SZ-Adventskalender:Wenn der Lohn nicht reicht

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Gerne würde Markus Kröger in seine Wohnung investieren und die Wände streichen. Dafür reicht sein Verdienst aber nicht. Der SZ-Adventskalender möchte ihn unterstützen

Von Katharina Aurich, Freising

Die allermeiste Zeit in seinem Leben hat der 54-jährige Markus Kröger (Name v.d. Red. geändert) gearbeitet. Dennoch reichte sein Verdienst immer nur für das Nötigste. Heute arbeitet er als Springer im Kraftwerk Zolling und verdient zwischen 800 und 1200 Euro. Glücklicherweise bekam er vor einigen Jahren eine Sozialwohnung von der Gemeinde im nördlichen Landkreis zugeteilt, in der er seit 25 Jahren lebt. Sie kostet samt Strom und Wassergebühren etwa 400 Euro im Monat, dazu kommen allerdings noch die Kosten für das Holz, mit dem er seinen Ofen im Winter befeuert. Wenn am Monatsende etwas übrig bleibe, dann spare er dafür, dass er es im Winter warm habe.

Gerne würde Kröger ein wenig in seine Wohnung investieren und die Wände neu streichen. Aber für solche Ausgaben reicht sein Verdienst nicht aus. "Ich bin zufrieden, habe alles, was ich brauche", sagt er bescheiden. Wie so viele Menschen aus den Neuen Bundesländern hat auch Kröger 1990 seine Heimat Sachsen verlassen und zog mit Schwester und Schwager in eine Doppelhaushälfte in ein Dorf im Landkreis Freising. Alle drei hofften auf einen Neuanfang und ein besseres Leben.

Viele Erwerbstätige, die von ihrem Lohn kaum leben können, verzichten aus Scham auf Unterstützung. (Foto: Alexandra Schellnegger)

"Jobs gab es nach der Wende ja bei uns in Sachsen nicht mehr", erinnert sich Kröger. Er hatte den Beruf des "Walzwerkers" gelernt, wie so viele junge Männer in seinem Heimatort Oschatz. Denn Arbeit gab es damals genug im großen Walzwerk in Riesa. Jahrelang stand der junge Mann am Ofen, aus dem das über 1000 Grad heiße Metall zur Verarbeitung floss. Danach arbeitete er bis zur Wende in einem Reifenwerk.

Nach der Wiedervereinigung schlossen die Industriebetriebe und viele Menschen suchten ihr Glück im "Westen". Aber Krögers Schwester und Schwager sind schon lange wieder zurück nach Sachsen gezogen. Sie hatten ihn finanziell unterstützt und ihm ein Teil der Wohnungseinrichtung überlassen. Natürlich konnte sich Kröger die Doppelhaushälfte alleine nicht mehr leisten und zog in die Wohnung der Gemeinde. Arbeit bekam er immer wieder über Zeitarbeitsfirmen vermittelt, bei MAN, bei Siemens oder Linde - für anfangs fünf Euro Stundenlohn. Im Laufe der Jahre kletterte der auf acht oder neun Euro, erinnert sich Kröger. Immer wieder war er kurze Zeit arbeitslos. Da er keinen Führerschein habe, sei es immer schwierig gewesen, einen Job zu finden. Für eine neue Ausbildung fühlte er sich zu alt, den Führerschein zu machen, dazu fehlten ihm die finanziellen Mittel. Daher sei er nun sehr froh, dass ihm ein Freund vor einem Jahr den Job im Kraftwerk vermittelt habe, wo er zumindest als Teilzeitkraft beschäftigt sei. Ein Kollege nimmt ihn mit dem Auto zur Arbeit mit, auch zum Einkaufen fahren sie gemeinsam in den Supermarkt.

Kröger war nie verheiratet, hat keine Kinder und teilt seine Wohnung mit seinem Kater. Nach Sachsen ist er nie wieder gefahren. In seiner Freizeit schaut er Fernsehen oder radelt zum Baden zum nahe gelegenen Weiher. Verreist sei er noch nie, erzählt er, Hobbies habe er auch keine. "Es passt, so wie es ist", stellt er fest. An Weihnachten wird er mit seinen Freunden zusammen sitzen und ein bisschen feiern.

Für Bernhard Reiml, Geschäftsführer des Jobcenters in Freising, ist die Lage von Kröger kein Einzelschicksal. Beim Jobcenter sind im Moment 450 Erwerbstätige als sogenannte "Ergänzer" gemeldet, die zu ihrem Verdienst zusätzliche Leistungen zum Lebensunterhalt beziehen. Ihre Anzahl ist seit Jahren ungefähr gleich geblieben. Wer Vollzeit arbeite und den Mindestlohn von 8,50 Euro erhalte, verdiene 1200 Euro netto, davon könne im Landkreis keine Familie leben, weiß Reiml. Deshalb müssten sich Ehefrauen zum Beispiel einen Putzjob suchen und die Kinder Zeitungen austragen, damit die Familie über die Runden komme.

Nicht jeder, der berechtigt wäre, beziehe tatsächlich Leistungen, sondern viele verzichteten aus Scham auf eine Antragstellung. "Wie hoch die Dunkelziffer ist, kann niemand sagen", so Reiml.

© SZ vom 19.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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