Ehen in der Krise:Die große Liebe ist harte Arbeit

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Im Frühsommer haben Standesämter Hochkonjunktur, nach den Sommerferien und um Weihnachten ist für Therapeuten Hauptsaison: Psychologin Catarina Hofmann berät Paare und versucht, ihnen mit Hausaufgaben aus der Krise zu helfen.

Von Katharina Aurich, Freising

Im Frühsommer haben Standesämter Hochkonjunktur, jetzt wird wieder überall geheiratet. Doch häufig verlieren Paare im Laufe der Jahre das Interesse aneinander, Respekt und Achtung, die "große Liebe" verschwinden. Dass das nicht so sein muss, davon ist die Freisinger Psychologin Catarina Hofmann überzeugt. Einmal wöchentlich bietet sie in Freising Paar- und Familientherapie an.

"Die Paartherapie ist seit 16 Jahren das Sahnehäubchen meiner Arbeit", beschreibt Hofmann. Ihre Klienten kommen aus dem gesamten Landkreis. Besonders wenn Kinder da seien und beide Eltern Geld verdienen müssten, verschärfe sich eine Krise in der Ehe häufig. Während Ehepaare früher selbstverständlich zusammen geblieben seien, auch wenn sie sich nichts mehr zu sagen hatten, könne heute jeder freier entscheiden. Das mache das Zusammenleben nicht einfacher, sagt Hofmann. Aber Paare seien offener geworden, Probleme anzunehmen und in einer Therapie etwas für sich zu tun.

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Wenn eine schöne Idee im Streit endet

Nach den Sommerferien und um Weihnachten sei Hauptsaison für den Beginn einer Paartherapie. Mann und Frau hätten dann Zeit füreinander gehabt - unterschiedliche Vorstellungen seien aufeinander geprallt und Erwartungen enttäuscht worden. Zu einer Psychologin zu gehen, vor sich selbst zu sagen "wir holen uns Hilfe", sei ein großer Schritt, auch wenn es keine Erfolgsgarantie gebe, macht Hofmann deutlich.

Bis Paare soweit seien, hätten sie in der Regel vieles ausprobiert, damit sich die Beziehung verbessert. Beliebt seien ein gemeinsamer Tanzkurs oder ein Wochenende ohne Kinder. Doch häufig explodiere gerade in diesen mit Erwartungen beladenen Situationen die Stimmung und die schöne Idee ende im Streit.

Noch vor zehn Jahren hätten fast nur Frauen nach einem Therapieplatz gefragt. Nur hin und wieder habe sich ein Mann mit den Worten gemeldet: "Meine Frau sagt, ich soll eine Therapie machen", so Hofmann. Doch das habe sich geändert, jetzt kämen auch Männer von sich aus. Eine Therapie funktioniere nur, wenn beide mitmachten und dies auch wollten. "Frauen erwarten manchmal einen Schulterschluss von mir, aber ich stehe auf beiden Seiten", betont Hofmann.

Ist die Liebe verloren oder nur verlegt?

In der ersten Sitzung fragt die Psychologin, wie man sich kennen gelernt und warum man sich gerade in den jeweils anderen verliebt hat. Wenn das Paar dann weiter machen möchte, werden nach fünf gut einstündigen Sitzungen die Fortschritte evaluiert. "Das Paar soll schon bald Veränderungen bemerken", erklärt Hofmann. Die große Frage sei natürlich: "Ist die Liebe verloren gegangen oder wurde sie nur verlegt?" Die Liebe sei das Wichtigste, sonst gebe es in der heutigen Zeit kaum einen Grund, zusammen zu bleiben. Aber beide müssten etwas dafür tun - und "das ist harte Arbeit".

Hofmann weiß, wovon sie spricht. Die Mutter dreier erwachsener Kinder erlebt heute ihre jahrelange Ehe wieder neu. "Man kann sich mehrmals in denselben Menschen verlieben", ist sie überzeugt. "Das Wichtigste ist, dass es mir selbst gut geht. Niemand kann erwarten, dass er geliebt wird, wenn er sich selbst nicht liebt." Zu Beginn einer Therapie fragt Hofmann das Paar nach dessen Familien, weil dort häufig die Ursachen der Probleme liegen. Kleine Mädchen lernten, dass sie brav sein müssten, nicht widersprechen dürften, dann würden sie geliebt. Später heirateten sie, seien wieder brav und erwarteten, dass sie dafür von einem erwachsenen Mann geliebt werden. Dieses Rollenmuster funktioniere so nicht mehr. In der Therapie gehe es darum, derartige Muster zu erkennen und zu verändern.

Was ein nasser Schwamm im Schuh zu suchen hat

Dafür bekommen die Paare Hausaufgaben, beispielsweise sollen sie sich gegenseitig kommentarlos drei Minuten die Antwort zur Frage "Wie war dein Tag?" anhören. Man müsse Probleme nicht immer gleich lösen, das Zuhören alleine könne eine Situation schon verändern, sagt die Psychologin. Zu einer humorvollen Maßnahme griff eine Frau, weil ihr Mann seine Schuhe nicht an den dafür vorgesehenen Platz im Regal, sondern zum Haufen der unaufgeräumten Kinderschuhe stellte, obwohl sie ihn immer wieder darum bat, ein gutes Beispiel zu sein. Schließlich stopfte sie einen nassen Schwamm in den Schuh ihres Gatten, der am nächsten Morgen entsetzt dachte, es befände sich eine tote Maus oder Ähnliches darin. Nach diesem Erlebnis, über das beide lachten, stellte der Mann seine Schuhe wie gewünscht an ihren Platz.

Auch Sex sei ein wichtiges Thema, berichtet Hofmann. Während sich früher Männer häufig beklagten, es sei ihnen zu wenig, sagten das heute auch Frauen. "Erwarten sie nicht Sex, sondern verführen sie ihren Partner oder lassen sie sich von ihm überraschen", rät die Therapeutin. Es gebe niemanden, der grundsätzlich keine Lust auf Sex habe. Und: "Stellen sie keine Forderungen an den Partner, sondern überlegen sie, was sie für sich tun könnten, damit es ihnen besser geht."

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Ein großes Problem von Paaren im ländlichen Raum sei die Abgrenzung von Eltern oder Schwiegereltern, die mit auf dem Hof oder im Haus lebten, so die Therapeutin. Hier würden klare Worte und Regeln helfen, beide müssten an einem Strang ziehen. Bei manchen Paaren nütze auch eine Therapie nicht mehr. Häufig sei dann bereits eine oder ein Dritter im Spiel. Wenn Kinder von einer Trennung betroffen sind, versucht Hofmann die Partner zu motivieren, als Eltern friedlich miteinander umzugehen. Trotz aller Schwierigkeiten sei eine stabile Paarbeziehung ein hohes Gut, das sich jeder Mensch wünsche, betont sie. Dies stehe zuverlässig an erster Stelle auf der Wunschliste junger Erwachsener - daran habe sich trotz gesellschaftlichen Wandels nichts geändert.

© SZ vom 06.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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