Forscher machen sich Sorgen:Wir graben uns das Wasser ab

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Die Folgen von Niedrigwasser sind auch bei uns zu spüren. Ein massives Problem für unseren Planeten.

Wasser gilt in Deutschland als Selbstverständlichkeit. Besser gesagt galt. Denn in den vergangenen Jahren häufen sich auch hierzulande Meldungen über Wasserknappheit. Es gibt inzwischen sogar Konflikte um Wasser, die gerichtlich geklärt werden müssen. In Bayern beispielsweise hat sich die Zahl der Verfahren verdoppelt. Meist ist schlicht nicht geklärt, wer im Falle eines Wassermangels Vorrang hat: öffentliches oder privates Interesse? Eine Klarstellung durch den Gesetzgeber ist erst 2030 in Sicht, bis dahin wird sich die Wasserknappheit wohl weiter verschärfen. An Lösungen zu den Folgen von Niedrigwasser arbeitet Andreas Malcherek, Professor für Hydromechanik und Wasserbau an der Universität der Bundeswehr München. Er kennt die Gründe und Probleme des Wassermangels in Deutschland.

Eine Ursache ist der Grundwasserschwund, verursacht durch die zunehmende Bebauung offener Flächen. Wenn es regnet, versickert das Wasser normalerweise in der Erde, wo es dann neues Grundwasser bildet, das wir als Trinkwasser nutzen. Von dort entweicht es in Bäche und Flüsse, Seen, Meere, verdunstet in Wolken, um wieder abzuregnen. Fällt der Regen dagegen auf eine versiegelte Fläche, fließt das Regenwasser direkt in die Kanalisation und sickert nicht in den Boden. Es kann kein neues Grundwasser gebildet werden.

Das zweite Problem einer versiegelten Fläche ist die fehlende, oder zumindest ungenügende Vegetation. Denn ein Teil des Regens wird von Bäumen abgefangen, verdunstet wieder und bildet neue Wolken, die weiter in das Landesinnere ziehen. Sind keine Bäume vorhanden, werden auch die Niederschläge weniger und das Grundwasser irgendwann knapp.

Eine Abholzung der Wälder und die Versiegelung von Flächen können also zu Trockenheit und Dürre in dem von den Küsten entfernten Binnenland führen. "In Brandenburg und Sachsen-Anhalt können wir bereits Steppenbildung beobachten, weil das Wasser nicht mehr genügend einsickert," sagt Malcherek. Seen und Flüsse trocknen aus, es gibt Missernten, Flora und Fauna leiden, Schiffe können nicht mehr fahren, Böden sinken ab und verursachen Risse in Gebäuden. Dürre kann aber auch das Gegenteil verursachen: Hochwasser und Überschwemmungen. Auch diese Naturkatastrophen treten in jüngster Zeit gehäuft auf. Vertrocknete Erdschichten versiegeln, ebenso wie Asphaltstraßen und Betonflächen, den Boden. Starkregen kann nicht abfließen, und es kommt zu heftigen Überschwemmungen, der Grundwasserspiegel sinkt. "Eine dramatische Entwicklung", sagt Malcherek, "denn 70 Prozent unseres Trinkwassers kommt aus dem Grund- und Quellwasser. Wir müssen entschieden gegensteuern, um die öffentliche Wasserversorgung zu sichern". Ansonsten müsse ein größerer Anteil des Grundwassers in die Trinkwasserversorgung fließen, was bedeutet: weniger Grundwasser für die Industrie. Das Wasser müsse dann teuer eingekauft werden, und die Preiserhöhung werde wiederum auf die Verbraucher abgewälzt, so Malcherek. "Sinkt der Pegel, müssen tiefere Brunnen gebaut oder neue gesetzt werden. Das wäre sehr teuer und löst exakt jene Angebotsinflation aus, wie wir sie heute vorfinden."

