Geräusche als Inspirationsquelle:Musik oder doch eher Kunst?

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Chris Siebler alias "Gringo417" sammelt Klänge und verarbeitet sie zu ungewöhnlichen, akustischen Kunstwerken. Sie zeugen von Heimatverbundenheit und Kosmopolitismus zugleich.

Von Anne Gerstenberg, Marzling

Für Chris Siebler, 20, alias "Gringo417" ist seine Umwelt eine einzige Inspirationsquelle. Alle Geräusche, Farben und visuellen Eindrücke abstrahiert er nach seinem ganz besonderen Geschmack zu Kunstwerken. Denn die Musik, die der Marzlinger produziert, ist ein Gesamtkunstwerk aus Klang, Inszenierung, Design und Vermarktung. Sie lässt sich keinem Genre zuordnen, sondern ist ein ausgefallenes Produkt seines speziellen Kunstempfindens.

Der ehemalige Camerloher-Schüler war schon immer sehr musikalisch, spielt Klavier und mehrere Blasinstrumente. In der achten Klasse begeisterte ihn ein Musiklehrer für die elektronische Musik. Weil er sich das teure Equipment zunächst nicht leisten konnte, bestellte er bei einem großen Musikanbieter immer wieder Synthesizer, mit denen er seine ersten Versuche startete, selbst elektronische Musik zu machen. Vor Ablauf der Rückgabefrist schickte er die Geräte dann wieder zurück. "Damals bin ich jeden Monat mit einem Riesen-Paket zur Post marschiert", erzählt er und lacht. Inzwischen hat er sich ein eigenes Studio zusammengespart und hat nun freie Hand. "Ich hatte schon immer Melodien, Texte und Refrains im Kopf, jetzt kann ich sie endlich in die Wirklichkeit umsetzen", sagt Chris Siebler.

Mit dem Flüchtling "Jimmy" hat er Dancehall-Lieder auf Senegalesisch aufgenommen

Er selbst betrachtet sich mehr als Künstler, Produzent und Repräsentant seiner Marke "Gringo417", denn als Musiker. "Gringo" ist Sieblers jahrelanger Spitzname, der aber auch für das Fremde und die Offenheit für alle Kulturen in seiner Musik stehen soll. Die Ziffern 417 dienen sozusagen zur Identifikation der Marke, es sind die letzten drei Zahlen der Marzlinger Postleitzahl. Seine Ideen und besondere Klänge aus der Umwelt hält Chris Siebler in seinem Notizbuch und mit einem Mikrofon fest, beides hat er immer bei sich. "Das ist wie eine Sucht", sagt er.

An der Musik fasziniert ihn ihre verbindende Kraft. Derzeit arbeitet er mit mehreren jungen, musikalisch talentierten Menschen zusammen. Er will ihr Potenzial zum Vorschein bringen und sie als Künstler etablieren. Gemeinsam mit dem Flüchtling Mohammed alias "Jimmy" hat er einige Dancehall-Lieder in dessen senegalesischer Muttersprache aufgenommen. Bereits seit einigen Jahren arbeitet Siebler mit der Münchner Sängerin Sophie zusammen. Seine neueste Partnerin Fulya hat er bei einer Mitfahrgelegenheit kennengelernt.

Mit ihr hat er den Track "Highway" aufgenommen. Darin verarbeitet er die Fernbeziehung zu seiner ersten großen Liebe. Der Text "Me and my boyfriend down on the highway, he says: bae, i'll take you to LA" erzählt von seinen zahlreichen Autofahrten zu ihr. LA steht dabei für Landshut, da seine Freundin in der Nähe der Stadt lebte. Sieblers sieht in seiner Musik ein Spannungsspiel zwischen Heimatverbundenheit und Kosmopolitismus. Nach seinem Fachabitur will der junge Künstler deswegen um die Welt reisen und dabei natürlich neue Klänge und Inspirationen sammeln.

© SZ vom 23.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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