wir die Kriegsflüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien, die Anfang der 90er-Jahre in großer Zahl zu uns kamen, versorgen.

Sie haben sich aber auch schon damals politisch engagiert?

Ja, wir haben uns schon von Beginn an dafür eingesetzt, dass die Kinderrechte in die Verfassung aufgenommen werden. Wir haben uns auch gegen den Bau der dritten Startbahn ausgesprochen und wir haben ein eigenes Frauenhaus für Freising gefordert. Auch unsere Bildungsarbeit ist politisch, so haben wir das Projekt Cleverkids, bei dem Kinder aus benachteiligten Familien eine kostenlose Nachhilfe bekommen, mit ins Leben gerufen.

Und die Themen heute sind?

Wir reagieren schnell auf aktuelle politische Ereignisse. Auch uns beschäftigen die aus der Ukraine geflüchteten Menschen. Sie können sich bei uns in der Kleiderkammer etwas aussuchen. Derzeit prüfen wir auch, ob wir unsere Räume für einen Deutschunterricht anbieten können. Das andere große Thema derzeit ist natürlich Corona und die damit verbundenen Einschränkungen. Viele Kinder haben darunter extrem gelitten oder wurden schulisch abgehängt.

Was waren für Sie die Meilensteine in diesen Jahren?

Besonders gefreut hat mich, dass ich, als ich 1990 in den Stadtrat kam, erreichen konnte, dass in diesem die Kinder einen anderen Stellenwert bekamen, sie anders wahrgenommen wurden. Der Antrag zum Bau von Kinderkrippen kam von mir, danach wurden in Freising zunehmend Kitas errichtet. Das hat natürlich die Familien entlastet. Ein weiterer Meilenstein war, als wir 2002 im Haus der Vereine am Major-Braun-Weg die erste richtige Geschäftsstelle bekamen. Und damit unsere Angebotspalette erweitern konnten. Beispielsweise um den begleitenden Umgang in Trennungsfamilien, den Heidi Dillkofer aufgebaut und intensiv betreut hat. Wir waren auch die ersten, die in den 90er-Jahren eine Präventionsmaßnahme zum sexuellen Missbrauch erarbeiteten.

Ist das Hilfenetzwerk im Landkreis inzwischen eng geknüpft?

Wir haben eine große Palette an Angeboten. Das Netzwerk ist eigentlich gut, aber es gibt immer wieder etwas zu verbessern. Manche Familien mit speziellen Bedürfnissen fallen noch immer aus dem Raster. Solche mit chronisch kranken Kindern beispielsweise.

Sie kümmern sich um das Wohl der Kinder, aber dieses ist doch immer auch abhängig von den Eltern?

Natürlich. Wenn eine Familie gut funktioniert, geht es auch dem Kind gut. Wenn das aber nicht so ist, müssen wir eingreifen. Eltern haben den Erziehungsauftrag - und wir bemühen uns, sie zu stärken. Manchmal ist es aber auch so, dass von Eltern zu schnell nach staatlicher Regulierung gerufen wird und die Erziehungsverantwortung delegiert wird.

Was brauchen Kinder am meisten?

Gisela Baier, Mitbegründerin des Freisinger Kinderschutzbundes und deren langjährige Leiterin, hat das einmal sehr schön formuliert: Zeit, Zuwendung und Zärtlichkeit seien es, was Kinder brauchen, sagte sie. Kinder müssen ernst genommen werden, man muss ihre Persönlichkeit respektieren. Nicht das neueste Handy ist wichtig, sondern ihnen Zeit zu schenken. Kinder brauchen keinen durchgetakteten Tagesplan, sondern sollten eine wirkliche Kindheit erleben können. Und sie haben eine Chancengleichheit, eine Bildungsgerechtigkeit verdient. Dafür brauchen wir eine Ganztagsbetreuung.

Wird es einen Freisinger Kinderschutzbund ohne Eva Bönig geben?

Ich bleibe natürlich Mitglied. Und falls mein Rat gebraucht wird, stehe ich gerne bereit.

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