Freimann:Präzedenzfall geht in nächste Instanz

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Wut in der Wohnanlage: Die Freimanner fechten Abrechnungen an, die sich auf insgesamt 60 000 Euro summieren. (Foto: Catherina Hess)

Nach dem Urteil in der Musterfeststellungsklage von Mietern in Freimann wegen mutmaßlich illegaler Nebenkostenabrechnungen will der Immobilienkonzern Vonovia das Verfahren vor das Landgericht bringen

Von Julian Raff, Freimann

Mit einem Berufungsantrag der Vonovia geht der Musterprozess um die Nebenkostenabrechnungen in der Wohnanlage Burmester/ Bauernfeindstraße in die nächste Runde. Das Unternehmen will die Sache in zweiter Instanz vors Landgericht München I bringen und hat nun zwei Monate Zeit, den Antrag zu begründen.

Laut Vonovia-Sprecher Matthias Wulff beruft sich der Immobilienkonzern dabei in erster Linie auf die formelle Richtigkeit der umstrittenen Abrechnungen, wie sie auch das Amtsgericht München in seinem Urteil vom 26. April eingeräumt hatte. Ebenfalls auf das Urteil gestützt, betont Vonovia, dass die Kontrollgänge als umlegbare Betriebskosten gelten und nicht als Verwaltungstätigkeit. Anders als das Gericht geht der Vermieter aber davon aus, dass er dem Kläger Franz Obst ausreichende Belegeinsicht gewährt und alle nötigen Nachweise vorgelegt habe. Das IT-System der Objektbetreuer sei vom Gericht nicht beanstandet, das Wirtschaftlichkeitsgebot gewahrt worden.

Mit 288,67 Euro liegt der Streitwert weit unter der für ein Berufungsverfahren geltenden Grenze von 600 Euro. Von dieser machte das Amtsgericht allerdings mit Rücksicht auf den Präzedenzcharakter eine Ausnahme. Immerhin geht es um den überregional erhobenen Vorwurf, der Konzern bereichere sich illegal über die Nebenkosten. Laut Urteil vom 26. April wurden die Abrechnungen fürs Jahr 2014, vom Kläger stellvertretend zur Dokumentation ausgesucht, zwar "formell ordnungsgemäß" erstellt, nicht aber in materiellrechtlicher Hinsicht, also inhaltlich. Die Rechnungen führen, laut Urteilsbegründung, Kosten und Umlageschlüssel vollständig auf und seien "gedanklich und rechnerisch verständlich" gehalten.

Materiell sieht das Gericht aber das Zustandekommen und die Höhe des Betrages von knapp 60 000 Euro für die Gesamtanlage nicht ausreichend dargelegt, vor allem, da der Vermieter dem Kläger keine ausreichende Belegeinsicht gewährt habe. Der Hinweis, die Kosten lägen unter dem regionalen Durchschnitt, ändere daran nichts. Wie das Urteil festhält, fehlt selbst bei Kosten, die an fremde Dienstleister durchgereicht werden, der Anreiz zur Kontrolle. "Diese Möglichkeit", so die Begründung, "wird umso größer, wenn der Vertragspartner des Vermieters mit dem Vermieter wirtschaftlich oder personell verflochten ist, weil dann die Gefahr besteht , dass der Vermieter nicht nur die Kosten nicht ausreichend kontrolliert, sondern sogar mit erhöhten Kosten einverstanden ist, die ihn aufgrund der Umlage der Betriebskosten auf den Mieter nichts kosten, den Gewinn des verbundenen Unternehmens aber erhöhen".

Hieraus leitet das Gericht eine "Nebenpflicht" ab, dem Mieter auch Belegeinsicht in die Unterlagen seines Vertragspartners zu gewähren. Grundsätzlich dürfe der Vermieter aus Betriebskosten keinen Gewinn generieren, wenn die Parteien, wie hier, Vorauszahlungen vereinbaren. Die Zugehörigkeit der Dienstleisterfirmen zum Konzern und damit die vom Gericht festgestellten "Verflechtungen" hatte Vonovia im Verfahren selbst eingeräumt. Selbst einem nur "verbundenen" Unternehmen dürfe aber ein Vermieter nicht "zu Lasten der Mieter Gewinne verschaffen".

Nicht in allen Punkten nimmt das Gericht nicht oder schlecht erbrachte Leistungen an: Bei der Reinigung von Lichtschächten und der Kontrolle von Lichtschaltern und Hebeanlagen etwa konnten die Mieter den Objektbetreuern keine Versäumnisse nachweisen. Die Müllplätze hingegen wurden, wie eine Zeugin aussagte, zu selten gereinigt, sodass die Nachbarn dies schließlich selbst übernahmen.

Volker Rastätter, Geschäftsführer des Mietervereins München, rechnet mit einer Bestätigung durch das Landgericht. Die Beweisaufnahme des Amtsgerichts sei an Gründlichkeit kaum zu überbieten gewesen, sodass die obere Instanz nach Rastätters Einschätzung lediglich in der juristischen Wertung Spielraum habe. Auf ein rechtskräftiges Urteil könnte sich der Mieterverein stützen, indem er Mieter einer Vonovia-Anlage in Neuried unterstützt, die mit gebündelten Einzelklagen gegen ihre strittigen Abrechnungen vorgehen wollen. Eine Musterfeststellungsklage kann sich Rastätter dagegen eher in Nordrhein-Westfalen und anderen Bundesländern vorstellen, wo Vonovia noch weit größere Wohnanlagen hält.

© SZ vom 25.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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