Artenvielfalt:Wissen konservieren

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Symbolbild: Der Freisinger Student Boas Emanuel Steffani findet Artenkenntnis wichtig. (Foto: Renate Schmidt)

Der Freisinger Student Boas Emanuel Steffani hat das "Netzwerk Artenkenntnis" gegründet und ist dafür von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt ausgezeichnet worden.

Von Mark Geiger, Freising

Kenntnis der verschiedenen Arten ist unerlässlich, wenn Studenten sich wissenschaftlich mit Tieren und Pflanzen beschäftigen. Doch die Zukunft sehe da leider nicht sehr rosig aus, bedauert der Freisinger Student Boas Emanuel Steffani, der selbst im Wissenschaftszentrum Weihenstephan studiert. Die Zahl der Artenexperten sinke. Mit seinem "Netzwerk Artenkenntnis" will Steffani diese Entwicklung aufhalten. Im Juni 2017 wurde das Projekt beim"Jugendkongress Biodiversität" von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) zur Förderung für ein Jahr ausgewählt.

Steffani sammelte eine kleine Gruppe junger Leute um sich, hauptsächlich Studenten, um eine Internetseite zu schaffen, die Experten und Lernwillige zusammen bringen soll. "Artenkenntnis ist wichtig, um die komplexe Natur zu verstehen. Selbst in Deutschland kann man noch neue Arten kleiner Tiere entdecken", erklärt Steffani. Dann spricht er über das große Problem: "Der Altersdurchschnitt vieler Artenkenner ist hoch, zumindest gefühlt". Auf dem Kongress traf er zwar viele junge Menschen mit großem Interesse, doch "ihnen fehlt oft der Zugang zu den Experten."

Einerseits sei es vielen Studenten zu ermüdend, die kleinteiligen Merkmale bestimmter Tierarten zu erforschen. "Verständlich im jungen Alter, wenn man gerade den Bachelor macht", gibt Steffani zu. "Andererseits aber", moniert der 27-Jährige, "vernachlässigen viele Universitäten ihren Bildungsauftrag". Kurse zur Artenkenntnis seien manchmal zu wenige vorhanden, oft zu allgemein gehalten - oder zu einseitig: "Besonders unter den Ornithologen (Vogelkundler) gibt es Jugendliche mit enormen Wissen. Für kompliziertere Arten aber, wie Insekten, existiert häufig kein gesonderter Kurs", seufzt Steffani.

Spezialkurse zu einzelnen Tierarten fehlen

Dieser Mangel an Spezialkursen stößt ihm sauer auf. Ein Blick in den Landkreis verrät: Die Hochschule Weihenstephan-Triersdorf bietet für den Studiengang Landschaftsplanung umfangreiche Kurse zu Vegetation sowie Zoologie an und verspricht, dass die "Artenkenntnis und die Kenntnis ihrer indikatorischen Bedeutung erheblich ausgebaut" wird. Doch Spezialkurse zu einzelnen Tierarten finden sich auf Anhieb nicht. Dasselbe gilt für die Technische Universität in Weihenstephan. Dabei liege es nicht an den Lehrkräften, denn "die wissenschaftlichen Mitarbeiter wissen um das Problem," verteidigt Steffani die Dozenten: "Die Wechselwirkung zwischen den Verwaltungen ist Schuld." Die Universitäten fordern Geld von den Ministerien, um Personal anzustellen, doch die verlangen zuerst den Nachweis über den Bedarf. "So geht das hin und her", sagt der Freisinger Student.

Mit dem Projekt wollte Steffani die Kommunikation zwischen erfahrenen Experten und jungen Leuten erleichtern. Geplant war eine Internetseite mit Datenbank. Suchende hätten nach Tier- oder Pflanzenarten filtern und dann die Kontaktdaten eines registrierten Experten sehen sollen. Doch die Gruppe stieß auf Hindernisse, die das Projekt in weite Ferne rückten: Zeit und Geld. "Ich habe erfahren, dass so eine Seite um die 50 000 Euro kostet. Das ist zu viel für uns", sagt Steffani. Von der DBU erhielt er 1320 Euro auf ein Jahr. Die nutzte er für einen Ausweg und entwickelte eine Umfrage: "Wir wollten herausfinden, ob wirklich ein Interesse an diesem Projekt besteht." Die Rückmeldung war ermutigend: Etwa 400 Artenkenner und ungefähr 400 Interessierte nahmen teil. Vielen gefiel die Idee, manche gaben gute Ratschläge und nur wenige sahen keine Notwendigkeit. Steffani betont, dass die Umfrage "natürlich nicht repräsentativ" zu verstehen sei, "aber sie war ein Vorstoß, um mal eine Meinung zu erhalten."

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Jetzt hofft er, dass seine Gruppe im nächsten Jahr, unterstützt von einigen Wissenschaftlern, das Projekt wieder aufnehmen kann - doch das erfordert viel Geld: "Forscher haben mir geraten, dass ich eine richtige Förderung beantragen soll und in diesem Fall mindestens 100 000 Euro für drei Jahre bräuchte." Doch Steffani weiß, dass Aufwand und Kosten für Studenten und Ehrenamtliche langfristig zu hoch sind: "Eigentlich wäre so ein Netzwerk ja die Aufgabe des Umweltministeriums."

Am Nutzen seines Projektes zweifelt Steffani nicht. "Für manche Unterarten, vor allem der Insekten, gibt es tatsächlich nur noch wenige Experten, manchmal sogar nur einen und der ist oft alt", warnt Steffani: "Wenn diese Menschen ihr Wissen nicht weitergeben können, ist die wichtige Erfahrung verloren." Das wäre ein herber Rückschlag für die Wissenschaft, denn der Freisinger Student ist überzeugt, dass die Maschinen nicht die Erfahrung eines versierten Artenkenners ersetzen können. Zu komplex seien die Natur und ihre Merkmale. Die Notwendigkeit solcher Experten im Naturschutz beweist zudem das große Bienen- und Insektensterben ausführlich.

© SZ vom 05.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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