Diese Entwicklung untermauern einschlägige Studien: Wenn der globale Wasserverbrauch weiter so steigt wie heute, werden vier Milliarden Menschen weltweit statistisch mindestens einen Monat lang nicht genug Wasser zur Verfügung haben. Diese Zahl wird weiter ansteigen. Daher müssen sinnvolle Maßnahmen getroffen werden. "Je früher, desto besser", sagt Malcherek. Zum Beispiel mit mehr Schwammflächen wie Rieselfelder, Sickergräben oder begrünte Dächer. Vor allem in dicht bebauten Gebieten sind sie eine Alternative zu den fehlenden Baum- und Wiesenflächen, fördern den Wasserkreislauf und wirken präventiv gegen Starkregen und Überschwemmungen. "Priorität ist, die Versiegelung von Flächen zu verhindern, beziehungsweise rückzubauen" so Malcherek. Dafür müsste auch viel mehr in die Höhe statt in die Breite gebaut werden. Allerdings ist die gesellschaftliche Akzeptanz dafür nicht besonders ausgeprägt. Das freistehende Häuschen mit Garage und Garten steht nach wie vor oben auf der Prioritätenliste. Verzicht ist hierzulande nicht gerade populär. "Sinnvoller wäre es, den Wasserverbrauch über den Preis zu regulieren und so den Verbrauch zu steuern", schlägt Malcherek vor. "Beispielsweise für den Grundverbrauch einen niedrigen Preis erheben und den Mehrverbrauch deutlich zu erhöhen."

Ein Laborversuch zeigt, wie das wertvolle Gut Wasser so versickern kann, dass es wieder ins Grundwasser fließt. (Foto: Claus Schunk)

Mit Preisregulation könnte man auch den größten Verursacher von Wasserknappheit in die Schranken verweisen: die Fleischindustrie. Der Fleischhunger der Industrieländer trägt wesentlich zur globalen Wasserknappheit bei. Vor allem in den westlichen Industrieländern wird durch die Fleischproduktion absurd viel Wasser verbraucht. Für die Herstellung eines Kilogramms Rindfleisch sind 15 415 Liter Wasser notwendig - konservativ gerechnet. In Anbetracht dessen, dass die gewerblichen Schlachtunternehmen in Deutschland allein im ersten Halbjahr 2022 knapp 3,5 Millionen Tonnen Fleisch produziert haben, ergibt sich ein sagenhaft hoher Verbrauch.

Gegen Wasserknappheit ist Deutschland derzeit also nicht gewappnet. Denn auch wenn die Trinkwasserversorgung gesetzlich gesichert ist, sollen vorsorgliche Wasserversorgungskonzepte erst 2030 umgesetzt werden. "Reichlich spät", findet Malcherek. Die nationale Wasserstrategie, bereits 2021 von der damaligen Umweltministerin Svenja Schulze vorgelegt, hat immer noch nicht den Weg durchs Kabinett gefunden. Auch die digitale Infrastruktur zur Wasserversorgung ist nicht angepasst. Die Zeit, sich auf die kommenden Auswirkungen der Wasserknappheit vorzubereiten, wird knapp. Wasserwirtschaftsämter, Wasserversorger, Naturschutzbehörden schlagen seit Jahren Alarm, aber solange das Wasser zuverlässig aus der Leitung kommt, geschieht wenig. Malcherek teilt deren Sorgen. "Verglichen mit Saudi-Arabien steht Deutschland zwar noch gut da, doch im Vergleich zu Deutschland vor 50 Jahren überhaupt nicht."

Entschiedenes Handeln ist gefragt. Das Problem muss sichtbarer werden und Bewusstsein schaffen. Wirtschaft, Politik und Gesellschaft müssen an einem Strang ziehen. Auch wenn die Maßnahmen unpopulär sind und nicht überall auf Verständnis stoßen. Aber was wäre die Alternative?

Tristan Fuchs, Franz Schubaur, Nico Sekera-Terplan, Klasse Q11, St.-Anna-Gymnasium München

© SZ vom 03.02.2023 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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