Flüchtlingshilfe:Problemlösung à la carte

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(Foto: Stephan Rumpf)

Das Sozialprojekt Bellevue di Monaco unterstützt Menschen, die geflohen sind, in seinem Beratungscafé. Dort hält jetzt auch das Amt für Wohnen und Migration Sprechstunden ab

Von Thomas Anlauf, München

Es ist die wohl schönste Amtsstube Münchens. Mit einer geschwungenen Bar aus hellen Hölzern, darüber schwingt sich eine Empore in den hohen Raum. Hier lernen, diskutieren, treffen sich Geflüchtete mit Münchnern, hier im Beratungscafé des Bellevue di Monaco eröffnet nun auch eine Außenstelle des Sozialreferats. Die städtischen Berater sind dort erstmals an diesem Donnerstag Ansprechpartner vor allem in Arbeitsmarktfragen. "Wir holen uns das Amt für Wohnen und Migration ins Haus - das ist etwas Großartiges", sagt Matthias Weinzierl von Bellevue di Monaco.

Es ist tatsächlich bemerkenswert, was in nur kurzer Zeit in den drei Häusern an der Müllerstraße 2 bis 6 entstanden ist, die die Stadt vor wenigen Jahren wegen vermeintlicher Baufälligkeit abreißen wollte. Vor zweieinhalb Jahren entstand - noch unter dem Eindruck der Großdemonstrationen gegen Fremdenhass und Pegida - die Sozialgenossenschaft Bellevue di Monaco. Das Ziel lautete, mitten im Herzen Münchens ein Kultur- und Unterbringungszentrum für junge Flüchtlinge und interessierte und engagierte Münchner zu schaffen. Im Frühjahr 2016 unterzeichneten die Stadt und Bellevue einen 40-jährigen Pachtvertrag für die Häuser an der Müllerstraße. Die sind nun so gut wie saniert, im Haus Nummer 6 sind längst junge Geflüchtete in WGs eingezogen, seit Ende September ist auch das Beratungscafé geöffnet. Das ist gewissermaßen das Herzstück des bürgerschaftlichen Sozialprojekts: In dieser Woche beginnen dort alle Beteiligten mit ihrer breit gefächerten Beratung - vom Flüchtlingsrat bis zum Sozialreferat.

Da ist zunächst die Asylberatung als erste Anlaufstelle für Flüchtlinge. Immer mittwochs von 18 bis 20 Uhr und freitags von 10 bis 12 Uhr steht ein Team aus professionellen Beratern und geschulten Freiwilligen für Fragen und bei Problemen bereit. "Viele Betroffene haben Ablehnungsbescheide erhalten", sagt Nadine Kriebel vom Bayerischen Flüchtlingsrat. Zwar sind die Berater keine Anwälte, allerdings können diese unbürokratisch vermittelt werden. Man nehme sich Zeit für die Nöte und Sorgen der Betroffenen, sagt Nadine Kriebel. Schließlich sind viele Geflüchtete verunsichert und haben Angst vor der Abschiebung. Gerade junge Männer aus Senegal und aus Afghanistan seien frustriert, weil sie nicht wüssten, ob sie noch in Deutschland bleiben könnten, sagt Bellevue-Vorstand Weinzierl. "Es herrscht großer Frust unter den Betroffenen, die die Hoffnung verlieren." Flüchtlingsunterkünfte seien mittlerweile wegen drohender Abschiebung "Orte der Angst".

Umso wichtiger sei deshalb "ein Ort der Begegnung" wie das Bellevue di Monaco. Dort können sich nun Geflüchtete nicht nur kostenlos beraten lassen oder einen niederschwelligen Deutschkurs belegen. Hier treffen sie auch auf andere Münchner, andere Menschen, die es geschafft haben, Fuß in Deutschland zu fassen. Dass dies geschehen kann, ist häufig den Mitarbeitern der Migrationsberatung zu verdanken, die von der heilpädagogischen Kinder- und Jugendhilfe HPKJ finanziert werden. Die Beratungsstunden jeweils dienstags (16 bis 18 Uhr) sowie donnerstags von 10 bis 12 Uhr im Bellevue-Café richten sich vor allem an Geflüchtete mit Bleiberecht. "Jeder Zweite, der kommt, fragt, wie er an eine Wohnung kommen könnte", sagt Ute Haas. Denn zahlreiche anerkannte Geflüchtete leben nach wie vor in Unterkünften, obwohl sie eigentlich eine Wohnung beziehen könnten - wenn sie denn eine fänden. In der Beratung geht es aber auch um Fragen, wo man einen passenden Arzt findet oder einen Betreuungsplatz fürs Kind.

Die Berater des Amts für Wohnen und Migration, die nun donnerstags (16 bis 18 Uhr) neben ihrer Tätigkeit in der Behörde an der Streitfeldstraße im Beratungscafé sind, helfen vor allem in Arbeitsfragen, aber auch bei Sprachkursen. "Wir informieren umfassend über das System in München und bringen die Menschen in den Arbeitsmarkt", sagt Tuan Tran. Die 20 städtischen Berater bieten nicht nur berufliche Qualifizierungen an, sondern kümmern sich auch um hoch qualifizierte Migranten, etwa Ingenieure, Ärzte und Pädagogen und bringen diese mit Mentoren aus Firmen und Branchenkennern zusammen.

Es ist eine außergewöhnliche Allianz entstanden, die in den frisch renovierten Räumen des Bellevue di Monaco versucht, Menschen aus aller Welt, die in München ein neues Leben anfangen, die ersten Schritte leichter zu machen. Mit Sprachkursen, mit Beratungsangeboten, sogar mit Wohnungen, die an der Müllerstraße entstanden sind. Es gibt Sprachpartnerschaften mit jungen Geflüchteten, an denen sich etwa 80 Münchner ehrenamtlich beteiligen, ebenso kostenlose Lern- und Hausaufgabenhilfen. "Die Bereitschaft von Menschen, sich zu engagieren, ist ungebrochen", sagt Matthias Weinzierl. Das ist längst nicht mehr überall in Deutschland selbstverständlich. Aber das ist eben München.

© SZ vom 06.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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