Deprimierender Bericht:Wer wenig verdient, findet nichts

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Ein Tropfen auf den heißen Stein sind die Wohnungen, die derzeit an der General-von-Stein-Straße im Freisinger Stadtteil Neustift entstehen. (Foto: Marco Einfeldt)

Die Situation in Freising wird immer prekärer. Die Mieten steigen weiter, finanziell schwache Bewerber werden auf dem Mietmarkt von besser gestellten verdrängt. Auch die Zahl der Zwangsräumungen hat zugenommen.

Von Kerstin Vogel, Freising

Die Mieten sind erneut gestiegen, die Zahl der Zwangsräumungen auch. Immer mehr Menschen sprechen bei der Stadt vor, weil sie Angst vor Obdachlosigkeit haben und die zunehmende Zahl anerkannter Asylbewerber, die demnächst auf den Wohnungsmarkt drängen werden, verschärft das Problem zusätzlich. Das ist die erschreckende Quintessenz des Wohnungsvergabeberichts, den der Leiter des Sozialamtes, Robert Zellner, am Dienstag im Finanzausschuss vorgelegt hat.

Empfänger von Sozialleistungen haben fast keine Chance

Schon seit Jahren kann Zellner bei diesen Gelegenheiten keine guten Nachrichten mehr verbreiten. Weil "bei den Vermietern die Akzeptanz fehlt", haben Empfänger von Sozialleistungen in Freising kaum noch eine Chance auf dem freien Wohnungsmarkt. Finanziell schwache Haushalte werden laut Bericht von besser gestellten Bewerbern verdrängt. Weil es kaum freien Wohnraum gibt, können keine vorbeugenden Maßnahmen zur Vermeidung von Zwangsräumungen vorgenommen werden und auch ein Auszug aus den Notunterkünften in eine "normale" Wohnung ist noch einmal schwieriger geworden, wie es in der Zusammenfassung heißt.

Etwas neuer Wohnraum ist mit dieser Anlage an der Katharina-Mair-Straße im Stadtteil Lerchenfeld entstanden. (Foto: Marco Einfeldt)

Insgesamt konnten zwischen 1. November 2015 und 30. November 2016 dem Bericht zufolge nur 59 öffentlich geförderte Wohnungen vergeben werden. Im Vorjahr waren das mit 123 noch mehr als doppelt so viele. Weil in den 59 Zuweisungen auch noch 35 Fälle enthalten sind, in denen Wohnungen getauscht wurden, und neun Fälle, in denen Haushalte aus den Notunterkünften umquartiert werden konnten, reduziert sich die Zahl der Bewerber vom freien Markt, die im genannten Zeitraum eine Sozialwohnung erhalten haben, auf gerade einmal 15.

630 Wohnungen
:Neues Stadtviertel für Freising

An Anger- und Gutenbergstraße wird das nächste Freisinger Stadtviertel entstehen, bisher gibt es dort vor allem Gewerbebetriebe. Auch geförderter Wohnraum soll dort entstehen.

Von Kerstin Vogel

Tatsächlich trafen in diesem Jahr zwei Umstände zusammen, die zwangsläufig zu einer Verschärfung der Lage führen mussten: Die Stadt saniert ihre alten Sozialwohnungen, die neuen aber sind noch nicht fertig, wie Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher erläuterte. Schuld daran sei unter anderem der "Sanierungsstau" der sich bei den öffentlich geförderten Wohnungen in früheren Jahren gebildet habe. Seit 2007 habe man jedoch um die 20 Millionen Euro in Sanierung, Modernisierung und Neubau geförderten Wohnraums investiert, betonte Eschenbacher, weitere zehn Millionen seien in den kommenden Jahren hierfür vorgesehen. Die Nachfrage sei jedoch größer, als sie die Stadt jemals befriedigen könne. Man müsse daher auch den privaten Investitionsmarkt weiter nutzen, indem man neue Baugebiete ausweise.

Erhöhte Aggression der Wohnungssuchenden bei Vorsprache im Amt

Nur bedingt helfen wird das den derzeit 419 anerkannten Asylbewerbern, die im Stadtgebiet leben und laut Zellners Bericht bis jetzt noch keine Wohnungsanträge gestellt haben. Zusätzlich drängten außerdem "auch immer mehr Leute aus EU-Ländern in den Wohnungsmarkt, die keine Arbeit und keine Wohnung haben". Zellner beklagt in seiner Zusammenfassung wie schon in den Vorjahren auch eine erhöhte Aggression der Wohnungssuchenden bei der Vorsprache im Amt. Viele seien verzweifelt, weil sie keine Wohnung im Stadtgebiet finden könnten und fühlten sich benachteiligt. Der Vorschlag, die Suche außerhalb Freisings fortzusetzen, werde "meist aus diversen Gründen abgelehnt und empört zurückgewiesen". Bezahlbaren Wohnraum gibt es nach Einschätzung Zellners jedoch nur noch in weit von Freising entfernten Bereichen "und vielfach ist dies dann mit dem Verlust des Arbeitsplatzes und des sozialen Umfelds verbunden".

Wenn man in Freising nicht "soziale Verwerfungen" wie anderswo erleben wolle, dürfe man sich jetzt nicht "wegducken" oder ausruhen, warnte SPD-Stadträtin Heidi Kammler. Sie nannte vor allem die Unterbringung der anerkannten Asylbewerber in den kommenden Jahren eine "Riesenaufgabe". Dabei könne es aber nicht angehen, dass die gesamte Last alleine auf der Stadt Freising liege "und die meisten anderen Gemeinden und der Landkreis machen gar nichts", mahnte Kollegin Rosi Eberhard (Grüne).

© SZ vom 15.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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