Freiham:Auf neuen Wegen

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Das Bild vom guten Hirten: Pastoralreferent Johannes van Kruijsbergen mit den Schafen, die jetzt das Grundstück der Kirche abgeweidet haben. (Foto: Catherina Hess)

Statt eines Gotteshauses soll auf dem Kirchengrundstück im Neubauviertel ein Forum für die Anwohner entstehen

Von Ellen Draxel, Freiham

"Ich bin der gute Hirte", sagt Jesus in einer der Gleichnisreden des Johannes-Evangeliums. Das Bild vom Hirten und seinen Schafen ist eines ältesten und bekanntesten des Christentums. Die 500 Schafe und 80 Ziegen, die Ende Juli einen Tag lang auf der letzten verbliebenen Grünfläche an der Wiesentfelser Straße im neu entstehenden Stadtteil Freiham grasten, waren nicht zufällig dort. Pastoralreferent Johannes van Kruijsbergen hatte den Schäfer gebeten, die Tiere dort weiden zu lassen. Das Grundstück gegenüber der Kinder- und Jugendfarm Neuaubing gehört der katholischen Kirche.

"Die Schafe stehen auf der freien Wiese, haben kein festes Zuhause, werden aber trotzdem behütet und schaffen es, zu wachsen und zu gedeihen", erklärt der 34-Jährige. Dasselbe Ziel verfolge er als Seelsorger in Freiham: "Ich kümmere mich um die Menschen, höre zu, bin da." Noch verfügt die Kirche dort über kein Domizil mit Dach über dem Kopf. "Aber wir haben eine eigene Fläche - und die wollen wir nutzen."

Van Kruijsbergen ist jemand, der gerne neue Wege geht. Vorigen Sommer fotografierte er gemeinsam mit einem Kollegen aus dem Pfarrverband Oberschleißheim zu Fronleichnam Monstranzen an Alltagsorten - vor einem Fußballtor, beim Friseur oder auf einem Bankautomaten. Um zu zeigen, dass Gott mitten unter uns ist. Das Projekt erntete ebenso viel Lob wie Kritik, hob sich aber von althergebrachten Konventionen ab.

Ein anderes Beispiel, das zeigt, wie der Pastoralreferent des Pfarrverbands München-West Menschen auf seine Art zu erreichen versucht, ist der Seelsorgebus. Seit mehr als einem Jahr tourt van Kruijsbergen mit dem umgebauten Ford durch den Stadtbezirk und lädt Menschen an wechselnden Orten zum Gespräch ein. Unter dem Motto "Kirche macht mobil". Selbst in Zeiten pandemiebedingt geschlossener Gotteshäuser war er aktiv.

In Freiham will van Kruijsbergen nun "Gemeinde neu denken", wie er sagt: Das Kirchengrundstück soll dafür als gesellschaftliches "Forum, Vernetzungsort und Marktplatz" etabliert werden. Erste Termine, die Fläche an der Ecke Albert-Camus-/Wiesentfelser Straße zu bespielen, sind schon fix, ein Erntedank-Gottesdienst am 3. Oktober etwa und ein ökumenischer "Begrüßungs- und Kennenlerngottesdienst für die Neuzugezogenen" zu Christi Himmelfahrt 2022. Auch ein Martinsumzug durch Freiham am 12. November gemeinsam mit der Adventskirche ist geplant.

Vorgesehen für den Herbst ist außerdem ein künstlerisches Zwischennutzungsprojekt, das Ganze ist aber noch nicht in trockenen Tüchern. Ebenfalls offen ist, was letztlich dauerhaft auf der Wiese entsteht. Kein Kirchenschiff, das steht bereits fest. "Vermutlich", sagt van Kruijsbergen, "bauen wir ein Haus mit Mehrzweck- und Begegnungsraum, Glockenturm und Kindertagesstätte". Die Planungen will die Diözese laut dem Pastoralreferenten "noch dieses Jahr in Angriff nehmen".

"Spannend und herausfordernd" findet der Seelsorger die Aufgabe, in Freiham eine Gemeinde ohne Pfarrheim aufzubauen und zugleich den Anschluss an den Pfarrverband zu schaffen. Er weiß aber auch, dass es andere gibt, die Bauchgrimmen angesichts des neuen Lernfeldes haben.

© SZ vom 03.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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