Freestyle:Tölzer Schnee-Katz

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Mit seinem ersten Europacup-Rennen qualifiziert sich Felix Wagner sofort für die Jugend-Weltmeisterschaft. Jetzt ist er 15 - und deutscher Meister im Buckelpisten-Dual-Wettbewerb.

Von Thomas Becker, Bad Tölz

Den ersten Rückwärtssalto sprang Felix Wagner mit zwölf. Heute beherrscht er den Backflip in allen möglichen Variationen. (Foto: Frank Widmann, frx_photography / oh)

Zum 15. Geburtstag ein Auto? Nein, das würde der Vater von Felix Wagner natürlich nie tun. Das wäre ja Quatsch. Aber warum nicht einen Ape, eines dieser knatternden dreirädrigen Rollermobile, wie man sie aus Italien kennt? Mit Mofa-Prüfbescheinigung darf man so eine Vespa mit Ladefläche auch mit 15 schon fahren, wenn auch nicht schneller als 25 Stundenkilometer, aber immerhin. Die tägliche Fahrt zum Training wäre damit schon drin: Von Geretsried bis zum Sonnenbichl-Hang in Bad Wiessee sind es gut 30 Kilometer. Als Wettkampfgefährt taugt der Ape dagegen eher nicht: Wagners letzte Reisen führten ihn nach Airolo ins Tessin, 430 Kilometer entfernt, und Krasnojarsk in Sibirien, 6500 Wegstrecke. Und damit zum Sport.

Im vergangenen Monat hat der Freestyle-Buckelpistenfahrer Felix Wagner vom SC Bad Tölz seine ersten überregionalen Wettkämpfe bestritten: Anfang März den ersten Europacup, wo er es gleich mal bis ins Finale der besten 16 schaffte und am Ende auf Rang 14 landete. Damit war er qualifiziert für die Jugend-Weltmeisterschaften, und dazu ging es drei Wochen später ins russische Nirgendwo von Krasnojarsk, rund 3300 Kilometer östlich von Moskau. Der Teenager war beeindruckt, nicht nur von der einst für eine Universiade errichteten riesigen Sportanlage dort, sondern auch vom lokalen Verkehrsaufkommen: "Autos brauchen da keinen TÜV - das sieht man." In der Buckelpiste belegte er Platz 13. Und noch eine Woche später führte der Weg erneut nach Airolo, der Ertrag diesmal: Zweiter der deutschen Meisterschaft im Einzel und deutscher Meister im Dual-Rennen, bei dem zwei Läufer gleichzeitig über die Buckel fegen. Tags darauf wurde er zarte 15 Jahre alt. "Die anderen sind alle drei, vier, fünf Jahre älter", sagt Ferdl Eichner, der nicht ganz unschuldig daran ist, dass Wagner so in der Weltgeschichte herumkommt.

Den ersten Rückwärtssalto sprang er mit zwölf, heute beherrscht er alle Variationen

Seit einer halben Ewigkeit ist Eichner Sportwart und Trainer im Skiverband Oberland. Bis 2004 ist er selbst durch die Buckel gesaust, war deutscher Vize-Meister - also nicht ganz so erfolgreich wie sein Schützling. Der stand irgendwann mal vor ihm, als Eichner mit seiner Truppe am Garland-Hang in Lenggries trainierte, und fragte, ob er mitmachen könne. Da war Felix Wagner gerade mal acht Jahre alt. "Normalerweise fangen wir erst mit neun an", erzählt Eichner, "aber der Felix war damals schon so a Katz: sehr beweglich, hat sich von den Buckeln nicht abschütteln lassen." Die wurden nach und nach immer höher, es kamen kleine Sprünge dazu, die wiederum immer höher und schwieriger wurden. Den ersten Rückwärtssalto sprang er mit zwölf. Heute beherrscht er den Backflip in allen möglichen Variationen: mit gekreuzten Skiern, mit einer Hand am Ski - eine Augenweide.

Zu Eichners Zeiten waren Überkopfsprünge noch verboten: "In den wilden 80ern und 90ern hatte es einfach zu viele Unfälle gegeben." Irgendwann setzte sich die sogenannte New-School-Bewegung durch, seit 1992 ist die Disziplin olympisch, das Niveau viel höher geworden, wie auch der Trainingsaufwand: "Alle, die in den Buckeln gut sind, springen auf hohem Niveau Trampolin", erklärt Eichner, "das ist eigentlich fast Voraussetzung, um international überhaupt mithalten zu können." Wagner nutzt regelmäßig die Anlage im Turnverein Wolfratshausen, um an seiner Körperspannung zu arbeiten. Wenn die Tricks auf dem Trampolin funktionieren, kommt der nächste Schritt: die Wasserschanze. Einen Großteil des Sommers verbringen Wagner und die Trainingsgruppe in Oberaudorf, um sich samt Skiern rittlings in den Luegsteinsee zu stürzen. Und erst wenn auch das bombensicher klappt, springt man den Trick auf Schnee. Gewertet wird beim Buckelpistenfahren die gefahrene Zeit, die 20 Prozent ausmacht, sowie die Fahrtechnik, die mit 60 Prozent in die Wertung einfließt. Die restlichen 20 Prozent machen zwei Sprünge aus, die anhand von Höhe, Weite, Ausführung und Schwierigkeitsgrad bewertet werden.

Der Felix ist zwar nicht sehr groß, aber ein richtiges Power-Paket, sagt sein Trainer

Felix Wagner ist einfach nur begeistert von seinem Sport: "So was wollte ich immer machen. Da ist so viel Abwechslung drin. Das wird nie langweilig." Wenn man mal kein Schnee liegt, holt er sich den Kick beim Downhillbiken oder beim Parkour, der Bewegung durch die urbane Landschaft mit ihren natürlichen Hindernissen. Auf einen mit 15 nicht gerade seltenen Wachstumsschub, der die Körperstatik aus der Balance bringen kann, würde er sicher gern verzichten, wobei Coach Eichner das gar nicht so problematisch sieht: "Der Felix ist zwar nicht sehr groß, aber gut beinand, ein richtiges Power-Paket. Und er sieht auch ein, zwei Jahre älter aus." Beim Europacup im vergangenen Jahr durfte er dennoch nicht mitmachen: zu jung. Fuhr er halt als Vorläufer mit. Diese Zeiten sind nun passé. "Er hätte heuer noch mehr Europacups fahren können, macht aber gerade seinen Schulabschluss", erklärt Eichner. Im Herbst wird Felix Wagner eine Ausbildung zum Schmied beginnen: "Mein Vater hat eine Schlosserei, und vielleicht übernehme ich die irgendwann mal." Seinen nicht gerade ungefährlichen Sport finden die Eltern cool, behauptet der Junior: "Die machen sich keine Sorgen. Die wissen ja, dass ich's kann." Na dann.

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