Freimann:Vom Fortgehen und Ankommen

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"Seelenstärke 10" ist das erste Stück, in dem Ali Sherzad (rechts) bei Theater Grenzenlos auftritt. In der Auftaktszene wird er aus der Donau gerettet. (Foto: Robert Haas)

Das Theater Grenzenlos zeigt im neuen Stück, wie Corona die Integration erschwert

Von Kilian Beck, Freimann

Sieben Jahre irrt der Kahn schon auf der Donau umher. Das Kommando hat ein von Corona-Paranoia geplagter Kapitän, der sich weigert, mit der "Seelenstärke 10" anzulegen. Das gleichnamige Theaterstück, das an diesem Mittwoch, 21 Uhr, uraufgeführt wird, beginnt damit, dass die Mannschaft eine Gruppe Geflüchtete rettet. Danach ändert sich alles. Es ist das fünfte Stück des Vereins Theater Grenzenlos, der seit fünf Jahren besteht. Ziel ist es, Geflüchteten das Ankommen in München zu erleichtern.

Die Bühne - das Deck der "Seelenstärke 10" - teilt die Zuschauerplätze im Freilufttheater im Park der Freimanner Mohr-Villa in zwei Hälften. So werde der Abstand gewahrt, erklärt Regisseur Viktor Schenkel. "Nach beiden Seiten zu spielen ist schon eine Herausforderung", ergänzt Ludo Vici, der den Kapitän spielt. "Seelenstärke 10" entstand aus der Not der Pandemie, weil das für diesen Sommer eigentlich geplante Stück "Bayrisch Baklava" abgesagt wurde.

"Anfang Mai haben wir mit dem neuen Stück angefangen", sagt er. "Und jetzt haben wir einen Lauf gespielt", freut sich Vici, nachdem die Hauptprobe am Montagabend ohne Unterbrechung über die Bühne gegangen ist. In die tragikomische Geschichte sind die Lebensrealitäten Geflüchteter verwoben. Beginnend mit der Rettung aus Seenot wird thematisiert, was Menschen zurücklassen, wenn sie sich für die Flucht entscheiden: Geborgenheit, Gemütlichkeit, Genuss, alles, was zusammen ein Zuhause ergibt. Was Menschen erwartet, deren Flucht in Deutschland endet, wird durch die Interaktion aus Schattenspiel und Audioinstallation eindrücklich demonstriert.

Laut und verwirrend ist etwa das Geschehen in einer Ausländerbehörde dargestellt. Theater Grenzenlos will Geflüchteten helfen, Erlebnisse kreativ zu verarbeiten. Zabi Ismaeli ist seit vier Jahren dabei. Er wollte Schauspiel lernen, aber als Schenkel in seiner Wohngruppe Mitspieler suchte, war er unsicher, auch weil er nicht gut Deutsch sprach. Als Zuschauer verfolgte er die Aufführung des ersten Stücks. "Dann wollte ich doch, das Theater hat mir auch mit meinem Deutsch geholfen", erzählt Ismaeli. Gerade macht er eine Ausbildung zum zahnmedizinischen Fachangestellten. "Vielleicht werde ich danach noch einmal Schauspieler", sagt er.

© SZ vom 15.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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