Freimann:Mehr und nicht weniger

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Vergangene Zeiten: das Kassenhäuschen des ehemaligen Freibades. (Foto: Peljak)

Stadtrat kassiert Behördenvorlage zu Freimanner Baugebiet - es soll auf Wunsch der Bürger doppelt so groß werden

Von Stefan Mühleisen, Freimann

Walter Zöller ist immer noch perplex, das Überraschungsgefühl hält immer noch an. Ein"singulären Vorgang" sei dieser Beschluss, sagt der Planungssprecher der CSU-Stadtratsfraktion zu Vor- und Ablauf des Beschlusses für das neue Wohngebiet auf dem Gelände des ehemaligen Floriansmühlbades in Freimann. Zweierlei verblüfft den Politiker: Einerseits hat das Gremium - was kaum vorkomme - einstimmig die Vorlage der Verwaltung zurückgewiesen. Sodann wiesen die Politiker Stadtbaurätin Elisabeth Merk an, wie gewünscht den Planungsumgriff auf gut das Doppelte nach Norden zu erweitern. Den Wunsch formuliert hatten, und das ist das eigentlich Besondere, die Bürgerschaft und ihre politische Vertreter im Viertel. "Die wollen normalerweise das Gegenteil, also weniger Bebauung. Diese Chance mussten wir ergreifen", sagt Zöller.

Faktisch haben die Stadträte diesen sogenannten Aufstellungs- und Eckdatenbeschluss für das Baugebiet am nördlichen Stadtrand also vertagt - und der Stadtbaurätin genau jene Umbau-Forderungen für die Pläne aufgetragen, auf die der Bezirksausschuss Schwabing-Freimann, die große Mehrheit der Bürgerversammlung und der Vorstand der Turnerschaft (TS) Jahn zuvor eindringlich gedrängt hatten: das neue Wohn-Quartier auf das nördliche Nachbargrundstück auszuweiten.

Der Entwurf des Planungsreferates sah vor, entlang der Freisinger Landstraße, zwischen Floriansmühlstraße im Süden und Emmerigweg im Norden, auf weniger als einem Hektar rund 30 000 Quadratmeter Geschossfläche zu realisieren. Die Behörde legt in der Vorlage ein äußerst behutsames Vorgehen nahe, da das ehemalige Freibad-Areal teilweise im Landschaftsschutzgebiet der Isarauen liegt. Als "sehr sensible Lage" sieht das Planungsreservat das Gebiet, welches schon lange brach liegt.

Im Norden grenzt das von Biotopen durchsetzte Terrain an ein knapp 44 Hektar großes Grundstück der Turnerschaft Jahn, größtenteils als Golfanlage geführt; angrenzend an das "Aldi-Grundstück" sind Tennisplätze. Der Verein hat seit Jahren immensen Zulauf, jedoch vor allem in Abteilungen des Hallensports. Lange schon kursiert in der Vorstandschaft der Plan, auf dem Freimanner Gelände eine Dreifachturnhalle zu bauen. Doch die Geldmittel sind knapp - da kommt für die Vereinsführung das Bauprojekt im Südteil wie gerufen. Der Plan: Die Golfanlage, ohnehin defizitär, soll aufgegeben, die Fläche an einen Investor verkauft werden. Als "Win-win-Situation", hatte dies TS-Vorstandsmitglied Werner Gawlik zuletzt genannt. Die Stadt, so die Strategie, gewinnt Boden hinzu, um das Wohngebiet auszuweiten; der Verein kann mit dem Erlös die ersehnte Halle finanzieren. So trug er es kürzlich auch in der Bürgerversammlung vor - woraufhin gut 200 Menschen ihre Stimmzettel emporreckten und den Vorstoß unterstützten.

Das mag das Engagement des Bezirksausschuss-Vorsitzenden Werner Lederer-Piloty (SPD) in dieser Sache noch ein Stück befördert haben. Jedenfalls hielt er in der Planungsausschuss-Sitzung ein flammendes Plädoyer, die Wohngebiets-Planung um das Jahn-Gelände auszuweiten. Er trat dabei den Argumenten der Behörde entgegen, die dies in ihrer Vorlage für die Stadträte ablehnt: Die Fläche liege im Landschaftsschutzgebiet mit schützenswertem Baumbestand und sei überdies als Sportfläche ausgewiesen; und diese Nutzungsoption solle erhalten bleiben. "Die Fläche kann man mit einem Federstrich aus dem Schutzgebiet herausnehmen, wie es auch bei den Aldi- und Bergmann-Grundstücken geschehen ist", legte Lederer-Piloty den Stadträten dar. Zudem hob er hervor, dass Freimann an Sportflächen "reich gesegnet" sei. Er warb darum, das Angebot der Bevölkerung, dokumentiert durch das Votum der Bürgerversammlung, anzunehmen. "Im Sinne der Initiative Wohnungsbau sollte man hier zugreifen."

Und die Stadträte griffen gerne zu. "Sehr überzeugend", nennt Walter Zöller die Rede von Werner Lederer-Piloty. Es müssten auch im Hinblick auf den Naturschutz Kompromisse gefunden werden, um den drängenden Wohnungsbedarf zu stillen, mahnt der CSU-Planungsexperte: "Und es ist ja einzigartig, dass sich die Bürger hier nicht gegen, sondern explizit für mehr Wohnungsbau ausgesprochen haben."

© SZ vom 02.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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