Freimann:Plötzlich Denkmal

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Die CSU im Rathaus fordert eine Neubewertung der Abrisspläne an der Situlischule, nachdem auch der Erweiterungsbau aus den Fünfzigerjahren für erhaltenswert erklärt wurde. Das Bildungsreferat stuft das Projekt jedoch als wichtig ein, da die Schülerzahlen steigen sollen

Von Stefan Mühleisen, Freimann

Ein bisher als dringend eingestufter Schulneubau im Münchner Norden steht plötzlich auf der Kippe: Nachdem das Landesamt für Denkmalpflege im Sommer den Rest des bestehenden Mittelschulensembles an der Situlistraße in die Denkmalliste aufgenommen hat, fordert die CSU-Fraktion im Stadtrat eine Neubewertung der Abrisspläne: "Die Faktenlage hat sich geändert, womöglich muss man den ganzen Neubau in Frage stellen", sagt CSU-Stadträtin Dorothea Wiepcke, die jetzt mit vier ihrer Fraktionskollegen per Anfrage die Stadtverwaltung auffordert, den geplanten Abriss im Lichte des Denkmalschutzes genau zu begründen.

Es geht in diesem Fall um einen Schulstandort, der seit Jahrzehnten immer wieder unter Platzmangel leidet. Denn die Bevölkerung in Freimann wächst stetig - und das war schon 1929 so, als unter der Ägide des Architekten Hans Gedon ein Walmdachbau mit Quertrakt und südlich angrenzender Turnhalle eröffnet wurde. Doch dieses Gebäudeensemble ist ohnehin nicht im Fokus; es steht schon länger unter Denkmalschutz. Die Stadtverwaltung hat vielmehr die Erweiterungsgebäude aus den Fünfzigerjahren, geplant von den Architekten Johannes Ludwig und Franz Ruf, für einen Abriss ins Visier genommen; sie seien in schlechtem baulichen Zustand, heißt es. Das Gefüge besteht aus einem zweigeschossigen Satteldachbau mit verglastem Eingangserker sowie einem Pavillongebäude, eingerahmt von einem Laubengang an der Grundstücksgrenze zur Autobahn A9.

Schützen oder schleifen? Der Haupttrakt des Erweiterungsbaus an der Situlistraße mit verglastem Eingangserker. Es war die erste Münchner Volksschule, für die ein Wettbewerb stattfand. (Foto: Robert Haas)

Der Schulbau war zu seiner Zeit weithin beachtet, etwa in einer Kunstzeitschrift, zumal im Eingangsbereich des Hauptbaus ein Mosaik von Karl Knappe, im Obergeschoss eine Malerei von Karl Nerud integriert ist. Zudem war es die erste Volksschule in München, für die ein öffentlicher Wettbewerb ausgeschrieben wurde.

All dies dürfte die Denkmalbehörde beherzigt haben, als sie im Juni dieses Jahres neben den Gedon- auch den Ludwig/Ruf-Komplex unter Denkmalschutz stellte, zur Überraschung der Stadtverwaltung. Denn die Vorplanung war längst fertig: Nach Vorstellungen des Referats für Bildung und Sport (RBS) sollen die Fünfzigerjahrebauten abgerissen und durch einen Neubau für vier statt drei Züge erweitert werden, "wobei Teile des Bodens und ein Mosaik erhalten bleiben", wie es vom RBS heißt. Ferner sollen eine Mensa und eine Sporthalle entstehen, das Gedon-Gebäude saniert werden. Dazu sehen die Pläne einen zusätzlichen Neubau für eine fünfzügige Grundschule vor. Die Kapazität des Standortes wird damit mehr als verdreifacht: von derzeit 311 Mittelschülern auf künftig insgesamt gut 1000 Schüler. Dies sei notwendig, "um dem für die nächsten Jahre prognostizierten Anstieg der Schülerzahlen gerecht zu werden", teilt eine RBS-Sprecherin mit.

Doch die CSU sieht es kritisch, dass dem Neubau ein denkmalgeschütztes Bauwerk geopfert werden soll. "Man kann nicht den illegalen Abriss des Uhrmacherhäusls kritisieren und dann als Stadt selbst den Denkmalschutz beiseite schieben", sagt CSU-Politikerin Wiepcke. Die Stadt habe eine Vorbildfunktion. Sie und ihre Fraktionskollegen bezweifeln, dass es eine Rechtsgrundlage für einen Abriss gebe - und verlangen nun von der Verwaltung, Überlegungen für eine mögliche Sanierung darzulegen. Überdies argwöhnen die Christsozialen, dass der Bedarf gar nicht so dringend ist, wie vom RBS dargestellt. "Nach Aussage des Schulleiters sind die Schülerzahlen rückläufig", sagt Wiepcke. Die Skepsis teilen viele Freimanner, wie bei der Bürgerversammlung im Juli deutlich wurde. Ein Mann vom Elternbeirat beschwor die 200 Besucher, sich den Neubauplänen zu widersetzen. "Das wäre Rechtsbruch, siehe Uhrmacherhäusl", sagte er. Seinen Antrag, die Schule in der jetzigen Form zu erhalten, unterstützte eine große Mehrheit der Anwesenden. Dabei ist sich die Schulbehörde seit Jahren sicher, dass in Altfreimann die Schülerzahlen deutlich nach oben gehen werden. Bei der Untersuchung aller Schulstandorte wurde die Situlischule "in die höchste Priorisierungsstufe AA eingewertet", wie das städtische Presse- und Informationsamt mitteilt.

Anbau unter Denkmalschutz: das Pavillongebäude. (Foto: Robert Haas)

Gemäß einer Datensammlung von 2017 besuchten vor zwei Jahren 322 Mittelschüler in 22 Klassen das Schulhaus; langfristig würden aber 22 bis 24 Klassen nötig, so die Prognose. Einen Aufwärtstrend hielt die Studie auch für die Grundschüler für gegeben, da die Situlischule dereinst auch im Sprengel des geplanten Neubauquartiers Bayernkaserne liegen werde. Nach dem Willen des RBS soll die Erweiterung des Freimanner Schulcampus demnach in das dritte Münchner Schulbauprogramm aufgenommen werden, über das der Stadtrat Anfang November beraten wird. Die Unterstützung des lokalen Bezirksausschusses hat die Behörde schon jetzt: "Die Planung ist gut und sehr sensibel. Wir halten das für ein verzichtbares Denkmal", sagt SPD-Planungssprecherin Petra Piloty.

© SZ vom 23.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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