Freimann:Pyrotechnik, Müll und wilde Biesler

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Der Heideflächenverein beklagt massive Schäden am Rand der geschützten Fröttmaninger Heide. Auswärtige Fußballfans, für die es am Stadion einen neuen Zugang gibt, werden dafür verantwortlich gemacht

Von Stefan Mühleisen, Freimann

Für die Bewohner der Siedlungen südlich des Fröttmaninger Stadions waren die Massen an Fußballfans lange Jahre ein ständig wiederkehrender Quell des Missvergnügens: Sie parkten mit ihren Autos die Wohnstraßen zu, hinterließen Müll, urinierten in Einfahrten. Seit mehr als einem Jahr hat sich die Situation beruhigt; das Maßnahmenpaket mit Zufahrtssperren, das sogenannte Anwohnerschutzkonzept, entfaltet seine entspannende Wirkung. Dafür wird aber jetzt die Natur von den Fans in Mitleidenschaft gezogen, wie sich herausstellt: Der Rand des Naturschutzgebiets Südliche Fröttmaninger Heide wird durch "Pyrotechnik, Müll und das ,Wildbieseln' massiv geschädigt", berichtet der Heideflächenverein in einem Brief an den Oberbürgermeister, die zuständigen städtischen Referate und die Allianz Arena München Stadion GmbH.

Hintergrund ist eine Neuerung zur laufenden Bundesligasaison, die der FC Bayern als großen Gewinn empfindet: Ein neuer Zugang nordwestlich der Arena mit einem Brückenschlag über die Bahngleise fungiert als exklusiver Gästezugang. Auswärtige Fans, die mit der U-Bahn anreisen, gehen also nicht mehr über die Esplanade zum Eingang Süd, sondern verlassen den Bahnhof "Fröttmaning" auf der Westseite und gehen über einen Schotterweg am Saum der Heide gut einen Kilometer nach Norden. Dort gelangen sie über den gesonderten Eingang in die Arena, der vor allem Teil des Sicherheitskonzepts ist. Gäste und FC-Bayern-Anhänger sollen sich nicht mehr auf der Esplanade begegnen - und so Reibereien vermieden werden.

Es zeigt sich jedoch, dass die auswärtigen Fans jenes Verhalten, das in den Wohnsiedlungen unterbunden wurde, jetzt in der unter Naturschutz stehenden Botanik fortführen. Sie werfen Müll in die Heidelandschaft und, für Naturschützer noch schlimmer: Sie erleichtern ihre Blase auf dem Weg von und zum Stadion. Das schädigt das sensible Biotopgefüge, weshalb im gesamten Schutzgebiet auch strenge Regeln für Hundehalter gelten. "Es ist bereits jetzt davon auszugehen, dass die bisher artenreichen wärmeliebenden Säume (...) entlang des Weges durch die Folgen der Fan-Umleitung verschwinden", schreibt der Heideflächenverein in seinem Brief.

Besonders sei das Areal um das Heidehaus betroffen, das sogenannte Umweltbildungsgelände. Die Rede ist von "massiven Beeinträchtigungen" durch die "Benutzung als Freilufttoilette". Wobei, so heißt es in dem Papier weiter, die "Vermeidungsmaßnahmen" durch mobile Urinale nicht ausreichend seien. Dies bestätigt Tobias Maier, Gebietsbetreuer für die Umsetzung der Schutzgebietsverordnung. Vor einem Spiel habe er innerhalb einer halben Stunden 250 "Wildbiesler" allein im Umfeld des U-Bahnhofs beobachtet. "Die Zahl der Urinale reicht bei weitem nicht aus", sagt er. Zumal am Bahnhof nur eine Frauentoilette aufgestellt sei. Sollten sich weiter Fans massenhaft am Heiderand erleichtern, könnte dies auch Auswirkungen auf die Umweltbildung haben. "Wenn die Umweltbildungszone zur öffentlichen Toilette wird, können wir da keine Führungen mehr machen", sagt die Geschäftsführerin des Heideflächenvereins, Christine Joas, die überdies auch auf die Gefahr wegen des mit Kampfmitteln belasteten Bodens hinweist. "Der Heideflächenverein übernimmt keine Haftung für Schäden, die durch Sondernutzung des Gastzugangs entstehen", heißt es dazu in dem Brief des Heideflächenvereins.

Mobile Klos: Laut Stadionbetreiber werden während der Spiele 64 Urinale zwischen U-Bahnhof (links hinten) und neuem Eingang positioniert. (Foto: Privat)

Die Organisation sieht nun die Stadion-Betreibergesellschaft in der Pflicht, die Fans vom Naturschutzgebiet fern zu halten. Nach Joas Vorstellung könnten dies mobile Absperrzäune sein, die an Spieltagen zumindest entlang der Umweltbildungsfläche aufgestellt werden. Für angemessen hält sie zudem großräumige Toilettenwagen, vor allem am U-Bahnhof, wie sie auch bei professionellen Festveranstaltungen zum Einsatz kommen.

Der FC Bayern, beziehungsweise dessen Stadionbetreibergesellschaft, sieht unterdessen keinen Handlungsbedarf. "Wir beobachten die Situation entlang der Heide sehr genau", versichert Werner Götz, Sprecher der Allianz Arena München Stadion GmbH und verweist auf städtische Auflagen im Zuge der Baugenehmigung zum Schutz der öffentlichen Heidewege: das Aufstellen von Urinalen und das Einsammeln von Müll nach den Spielen. Nach seinen Worten werden bei Spielen entlang des Wegs 16 Anlagen mit insgesamt 64 Urinalen positioniert, was als ausreichend erachtet werde, ebenso die Bemühungen zur Müllentsorgung. "Nach den ersten Erfahrungen haben wir darüber hinaus weitere Maßnahmen zum Schutz der Heide getroffen", teilt der Arena-Sprecher mit. Es sei "zwischenzeitlich eine erhebliche Verbesserung der Situation erreicht" worden.

Einen Zaun entlang des Heidesaums, wie ihn der Heideflächenverein wünscht, hält das Unternehmen nicht für nötig und sieht sich ferner nicht gehalten, wegen der explosiven Altlasten tätig zu werden. "Die bisherigen Maßnahmen werden von den zuständigen Behörden als ausreichend erachtet und liegen nicht in unserem Verantwortungsbereich", teilt Werner Götz mit.

© SZ vom 22.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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