Flughafen München: Sprengstoffalarm:"Airport kann sich derartige Sicherheitslücke nicht leisten"

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Unruhe nach dem Sprengstoffalarm in München: Die Gewerkschaft der Polizei fordert, die Sicherheitsvorkehrungen auf Airports vollständig zu überprüfen.

D. Hutter

Ein Sprengstoffalarm an der Sicherheitskontrolle des Münchner Flughafens hat am Mittwoch einen Großeinsatz der Polizei ausgelöst. Die Abflughallen in Terminal 2 mussten komplett geräumt, sämtliche Abflüge gestoppt werden.

Stundenlange Verspätungen am Münchner Flughafen nach Sprengstoffalarm. (Foto: Foto: dpa)

Nach Auskunft von Bundespolizei-Sprecher Albert Poerschke hatte gegen 14:40 Uhr ein Detektor an einer Sicherheitsschleuse auf den Laptop eines Mannes angeschlagen. Der Fluggast sollte daraufhin genauer kontrolliert werden, schnappte stattdessen aber sein Gepäck samt Laptop und machte sich rasch in den Abflugbereich davon.

Ob dies Absicht oder ein Versehen war, blieb zunächst unklar. Die Terminalsperrung dauerte bis 18:40 Uhr, es kam zu stundenlangen Verspätungen im Luftverkehr. Die Sicherheitskräfte kündigten nach der Panne an, die eigenen Standards auf den Prüfstand zu stellen.

Obwohl der Vorfall an der Handgepäckkontrolle mit Videokameras gefilmt worden war, gelang es der Polizei bisher nicht, den Mann zu fassen. Weil an der Schleuse keine Passkontrolle stattfindet, verfügen die Behörden auch nicht über seine Personalien.

Da sich nach den Sicherheitsvorschriften keinesfalls unkontrollierte Personen oder Gepäckstücke im nichtöffentlichen Bereich des Flughafens befinden dürfen, blieb der Bundespolizei nur die Räumung des gesamten Terminals. Rund 40 Beamte durchkämmten den rund einen Kilometer langen Pierbau und forderten alle Wartenden auf, in den öffentlichen Bereich zu wechseln. Auch die am Gebäude abgestellten Flugzeuge durften nicht mehr starten, die Passagiere mussten wieder aussteigen. Das leere Gebäude wurde anschließend mit Hilfe von Hunden durchsucht.

Im Video: Der Münchener Flughafen war nach einer Kontroll-Panne stundenlang gesperrt. Nun diskutieren Experten über den Vorfall. Weitere Videos finden Sie hier

Josef Scheuring, der für die Bundespolizei zuständige Vorstand der Gewerkschaft der Polizei, erneuerte nach dem Vorfall seine Forderung, die Sicherheitsvorkehrungen auf deutschen Flughäfen ganzheitlich auf den Prüfstand zu stellen. Eine derartige Sicherheitslücke könne sich ein Airport nicht leisten. "Wenn man jemanden kontrolliert, muss man ihn auch festhalten können."

Zwar sei das Münchner Geschehen aus der Distanz nur schwer zu beurteilen, es sei aber naheliegend, dass entweder zu wenig Personal am Kontrollschalter zur Verfügung stand oder aber die Ausbildung der Leute mangelhaft war. Auch die Münchner Sicherheitsfirma kann sich bislang nicht erklären, wie es möglich war, dass der Mann seinen Laptop schnappen, sechs Leuten entwischen und in der Menge untertauchen konnte.

Ob der flüchtige Mann tatsächlich Sprengstoff bei sich trug, ist nach Auskunft der Bundespolizei offen. Das Durchleuchtungsgerät könne auch bei anderen chemischen Substanzen wie etwa Parfüm anschlagen. Zudem sind die Geräte nach SZ-Informationen äußerst empfindlich - es kommt immer wieder vor, dass ein erstaunter Passagier erfährt, an seinem Gepäck seien winzige Sprengstoffspuren entdeckt worden.

Poerschke hält es durchaus für möglich, dass der Unbekannte nicht bewusst flüchtete, sondern den Hinweis der Kontrolleure, zu warten, schlicht nicht mitbekam. Das Terminal hätte übrigens auch geräumt und durchsucht werden müssen, falls der Mann gefunden worden wäre - er könnte irgendwo etwas deponiert haben.

Auf den Videoaufnahmen ist ein Mann mittleren Alters mit Brille zu sehen, die Bundespolizei spricht vom Typus "eiliger Geschäftsmann". Theoretisch ist es denkbar, dass der Mann beim erneutem Zutritt unbeanstandet die Kontrolle passierte - laut Polizei könnten die Geräte bei einer nur sehr kleinen Menge gefährlichen Materials möglicherweise beim zweiten Mal nicht anschlagen.

Da während der Aktion keinerlei Maschinen abgefertigt wurden, waren mehr als hundert Flüge mit mehreren tausend Passagieren betroffen. Auf den Auslöser, falls er denn gefasst wird, könnte ein Schadensersatzverfahren zukommen.

© SZ vom 21. Januar 2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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