Au:Abschied vom Bachwirt

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Das Gasthaus in einem der wohl ältesten Gebäude in der Marktgemeinde wird abgerissen und durch ein Wohnhaus mit neun Parteien ersetzt. Wahrscheinlich stammt es aus der Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg. Im Ballsaal wurden früher die Nächte durchgefeiert

Von Peter Becker, Au

Die Tage des Auer Bachwirts an der Färbergasse sind gezählt. Es ist wohl eines des ältesten Gebäude in der Marktgemeinde, wie der ehemalige Bürgermeister von Au, Adolf Widmann, schätzt. Widmann vermutet, dass hier, in der Umgebung von Schloss und Kirche die Ursprünge der Holledauer Gemeinde liegen. Doch an diesem Montag, 15. Februar, beginnen die Abbrucharbeiten. Das Wirtshaus wird abgerissen und durch ein Wohnhaus mit neun Parteien ersetzt. Das hat der Marktgemeinderat in einer der letzten Sitzungen des vergangenen Jahres beschlossen.

Im vergangenen Jahr hat die Schlossbrauerei 425-jähriges Bestehen gefeiert. Erster Brauer war ein gewisser Schwaiger, der von Nandlstadt nach Au übergesiedelt war. Doch schon vor dessen Eintreffen floss in der Marktgemeinde eigenes Bier. Die Chronik verweist auf das "Bräuhaus am Bach". Das fiel im Laufe der Zeit in der Gunst der Bevölkerung hinter den Gerstensaft der Schlossbrauerei zurück. 1632, Mitten im Dreißigjährigen Krieg, brannte es teilweise ab. Das Brauen wurde eingestellt.

Offenbar zu Ungunsten der Bevölkerung. Widmann verweist auf den Reichertshausener Pfarrer Prechtl. Dieser hatte herausgefunden, dass der damalige Schlossherr, ein Freiherr von Fraunhofen, 1663 verklagt wurde, weil "er nur auf seinem Hofbräuhause und nicht zugleich im alten Bräuhause am Bach Bier sieden lasse, wodurch der gemeine Mann in seinem Trunke stark beeinträchtigt werde". Bier war seinerzeit das Hauptgetränk, weil das pure Wasser oft nicht genießbar war. Das Bier aus dem Schlossbräu schien dem gemeinen Volk zu teuer. Der Schlossherr konterte den Vorwurf mit dem Einwand, "dass der Bachbräu nur schlechtes Bier gemacht hat". Dieses habe sich nur schlecht verkauft, weshalb der Bachbräu das Brauen eingestellt habe. Fortan bezog der Bachwirt sein Bier ebenfalls vom Schloss.

So wie sich das Haus heute präsentiert, stammt es wohl aus der Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg. Laut einer Urkunde, wie Widmann anmerkt, befand sich dort eine Metzgerei. Um 1860 ist beim Bachwirt von einer "Tafernwirtschaft" die Rede. Darunter ist ein Gasthaus mit Speisen und Beherbergungspflicht zu verstehen. Zum Anwesen gehörten knapp drei Hektar Grund, auf dem Hopfen angepflanzt war. Im Jahr 1909 übernahm Josef Westermair aus Reichertshausen die Wirtschaft und steigerte den Grundbesitz auf 4,4 Hektar.

Ein Eintrag im Auer Grundbuch beschreibt das Anwesen folgendermaßen: "Wohnhaus mit Futter- und Bierkeller, Wirtschaftslokalität, zwei Hopfendarren, Remise, Stallung und Durchfahrt und Hopfenboden, Abort und Hofraum."

Herzstück der Wirtschaft war mit Sicherheit der Ballsaal im ersten Stock. Ältere Auer werden sich gerne an manch durchfeierte Nacht dort erinnern. Nach dem Zweiten Weltkrieg stand er laut Widmann im Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens in der Holledauer Marktgemeinde. Die Kolpingsfamilie bot Jahr für Jahr auf einer eigens für sie errichteten Bühne ein unterhaltsames Theaterstück. Nachdem die Säle in der Bahnhofsgaststätte und dem Schwaigerwirt geschlossen worden waren, schildert Widmann, sei der Saal beim Bachwirt vollends zur Hochburg des Auer Faschings aufgestiegen.

Der ehemalige Auer Bürgermeister hat noch jetzt die Geräusche der knarzenden Stiegen ins Obergeschoss im Ohr. Diese weckten Erinnerungen an die Bar, die sich in einem Nebenraum befand, an rauschende Ballnächte und feuchtfröhliche Gelage. Aus und vorbei: Widmann bedauert, dass die Faschingsbälle mit der Zeit immer öfter in Hallen der Gemeinde stattfanden und der Bachwirt zu einer reinen Wirtschaft wurde, in der sich Leute auf ein Glas Bier zusammensetzten. Um das Jahr 2000 stellte der Bachwirt seinen Betrieb ein.

Der Auer Bürgermeister Karl Ecker erinnert sich ebenfalls an manch fröhliches Treiben im Bachwirt-Saal. "1984 hab ich ja das mit dem Ball gehen angefangen", erzählt er. Wenngleich in seiner Erinnerung der beim Bahnhofswirt schöner war. Ecker hatte damals schon den Eindruck, dass der Bachwirt "total veraltet" sei. Dennoch sind ihm das alte Sofa in der Bar und die bisweilen überschwemmten Toiletten lebhaft im Gedächtnis geblieben.

Widmann erinnert an Generationen von Wirten, die im Bachwirt das Regiment führten. "Über 100 Jahr lang war die Familie Westermair eine solide Wirtsfamilie", stellt er fest. Am Ende von deren Ära führten zwei Frauen die Geschäfte: Burgl und Kathl. Die eine war laut Widmann die Frau, die andere die Schwester des verstorbenen Josef Westermair. Unter der Regie der beiden Frauen erlebte der Bachwirt seine beste Zeit. Insbesondere Kathl heiterte die Gäste mit ihrem Humor auf. Noch sind in der Marktgemeinde Geschichten im Schwange, wie sich die Kathl und ihr Stammgast "Stixn Michi" gegenseitig Streiche spielten. Kathl, die laut Widmann mit vollem Namen Katharina Detsch hieß, starb im Jahr 2001 im Alter von 88 Jahren.

© SZ vom 15.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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