Freiham:Ein Generationenwerk

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Lange Wohn-Karrees und große Innenhöfe: So stellt sich das Siegerteam den neuen Stadtteil vor. (Foto: Privat)

Münchens westlichstes Stadtviertel Freiham bietet künftig Platz für 25 000 neue Einwohner. Bei der Vorstellung der Pläne für den zweiten Teilbereich interessieren sich Bürger weniger für Gestaltung als für Verkehr und Freiräume

Von Ellen Draxel, Freiham

Die Stühle in dem lichtdurchfluteten Raum des Freihamer Gesundheitszentrums sind alle besetzt. An Stellwände haben Mitarbeiter des Planungsreferats Entwürfe von Architekturbüros gepinnt, es gibt Getränke und Häppchen. Stadtbaurätin Elisabeth Merk und der Vorsitzende der Wettbewerbsjury, Thomas Jocher, sind am Freitagabend nach Freiham-Süd gekommen, um Bürgern das Ergebnis des städtebaulichen Konzepts für den zweiten Realisierungsabschnitt des Wohngebiets Freiham-Nord vorzustellen. Aber mehr als eine Handvoll Anwohner ist nicht da, auf den Stühlen sitzen zumeist Organisatoren, Architekten und Lokalpolitiker.

Bei der anschließenden Fragerunde interessieren sich die Nachbarn dann auch weniger für die Optik und das Leben in dem neu entstehenden Stadtteil. Sie wollen wissen, "wo der Verkehr hin soll, der aus dem Viertel rausgeht". Jocher sagt, man vertraue darauf, "dass nicht alle mit dem Auto unterwegs sind". "Der Verkehr", relativiert der Vorsitzende des Bezirksausschusses Aubing-Lochhausen-Langwied, Sebastian Kriesel (CSU), "ist schon unser Problem hier". Deswegen sei es so wichtig gewesen, bereits jetzt für die Baufahrzeuge einen eigenen Autobahnanschluss nach Freiham zu bauen. Im Übrigen unterhalte man sich über ein Baugebiet, das erst in 15 oder 20 Jahren fertig werde.

Ein Mobilitätskonzept, und ein solches existiere für Freiham, ergänzt Merk, müsse im Quartier anfangen. "Damit die Leute erst gar nicht ins Auto steigen." Der Siegerentwurf setzt deshalb auf eine Buslinie, die von Nord nach Süd verläuft, auf Radwege entlang dieser ansonsten autofreien Achse, und auf viele öffentliche Plätze mit Mobilitätsstationen. Läden, soziale Einrichtungen, Schulen und Kindertagesstätten innerhalb des Stadtteils sollen helfen, weite Wege zu vermeiden. Außerdem bekomme Freiham eine U-Bahn, und "wir sind mit den Stadtwerken im Gespräch über Ringbus-Trassen als Tangentialverbindungen". Die oberste Stadtplanerin will auch auf der regionalen Wohnungsbaukonferenz im Oktober klarmachen, dass München Unterstützung beim Bahn-Ausbau braucht. Merk und ihr Team gehen zudem davon aus, "dass in Zukunft genossenschaftliches Bauen und Carsharing-Angebote viel mehr zum Tragen kommen".

Ein Nachbar beklagt die Verdichtung, die bei dem Neubauprojekt zu erwarten sei, "wir haben keine Freiräume mehr". Thomas Jocher widerspricht: "Die bauliche Dichte hier ist sehr moderat gegenüber der Innenstadt, in Schwabing oder der Maxvorstadt ist sie doppelt so hoch." Gerade der überlegte Umgang mit den Freiflächen zeichnet nach Überzeugung der Jury das Konzept des ersten Preisträgers aus. Der gemeinschaftliche Entwurf der vier Büros Hild und K Architekten (München), Sergison Bates Architects (London), von Ballmoos Krucker Architekten (Zürich) und Studio Vulkan Landschaftsarchitekten (Zürich) basiert auf langen Wohn-Karrees mit großen Innenhöfen. "Wir haben uns an Schwabing orientiert", sagt Architekt Bruno Krucker. Es gebe Wohnblöcke, die teils achtgeschossig sein könnten, gleichzeitig aber breite Durchgänge hätten - und damit offene Blicke ins Grün der privaten Höfe ermöglichten. "Das ist diese ganz besondere Qualität des Theodor-Fischer-Baus, die München hat." Auch bei der Gestaltung des öffentlichen Raums hat sich das Sieger-Team Schwabing als Vorbild genommen: Alle paar hundert Meter folgen Quartiersplätze mit Spielplätzen, Freiluftbibliothek, Beeten, Wiesen und vielleicht einem Wochenmarkt oder einem Grillplatz. "Ähnlich, wie wenn man vom Kurfürstenplatz zum Elisabethplatz kommt." Ergänzend sind "kleinräumige Momente im Straßenraum" vorgesehen, die die langen Bauflächen auflockern sollen - die Architekten nennen sie "Dreiecksplätze". Auch sie sind typisch für München. Diese Öffnungen würden dazu einladen, nach draußen zu gehen, "um mal Federball zu spielen oder einen Tisch rauszustellen, um zu karteln", erklärt Heide Rieke, Planungssprecherin der SPD im Stadtrat.

Freiham, so Stadtbaurätin Merk, sei das größte Siedlungsgebiet Europas. In Münchens westlichstem Stadtteil werden einmal 25 000 Menschen leben, so viele wie in Garmisch-Partenkirchen. "Freiham ist sicher ein Generationenwerk." Merk ist bereits die vierte Stadtbaurätin, die mit dem Stadtteil zu tun hat. Deshalb, betont sie, werde es auch nicht alles sofort geben. "Wir haben ja schließlich keinen Zauberstab."

Die Entwurfsarbeiten aus beiden Wettbewerbsstufen zum zweiten Realisierungsabschnitt sind von diesem Montag, 23. April, an bis Freitag, 4. Mai, jeweils montags bis freitags von 7.30 bis 18 Uhr im Gesundheitszentrum an der Hans-Stützle-Straße 20 in unmittelbarer Nähe zum S-Bahnhof Freiham (S 8) ausgestellt.

© SZ vom 23.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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