Von perfekter Harmonie bis zum Streit:"Der Tanz ist intimer als andere Sportarten"

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Jonathan Bartek unterrichtet in seiner Tanzschule in Lerchenfeld vor allem Gesellschaftstänze. Dabei hatte er selber ursprünglich einmal Hip Hop lernen wollen, weil das seiner Mutter damals so gut gefiel. (Foto: Marco Einfeldt)

Tanzlehrer Jonathan Bartek bringt Männern, die zu forsch mit der Partnerin tanzen, den gebührenden Respekt bei. Für ihn ist dieser Sport auch ein Ausdruck der Persönlichkeit.

Interview Von Clara Lipkowski, Freising

Zum Tanzen kam Jonathan Bartek über ein Missverständnis. Eigentlich wollte er Hip Hop lernen - das fand seine Mutter gut. Und vermittelte ihm eine Tanzpartnerin. Eine Partnerin beim Hip Hop eignet sich aber wohl eher zum "battlen". Also wurde aus Hip Hop erst einmal nichts, dafür nahm Bartek Unterricht in Gesellschaftstanz. Knapp 20 Jahre ist das her. In seiner eigenen Tanzschule "TWS Move" in Lerchenfeld unterrichtet er inzwischen vor allem Gesellschaftstänze. Am liebsten tanzt er mit seiner Frau West Coast Swing. Sein Faible für Hip Hop hat er aber nicht verloren und sich längst zum Fachtanzlehrer in diesem Stil ausbilden lassen.

SZ: Herr Bartek, kann jeder Mensch tanzen lernen, auch ohne Rhythmusgefühl?

Jonathan Bartek: Ja. Davon gehen wir fest aus. Es gibt eine Untersuchung, die hat herausgefunden, dass nur drei Prozent der Menschheit kein musikalisches Gehör haben. Fehlendes Taktgefühl hat demnach häufig mehr mit Überforderung zu tun. Als Tänzer muss man im Prinzip gucken, wo lege ich den Schwerpunkt: Ich lerne gerade Schritte, die muss ich parallel auf Musik vertanzen, ich muss meine Partnerin führen, gucken, dass sie gut aussieht und dann: Wie sieht der Raum aus? Ich darf sie nicht irgendwo gegen rammen. Aber das entwickelt sich nach und nach.

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Von Clara Lipkowski

Haben Sie in den Kursen noch den klassischen Damenüberschuss?

Das kann man so nicht sagen. Meistens melden sich die Leute paarweise an. Es gibt auch Schülerkurse, wo wir zu viele Jungs haben. Früher hat man das so pauschal gesagt, die Frauen tanzen und die Männer wollen nicht, heute ist das glücklicherweise nicht mehr so extrem. Heute sagen auch die Männer: Schatz, lass uns heute Abend tanzen gehen!

Wie erklären Sie das?

Ein Grund dafür ist sicherlich der angepasste und entspannte Unterricht. Uns geht es darum, dass sich die Paare und vor allem die Männer wohlfühlen und nicht überfordert werden.

Was ist aus Ihrer Sicht schwierig am Unterrichten?

Unser Unterricht besteht aus viel mehr als nur Tanzschritten, das Konzept muss stimmen. Manchmal kommen Paare extra für Trendtänze wie West Coast Swing. Manchmal fehlt aber noch die tänzerische Bandbreite. Dann geht es viel um Führen, Folgen und Spüren, wie sich der Partner bewegt.

Was genau ist denn West Coast Swing?

Das ist ein Tanz aus Amerika, der schon in den Fünfzigerjahren sehr populär war. Discofox zum Beispiel wird ganz klar auf Discomusik getanzt, West Coast Swing ist deutlich vielseitiger. Er wird zu gemütlicher R'n'B-Musik getanzt, zu Jazz, Swing oder Rock. Und man hat keinen festen Partner. Das ist auch der Reiz, man muss ihn mit jeder Dame tanzen können. Auf Turnieren wird der Partner ausgelost.

Was ist außerdem "in" bei Ihren Tänzern?

Hip Hop ist mittlerweile wieder stark nachgefragt, auch bei Erwachsenen. Dafür machen wir jedes Jahr ein großes Dance Camp. Damit setzen wir uns auch dafür ein, Kinder von der Straße zu holen.

Gibt es bei Ihnen denn Schüler aus schwierigen Verhältnissen?

Ja. Deswegen vergeben wir jedes Jahr zehn kostenlose Kurs-Plätze und das wird gut angenommen. Das sind teilweise Kinder, die keine Eltern mehr haben, die nicht mehr zu Hause wohnen. Auf die Plätze kann man sich ohne Altersbegrenzung bewerben, aber die Erfahrung hat gezeigt, dass es meist Jugendliche sind, zwischen neun und 15 Jahren.

Was erfahren Sie über die Menschen, wenn Sie unterrichten?

Sehr viel, Tanzen ist auch ein Ausdruck der Persönlichkeit. Das ist spannend zu beobachten. Als Lehrer muss man mit verschiedenen Lerntypen umgehen können. Es gibt die, die wollen gerne gucken, schauen sich die Bewegungen an, tanzen sie nach. Andere gehen eher über das Hören, wenn man es ihnen erklärt - und es gibt solche, die müssen das fühlen, mit denen tanzt man dann halt. Das ist unsere Aufgabe, das herauszufinden und darauf einzugehen.

Manche Tänzer mögen beim Gesellschaftstanz zwar die Bewegungen, aber nicht, dem anderen zu nah zu kommen.

Ja. Gerade Paare, die sich über die Tanzpartnerbörse kennengelernt haben. Deswegen greifen wir im Unterricht die Frage des Respekts auf. Zum Beispiel, dass man sich gegenseitig Feedback gibt und der Mann der Dame Abstand zugesteht, wenn sie das möchte.

Greifen denn viele Männer beherzt zu?

Natürlich kommt so was vor, aber es ist nicht die Regel. Es gibt Männer, die sind das so gewohnt, die sind mehr die "Drücker". Deshalb ist die "Einladung" zum Tanz, also der Tanzstart, auch ein zentrales Thema im Grundkurs. Männer lernen, sich geschickt mit ihrer Dame vertraut zu machen. Frauen schulen wir aber auch zu kommunizieren, wenn sie Abstand brauchen.

Tanzen ist ein sehr emotionales Hobb y?

Auf jeden Fall. Es ist das einzige Hobby, dass man zu zweit - miteinander - ausführt und nicht gegeneinander, wie Tennis zum Beispiel. Man kriegt als Lehrer schon viel mit, von der absoluten Harmonie bis zum Streit. Manchmal fühlt man sich als Tanzlehrer dann ein bisschen wie ein Paartherapeut. In diesen Extremen ist es aber eher selten. Durch die Berührung ist der Tanz intimer als andere Sportarten.

Bereiten Sie sich auf Ihren Unterricht eigentlich noch vor?

Die Schritte und Figuren sind intus. Aber das Konzept des Unterrichts reflektieren wir regelmäßig, auch in wöchentlichen Unterrichtsbesprechungen. Vorbereiten geht nur bedingt, je nach Menschen und Stimmung passen wir den Unterricht an. Man muss flexibel und spontan sein.

© SZ vom 11.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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