Freimann:Zu laut fürs Wohnen

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Aus der Traum vom lebendigen Quartier: Der Investor plant auf dem Innovations-Campus neben der Lokhalle in Freimann nur Gewerbebauten

Von Stefan Mühleisen, Freimann

Die Hoffnung vieler Bürger und der Politiker im Stadtbezirk Schwabing-Freimann auf zumindest ein wenig urbane Stadtgestaltung für das Gelände des ehemaligen Bundesbahn-Ausbesserungswerks an der Lilienthalallee hat erneut einen Dämpfer erhalten. Die knapp vier Hektar große Brachfläche südlich der großen Lokhalle wird wohl zum reinen Gewerbeareal entwickelt, wie der Münchner Niederlassungsleiter des Grundstückseigentümers und Projektentwicklers CA Immo Deutschland GmbH, Tobias Jauch, jetzt durchblicken ließ. Grundsätzlich sei das Interesse da, städtisches Flair auch beim Projekt "Campus für Innovation und Forschung" zu etablieren. "Aber bei diesem Standort bin ich sehr skeptisch. Es geht wegen der vorgeschriebenen Lärmwerte nicht", sagte Jauch in der Sitzung des Bezirksausschusses (BA).

Damit zeichnet sich ab, dass ein im Stadtviertel schon sehr lange gehegter Traum wohl bald endgültig platzen wird: Es ist die Idee, dieses Gebiet um die riesigen Industriebauten zu einem lebendigen Quartier mit Wohnungen und Läden umzugestalten, ausformuliert in dem von Bürgern mitkonzipierten Strategiepapier "Perspektive Freimann". Lokalpolitiker und Bevölkerung sind sich einig: Es wäre ein großer Gewinn, auf der Industriefläche, auf der einst die Krupp-Werke standen, später Reichsbahn und Deutsche Bahn ihre Züge richteten, ein neues Stück Stadt mit einer Mischung aus Wohnen und Arbeiten zu errichten - und nicht ein reines Gewerbegebiet. Doch so wird es wohl kommen.

Umstrittene Blöcke: Lokalpolitiker missbilligen, dass der Investor keine Wohnungen bauen will - und kritisieren überdies den Architektenentwurf als "öde". (Foto: Eller + Eller Architekten/Moka Studio)

Planungsrechtlich ist die ehemalige Bahnfläche in zwei Teile gespalten: Für die riesige Lokhalle fanden sich die Bauhaus-Kette und die Dünkel-Unternehmensgruppe zusammen; in den Nordteil des denkmalgeschützten Bauwerks ist ein Baumarkt eingezogen, der Südteil wird zum Auto-Event-Ensemble "Motorworld" samt Hotel umgestaltet. Bleibt noch südlich angrenzend das 36 500 Quadratmeter große, sichelförmige Segment, für das die CA Immo den Arbeitstitel "Campus für Innovation und Forschung" führt.

Zunächst war die Rede davon, dort einen speziellen Gewerbepark für die Autoindustrie hochzuziehen, eine Art Hotspot der Branche in direkter Nachbarschaft zu "Motorworld" und BMW-Niederlassung. Eine zumindest teilweise Wohnnutzung wurde nicht ausgeschlossen - doch nun signalisiert die CA Immo, ein reines Gewerbegebiet im Sinn zu haben. Als "Nutzungsart" für das Areal ist im zugehörigen Dossier nur Gewerbe aufgeführt: Büro- und Dienstleistungsnutzung, Kreativ- und Medienbranche, Werkstätte, Showrooms, Labore, Forschungseinrichtungen. Vom angepeilten Auto-Hotspot ist nur die Formulierung "gegebenenfalls Synergieeffekte mit den Standorten der Automobil- und Mobilitätsbranche im Umfeld" übrig. Wohnungen kann sich die CA Immo dagegen derzeit nicht vorstellen. "Es geht aus Schallgründen nicht", betonte Firmenvertreter Tobias Jauch. "Das Gebiet hat einen industriellen Charakter. Und vor allem nachts können mit den angrenzenden Veranstaltungshallen Zenith und Kesselhaus die Lärmschutzgrenzen nicht eingehalten werden."

Helle Halle: Nach Vorstellung der Planer soll das erste Gebäude ein lichtes Atrium erhalten, das teils öffentlich zugänglich ist. (Foto: Eller + Eller Architekten/Moka Studio)

Die CA Immo will vier Gebäude auf dem Areal realisieren, die auf insgesamt 50 000 Quadratmetern Geschossfläche Platz für gut 2500 Arbeitsplätze bieten. 2019, so kündigte Jauch an, sollen die Bauarbeiten für das erste Haus anlaufen. Dafür wurde ein Architektenwettbewerb abgehalten, aus dem das Düsseldorfer Büro Eller + Eller Architekten als Sieger hervorging. Gemäß den Entwürfen soll in dem bis zu siebengeschossigen Gebäude ein lichtes Atrium entstehen, das teils öffentlich zugänglich sein soll; im Außenbereich ist ein kleiner Quartiersplatz vorgesehen. Die Konzepte der zweitplatzierten Büros 3XN (Kopenhagen) und AllesWirdGut (Wien) könnten bei den Nachfolge-Bauten Verwendung finden, kündigte Jauch an.

Bei den Politikern im Viertel lösten die Ausführungen enttäuschte und auch grimmige Reaktionen aus. "Die Fassadengestaltung ist an Banalität nicht zu überbieten", kommentierte SPD-Planungssprecherin Petra Piloty die Pläne. "Öde und langweilig" sei die Gestaltung. Ekkehard Pascoe (Grüne) fragte sarkastisch: "Das Projekt heißt ,Innovations-Campus' und sieht so aus?" Auf allseitiges Unverständnis stieß zudem das Argument, es seien keine Wohnungen wegen Lärmvorgaben möglich. Mit geschickter Anordnung sei dies sehr wohl in den Griff zu bekommen, hieß es.

Ferner meldeten sich mehrere Gremiumsmitglieder und auch ein Bürger zu Wort, um auf ein Konzept für den Verkehr zu dringen. Die Lilienthalallee mit den Messe- und Veranstaltungshallen sowie Gewerbebetrieben gilt schon jetzt als völlig überlastet; der Bauherr, so die schon oft vorgetragene Forderung, solle ein schlüssiges Mobilitätskonzept vorlegen und vor allem eine Erschließungsstraße nach Westen, zur Maria-Probst-Straße hin, anlegen. Jauch versicherte: Dies sei ein wichtiges Thema für die CA Immo. "Wir werden schauen, was wir tun können, um die Situation zu verbessern."

© SZ vom 25.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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