Freising:"Die Pflege neigt dazu, selbst ein Pflegefall zu werden"

Lesezeit: 2 min

So geht es nicht weiter: Klinikbeschäftigte machten Mitte Mai zum Tag der Pflege auf die Personalengpässe in den Krankenhäusern aufmerksam. (Foto: Marco Einfeldt)

CSU-Bundestagsabgeordneter Erich Irlstorfer fordert Verbesserungen für das Personal. In seinem Wahlkreis will er außerdem eine Kampagne starten, um das Problem der Seltenen Erkrankungen in den Fokus zu rücken.

Von Petra Schnirch, Freising

Die Pandemie und die Situation im Gesundheitswesen sind in den vergangenen Wochen angesichts des russischen Angriffskriegs in der Ukraine etwas aus dem Fokus geraten, doch auch diese Probleme sind nach wie vor akut. "Die Pflege neigt dazu, selbst ein Pflegefall zu werden", sagte CSU-Bundestagsabgeordneter Erich Irlstorfer am Montag beim Sommerpressegespräch in Freising. Er fordert weitere Verbesserungen für Pflegekräfte und pflegende Angehörige. Einer seiner Schwerpunkte in den kommenden Monaten sind zudem die sogenannten Seltenen Erkrankungen. Irlstorfer will dazu im Wahlkreis Freising eine Kampagne starten.

Die Idee: Die 60 Städte, Märkte und Gemeinden in den Landkreisen Freising, Pfaffenhofen und Neuburg-Schrobenhausen sollen 2023 Patenschaften übernehmen und jeweils eine der Seltenen Erkrankungen bei ganz unterschiedlichen Veranstaltungen vorstellen, um so auf die Probleme der Betroffenen aufmerksam zu machen und ein "gesamtgesellschaftliches Bewusstsein" zu schaffen, erklärte der Abgeordnete. Ein Auftakttreffen ist im September im Freisinger Schafhof geplant. Langfristig soll die Kampagne auf ganz Bayern ausgeweitet werden.

Bis zur richtigen Diagnose vergehen oft fünf Jahre

Allein in Deutschland sind laut Irlstorfer vier Millionen Menschen betroffen, es gibt etwa 6000 Seltene Erkrankungen, 80 Prozent sind genetisch bedingt. Lobby aber hätten die Betroffenen oft keine, weil ihre Gruppe klein und für die Pharmaindustrie deshalb nicht lukrativ sei. Im Schnitt vergingen fünf Jahre bis zur richtigen Diagnose, nur 150 der Krankheiten könnten mit aktuell in Europa zugelassenen Medikamenten behandelt werden. Als selten gilt eine Erkrankung, wenn nicht mehr als fünf von 10.000 Menschen betroffen sind.

Weiteres großes Thema für den CSU-Gesundheitspolitiker ist die neuroimmunologische Erkrankung ME/CFS - die Abkürzungen stehen für: Myalgische Enzephalomyelitits/Chronisches Fatigue-Syndrom. Sie könne durch eine Infektionskrankheit ausgelöst werden und führe oft zu einem hohen Grad an körperlicher Behinderung, sagte Irlstorfer. Etwa 300.000 Menschen in Deutschland, darunter zirka 40.000 Kinder und Jugendliche, seien davon betroffen. Stärker in den Blick gerückt ist ME/CFS durch die Corona-Pandemie, denn auch viele an Covid-19 Erkankte litten daran, der schwersten Form von Post-Covid, erklärte der Abgeordnete.

Mehr Forschung notwendig

Notwendig seien eine zentrale Koordinationsstelle, eine bundesweite Aufklärungskampagne sowie eine stärkere Förderung der Forschung. Positiv immerhin: Durch Corona gebe es hier nun eine gewisse Dynamik. Wichtig sei ihm eine fraktionsübergreifende Zusammenarbeit, betonte Irlstorfer.

In einem Eckpunktepapier fordert er auch weitere Verbesserungen der Arbeitsbedingungen in den Kliniken, um Personal halten zu können. "Eine gute Qualität in der Pflege wird nicht am Geld, sondern am fehlenden Personal in den Einrichtungen scheitern", sagte er. Ein Ansatz ist für ihn ein Stundenreduzierungskonzept ohne finanzielle Nachteile, außerdem regelmäßige Reha- und Kur-Angebote. Ältere Beschäftigte seien oft nicht mehr so belastbar wie Jüngere. Wer mehr arbeiten will, sollte das aber tun können. Dafür sollte eine Überstundenregelung ohne zusätzliche Steuerbelastung initiiert werden. In Österreich gebe es diese Wahlfreiheit bereits.

Der Bau des neuen Schwesternwohnheims drängt

Ausgebaut werden müsse auch die an Schichtzeiten orientierte Kinderbetreuung. Der Bau des neuen Schwesternwohnheims in Freising und einer Kita sollten möglichst bald angepackt werden. Überlegenswert wäre für den CSU-Politiker auch eine Tagespflege für Senioren, damit pflegende Angehörige auf Wunsch in den Beruf zurückkehren könnten.

Ein Fehler sei die Einbeziehung der Kinder- und Jugendpflege in eine generalistische Pflegeausbildung gewesen, räumte er ein. Ziel sei es gewesen, die Durchlässigkeit zu fördern, wer mit Kindern arbeiten wolle, orientiere sich inzwischen aber häufig anders. Dies sollte nach einer Evaluierung wieder geändert werden.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: