Freimann:Chromblitzendes Defilee

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Eine Oldtimer-Schau lockt Tausende Zuschauer an und markiert zugleich den Start der Sanierungsarbeiten an einem der spektakulärsten Bauwerke der Stadt: Im ehemaligen Bahnausbesserungswerk soll bis Ende nächsten Jahres die "Motorworld München" entstehen

Von Alfred Dürr, Freimann

Es brummt und blubbert, röhrt und rasselt. Auf dem Parkplatz neben der gigantischen Halle des ehemaligen Bahnausbesserungs-Werks zwischen Maria-Probst-Straße und Lilienthalallee erlebt man ein Motorenkonzert der besonderen Art. Da fahren sie vor, die Old- und Youngtimer (die aber auch schon älter als 30 Jahre sein müssen), flotte Sportwagen, wuchtige amerikanische Straßenkreuzer und altertümlich anmutende Zweiräder. Benzinduft liegt in der Luft.

Der Samstag war ein Feiertag für alle Freunde von alltagstauglichen Straßenklassikern. Zelebriert wurde nicht nur die Präsentation von diversen mobilen Raritäten. Die Veranstaltung mit mehreren Tausend Besuchern markierte den Start der Sanierungsarbeiten für eines der spektakulärsten Bauwerke der Stadt. Vor kurzem erteilte die Stadt die Baugenehmigung.

Ende kommenden Jahres soll in der historischen Halle, die so groß ist wie acht Fußballfelder, die "Motorworld München" eröffnen. 75 Millionen Euro investiert der schwäbische Unternehmer Andreas Dünkel in sein Mammutprojekt. Jetzt konnte man einen Vorgeschmack bekommen, wie diese Welt der ungewöhnlichen Autos einmal aussehen wird.

Auf der weiten Fläche im Innern der Halle ist ein einziges Fahrzeug ausgestellt. Es wirkt wie ein Spielzeugauto. Später sollen hier alle möglichen Oldtimer und andere hochwertige Autos präsentiert werden. Es gibt Spezialwerkstätten, Zubehörshops, diverse Galerien mit Ausstellungsflächen und verschiedene Gastronomiebetriebe. Außerdem soll ein Vier-Sterne-Hotel unter dem Dach der Halle Platz finden.

Das Eventensemble umfasst aber auch die Veranstaltungshalle Zenith und das sogenannte Kesselhaus. Hinzu kommen der ehemalige Kohlebunker. Dieses Bauwerk ist bereits erneuert. Die Mauerreste der Ruine erhielten einen modernen Aufbau aus Glas und Stahl. Unter dieser Konstruktion befindet sich eine Ausstellungs- und Veranstaltungsfläche.

Hier stehen die Besucher fast andächtig vor den Raritäten, die am Samstag vorgefahren sind. Es sind hauptsächlich Männer, die über jedes Detail der Karosserie und des Zubehörs fachsimpeln ("Bei Regen sehen die Reifen Scheiße aus") oder das jeweilige Fahrzeug aus allen Blickwinkeln mit ihrer Handykamera aufnehmen.

Da steht zum Beispiel ein wunderschönes Borgward Isabella Coupé aus dem Jahr 1960. Weltweit sei es kaum mehr verfügbar, erfährt man. Die Farbkombination sei besonders rar und gefragt. Was hier steht, ist eine seltene Version mit Schiebedach. TÜV und Inspektion seien erledigt. Einfach einsteigen und losfahren, für 47 800 Euro kann man das Auto erwerben. Wer es noch klassischer mag, kann sich ein Ford T-Model aus dem Jahr 1924 zulegen, das allerdings schon etwas klapprig aussieht. Liebhaber müssen dafür 16 000 Euro investieren. Ein Mercedes 280 SL, die berühmte Pagode von 1969, ist für 89 000 Euro zu haben. Dass keine automobile Massenware präsentiert und angeboten wird, sondern ausgesuchte Liebhaberstücke, ist an jeder Ecke auf dem Gelände und in den Hallen zu sehen. Da poliert dann auch der Besitzer eines mächtigen Chevrolets die Motorhaube seines Fahrzeugs mit allergrößter Sorgfalt. Über jeden Quadratzentimeter streicht er mehrmals fast zärtlich mit dem Lappen, bis alles richtig blitzt und glänzt.

Auch der Vorsitzende des Bezirksausschusses Schwabing-Freimann, Werner Lederer-Piloty (SPD), schlendert am Samstag über das Gelände. "Man muss sich nur mal die Formen dieser Fahrzeuge anschauen. Das sind geradezu Skulpturen, wie von einem Bildhauer geschaffen", schwärmt er. Drinnen in der Zenith-Halle steht so ein Kunstwerk, ein Bentley MK VI aus dem Jahr 1947 mit 132 PS und bis zu 154 km/h schnell. Daneben befindet sich ein Plakat mit der Aufschrift: "Klassische Fahrzeuge sind Kulturerbe."

Lederer-Piloty ist Stadtviertelpolitiker und Architekt. Aus seinem Büro stammt der Umbau des Kohlbunkers mit dem modernen Aufbau zur "Event Location". Und er wünscht sich, dass im Zusammenhang mit dem riesigen unter Denkmalschutz stehenden Ausbesserungswerk das bauliche Kulturerbe berücksichtigt wird. Das Münchner Büro Kupferschmidt Architekten ist für die Hülle der Motorworld zuständig. Außerdem soll in dem Komplex auch ein Baumarkt unterkommen.

Für den BA ist das Projekt ein zentrales Thema. Seit Jahrzehnten wird über die Nutzung der Halle diskutiert. "Unsere wichtigste Forderung war, dass das Bauwerk erhalten bleibt, dass es für die Öffentlichkeit zugänglich ist und dass es mit Leben erfüllt wird", sagt Lederer-Piloty. Und nun kann dieser Wunsch in Erfüllung gehen.

© SZ vom 20.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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