Abseits-Rettung:Tag der Entscheidung

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Kulturschaffende und Szenekenner in Freising fürchten um die künstlerische Vielfalt der Stadt. Der Stadtrat entscheidet am Donnerstag, 1. Dezember, ob und in welcher Form die Kommune zum Erhalt der Kneipe "Abseits" beiträgt.

Von Clara Lipkowski, Freising

Wird das "Abseits" gerettet oder nicht? Seit die Neustifter Kneipe und Kleinkunstbühne Ende 2015 geschlossen wurde, steht ihre Zukunft auf der Kippe. An diesem Donnerstag, 1. Dezember, muss der Stadtrat entscheiden, ob und wie weit die Stadt zur Rettung beitragen kann und will. Unter den Freisinger Szenekennern herrscht eine klare Meinung: Das "Abseits" hatte eine Ausnahmestellung in der Freisinger Kulturlandschaft.

Fritz Andresen, Sozialpädagoge bei der Stadtjugendpflege, schätzte das Abseits als Ort, an dem sich junge Menschen jenseits von Mainstream-Angeboten treffen und Meinungen bilden konnten. "Ich war als junger Mensch sehr oft dort. Auch jenseits der 50 bin ich noch gerne hingegangen, weil immer wieder interessante Gespräche entstanden." Die Existenz kleiner und alternativer Bühnen sei enorm wichtig, findet er, auch für die Fortentwicklung einer Gesellschaft. "Man denke an die Umweltbewegung. Sie ist auch aus einem kleinen Haufen Alternativer entstanden."

Stimmen vom Marktplatz
:Braucht Freising das Abseits?

Viele Freisinger kennen die Kneipe, einige haben sich für die SZ dazu positioniert, ob sie diese erhaltenswert finden. Am 1. Dezember entscheidet nun der Stadtrat, ob die Kommune sich am Rettungsversuch beteiligt.

Von Clara Lipowski und Simon Bauer

Der Freisinger Kulturschaffende Michi Kasper hält es nicht für möglich, dass das Abseits in seiner alten Form aufersteht. "Wenn das Haus abgerissen werden muss und ein neues Abseits gebaut wird, wird es nicht mehr das sein, was es einmal war. Es heißt dann vielleicht noch so. Aber so etwas gibt es nicht noch einmal. Das war einzigartig und grandios."

"Dass es zu wenig Subkultur in Freising gibt, ist eh klar"

Dass die Stadt Freising oder der Steuerzahler zu einem gewissen Grad in die Bresche springt, fände Kasper "okay". Allerdings nicht um jeden Preis: "Zu 100 Prozent dafür aufzukommen, finde ich gewagt. Das wichtigste ist, dass der Spirit des Vereins lebt. Dann findet er auch woanders seinen Platz. Und dass es zu wenig Subkultur in Freising gibt, ist eh klar."

Eike Berg wünscht sich, dass sich die Vielfalt in Freisinger Kulturinstitutionen vermehrt anstatt zu schrumpfen. Der Leiter des Künstlerhauses Schafhof sagt: "Ich war zwar selbst nie da, wir arbeiten aber viel mit internationalen Gastkünstlern, die es immer sehr geschätzt haben. Weil es ein optimaler Ort für alternative Kunst war, um sich auszuprobieren und herumzuexperimentieren auch bis in die späte Nacht." Zur Not müsste das Abseits woanders hin, entscheidend sei die Initiative dahinter. Den Lindenkeller sieht er nicht als Alternative: "Der Ort kann die Funktion eines alternativen Kulturraums wie im Abseits nicht ersetzen, eher als städtische Einrichtung fungieren", die noch Potenzial hätte: "Der Keller und die Veranstaltungen sind okay, über der Erde ist aber viel zu wenig los." In der Abseits-Frage sieht Berg die Stadt im Zwiespalt: "Der Gedanke, dass sie das Gebäude kauft, ist interessant, aber dann stellt sich die Frage: Wenn sie es da macht, warum dann nicht woanders auch?"

Wenn die Stadt das Gebäude kauft, hat sie einen Gegenwert, sagt Irmgard Koch

Dieses Problem sieht auch Odilo Zapf, stellvertretender Leiter der Musikschule Freising und selber Mitglied im Abseits-Verein. Statt auf die Stadt zu setzen, sollten die Initiatoren selbst im wahrsten Sinne des Wortes neue Räume für Kultur schaffen, findet er.

Irmgard Koch, Vorsitzende des Kulturvereins Modern Studio, fände es gut, wenn die Stadt das Gebäude kaufen würde: "Dann hätte sie einen Gegenwert, ganz egal was passiert." Verschwände das Abseits, wäre das in ihren Augen ein Jammer. Nicht nur wegen des alten Gebäudes - man könne doch nicht alles, was kaputt ist, wegwerfen - sondern auch wegen der Institution an sich: "Wir haben dort als Verein viele Lesungen gehabt, nicht nur mit den jungen Leuten von ,Weiter im Text'. Die Friederike Mayröcker, Jahrgang 1924, beispielsweise war auch dort, und es war eine ganz tolle Atmosphäre. Es hatte viel mehr mit der Identität unseres Vereins zu tun, als etwa die Veranstaltungen in der Stadtbibliothek oder im alten JUZ, die ja ihre ganz eigene Atmosphäre haben." Außerdem, so Koch, "hat meine Tochter Eva dort sozusagen eine Zeit lang gewohnt, so oft wie sie da war. Es war eben wirklich etwas für die jungen Leute".

© SZ vom 01.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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