Landkreis Freising:Funkbrücken in jeden Winkel trotz Blackout

Lesezeit: 3 min

Von seiner Funkstation aus unter dem Dach hat Werner Hlawtschek Verbindung in die ganze Welt. (Foto: Marco Einfeldt)

Die Freisinger Funkamateure haben unter der Rubrik "Notversorgung in und für die Nachbarschaft" den Ernstfall geprobt. Bei Stromausfall können sie die Verbindungen zwischen Polizei, Ärzten, Feuerwehr, THW und den Behörden herstellen.

Von Matthias Vogel, Freising

Der Angriffskrieg Russlands in der Ukraine hat hierzulande auch die Sorge um die Stromversorgung geschürt. Ein Blackout könnte unter anderem die Kommunikation zu Hilfsorganisationen und den Menschen untereinander lahmlegen. Und deshalb haben die Freisinger Funkamateure kürzlich unter der Rubrik "Notversorgung in und für die Nachbarschaft" den Ernstfall geprobt. Das Ergebnis: Sollten alle Stricke reißen, könnten via Amateur-Funkbrücke aus nahezu jedem Winkel des Landkreises weiterhin Notrufe abgesetzt werden.

Ob durch das Kappen der Gasversorgung aus Russland und die damit verbundene Suche nach alternativen Energien oder gezielte Hacker-Angriffe aus Rache für deutsche Waffenlieferungen - die Stabilität des Stromnetzes wird durchaus als gefährdet betrachtet. Bei einem länger andauernden Stromausfall, einem Blackout, könnte auch das Behörden-Funksystem Tetra schlapp machen. Grund für die Freisinger Funkamateure, ihre Leistungsfähigkeit auf den Prüfstand zu stellen. "Immer dann, wenn es um Kommunikation geht, fühlen sich Funkamateure angesprochen", sagt Gerd Büttgen, Vorstand der Funkamateure. "Deshalb machen auch wir uns Gedanken darüber, wie wir im Notfall helfen können."

Bei der jüngsten Übung ging es darum, die Erreichbarkeit untereinander auszutesten

Bereits Anfang September hatten die Funker eine Übung auf einer Wiese bei Haag abgehalten, die weitab der öffentlichen Stromversorgung lag. Antennen wurden installiert, ein Notstromaggregat aufgebaut und eine Kurzwellenstation eingerichtet. So habe sich 24 Stunden ununterbrochen weltweiter Betrieb machen lassen, heißt es in einer Pressemitteilung des Ortsverbandes. Bei der jüngsten Übung ging es nun darum, die Erreichbarkeit der Mitglieder untereinander auszutesten. Unter normalen Umständen diene die Relaisstation "DB0TC" - ein von den Amateurfunkern finanzierter Umsetzer an einem Mast im Landkreis - als Vermittler zu den einzelnen Standorten, erläuterte Büttgen, "aber ohne Strom gibt es halt auch kein Relais." Bedingung für die Übung war, Funkverkehr mit möglichst geringer Leistung und ohne Netzbetrieb herzustellen. Die Station eines Mitgliedes war besonders gut hör- und erreichbar. Sie wird am Tag von einer kleinen Photovoltaik-Anlage und nachts von einer Lkw-Batterie gespeist. Rund um die Uhr ist somit eine stabile Funkverbindung möglich. "Welfare Traffic" nennen die Amateurfunker den Ersatz des Telefon- und Mobilfunknetzes durch Sprechfunk - klassische Nachbarschaftshilfe.

Sichtbarstes Zeichen, dass in einem Haus eine Amateurfunkstation ist: ein Antennenwald. (Foto: Marco Einfeldt)

"Das Gute ist, dass unsere 60 Mitglieder über den gesamten Landkreis verteilt sind. So könnten wirklich Notrufe aus allen Ecken über uns schnell abgesetzt werden", sagt Irmi Hlawatschek, Schriftführerin des Vereins. Im Ernstfall brauche es nur noch die entsprechende Verbindung zur Feuerwehr, dem Notarzt, dem Technischen Hilfswerk, den Behörden oder der Polizei. "Das ist eine Lücke, aber ich denke, darum wird sich noch unser Dachverband kümmern." Denkbar, so der Ortsvorsitzende, sei es auch, im Ernstfall die eigene Zentrale direkt bei der Feuerwehr einzurichten.

Zumindest in Deutschland gibt es Vorbehalte gegenüber den Amateurfunkern

Tatsächlich streben viele Städte und Landkreise in Deutschland gerade nach der Zusammenarbeit mit den Funkamateuren. Das sagt Oliver Schlag, Vorsitzender des Dachverbandes Deutsche Amateur-Radio-Club (DARC). "Ich bin aktuell eher zwei- als einmal pro Woche kreuz und quer in der Bundesrepublik unterwegs, um Behörden zu beraten. In den vergangenen acht Wochen sind die Anfragen förmlich explodiert."

Wenn Gerd Büttgen seinen Ausführungen nachschickt, man wolle wirklich nur helfen und keinesfalls als Besserwisser verstanden werden, kommt das nicht von ungefähr. Zumindest in Deutschland gibt es Vorbehalte gegenüber den Amateurfunkern. "Das ist wirklich so, aber keiner weiß so recht warum", sagt Oliver Schlag. "Ich denke, das liegt in der Vergangenheit begraben. Da sind wohl auf beiden Seiten, also bei uns genauso wie bei den Hilfsorganisationen und Rettungskräften, Fehler gemacht worden. Es kann auch gut sein, dass sich die Amateurfunker vor 30 Jahren ein bisschen zu wichtig genommen haben. Aber das ist lange her." Er beobachte gerade, dass sehr viele Leute über ihre Schatten springen würden, um das Verhältnis und die Zusammenarbeit zu verbessern. "Wir können Tetra, das Funknetz der Rettungskräfte, Feuerwehren und dem Technischen Hilfswerk nicht ersetzen, das steht außer Frage", sagt Schlag. "Aber wir können bei einem längerfristigen Stromausfall wichtige Orte wie Leitstellen, Krankenhäuser und Feuerwehrhäuser wieder miteinander verbinden."

Die Antenne auf dem Dach kann von unten in alle Richtungen gedreht werden. (Foto: Marco Einfeldt)

Im Amateurfunkgesetz werden die Hobbyfunker zwar nicht zur Hilfe im Not- oder Katastrophenfall verpflichtet. "Es ist eher eine Aufforderung, um deren Erfüllung wir gebeten werden", so Schlag. Zu wissen, wie das geschehen kann, ist dem Freisinger Ortsverband wichtig. "Am liebsten wäre uns aber, wenn der Ernstfall nie eintreten würde", betont Gerd Büttgen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: