Film über Extremsportler:"Die Lawine hat sie zusammengebracht"

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Der Dokumentarfilm "Sieben Tage im September" von Karsten Scheuren hat am 14. Mai Premiere auf dem DOK.fest Filmfestival. (Foto: N/A)

Sieben Menschen, sieben Schicksale, eine Lawine und ein Weltrekord: Der Regisseur Karsten Scheuren zeigt seinen neuen Film "Sieben Tage im September" auf dem Münchner Dok.Fest. Ein Gespräch darüber, was Extremsportler antreibt - und wie eine Katastrophe das Leben von vielen Menschen für immer verändert.

Von Eva Limmer

Im September 2012 sind bei einem Bergunglück im Himalaja am Achttausender Manaslu mindestens elf Menschen ums Leben gekommen. Kurz darauf stellte Extrem-Skibergsteiber Benedikt Böhm dort einen Weltrekord auf. Karsten Scheuren, ausgezeichnet mit dem Bayerischen Fernsehpreis, hat darüber einen Film gedreht. Beim Dokumentarfilmfest, das am Mittwoch in München begonnen hat, zeigt er "Sieben Tage im September" erstmals vor deutschem Publikum. Der 44-Jährige kommt aus dem oberbayerischen Valley. Das Thema Berge beschäftigt ihn seit seiner Jugend.

SZ: Herr Scheuren, schon wieder haben Sie einen Film in den Bergen gedreht. Was fasziniert Sie daran?

Karsten Scheuren: Ich bin am Schliersee mit Blick auf die Brecherspitz aufgewachsen. Berge wirken auf mich immer irgendwie beruhigend. In den Bergen kommt man aber auch mit sich selbst und seinen innersten Gefühlen und Gedanken in Kontakt. Vielleicht sind es solche Erfahrungen, die mich dazu bringen, immer wieder auch den Berg in meinen Filmen zu thematisieren.

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Worum geht es in "Sieben Tage im September"?

Um den Zeitraum vom Lawinenabgang bis zum Weltrekord des Skibergsteigers Benedikt Böhm. Ein Team von sechs Extrembergsteigern hat versucht, den Manaslu im Himalaya in 24 Stunden zu besteigen. Dieser Plan wurde von einem Lawinenunglück durchkreuzt, dem die Männer nur knapp entgangen sind. Plötzlich mussten sie Menschen retten und Tote bergen. Von da an hat sich die Situation grundlegend geändert. Jetzt mussten sie überlegen, ob sie für ihren Rekordversuch buchstäblich über Leichen gehen.

Wie ging es weiter?

Im Team gab es heftige Diskussionen, ob man den Rekordversuch wagen kann. Drei haben sich entschlossen weiterzumachen. Benedikt Böhm hat den Weltrekord aufgestellt. Sein Freund Sebastian Haag musste umkehren. Für den Film habe ich beide danach befragt, wie sie damit umgehen. Interessant war, dass der Aufstieg für keinen Erfüllung gebracht hat. Zu sehr war er vom Lawinenunglück überschattet.

Waren Sie bei dem Unglück dabei?

Nein. Ursprünglich hatte Benedikt Böhm Kameramann Greg Hill angeheuert. Hill hat nach der Tragödie den Berg jedoch verlassen. Böhm wusste dann lange nicht, was er mit dem Material machen sollte. Er ist dann auf unseren Produzenten zugekommen. Da kam ich dann ins Spiel. Ich habe dann Interviews geführt mit den Bergsteigern und den Angehörigen der Lawinenopfer.

Weltrekord und Lawinenkatastrophe: In seinem Dokumentarfilm "Sieben Tage im September" bringt Karsten Scheuren beide Extreme zusammen. (Foto: DOK.fest München "Sieben Tage im September")

Sie haben also die Aufarbeitung der Tragödie betrieben?

In etwa. Es gibt sieben Protagonisten in dem Film. Im Grunde bilden sie eine Schicksalsgemeinschaft, die Lawine hat sie zusammengebracht. Ich habe mit Carine Lécluse gesprochen, die ihren Mann verloren hat. Und mit den beiden Bergsteiger Benedikt Böhm und Sebastian Haag, die erklären, warum sie weitergemacht haben. Die Witwe Lécluse erzählt sehr offen von ihrer Wut auf ihren Mann, der verprochen hatte, zurückzukommen. Sie hat aber auch Verständnis für den Weltrekordler Böhm, mit dem wir sie zusammengeführt haben. Sie sagt, ihr Mann hätte auch weitergemacht.

Denken alle so?

Kameramann Greg Hill sagt, dass er in dem Moment, wo so viele Menschen gestorben waren, nicht weitergehen konnte. Er hatte kein Verständnis für Böhm. Er wollte nach Hause zu seiner Frau und zu seinen Kindern. Er wusste, dass das Team selbst nur knapp der Katastrophe entgangen ist. Wären sie früher aufgestanden im Höhenlager, wären sie auch mitten in der Lawine gewesen.

2008 haben Sie bereits eine Doku über eine Totenbergung auf einem 8000er gemacht. Auch wenn sie nicht selbst mit aufsteigen, begibt sich ihr Filmteam doch in Gefahr. Wie gehen sie damit um?

Die klare Ansage an meine Kameramänner ist: Wenn es zu gefährlich wird, dann abbrechen. Kein Film ist es wert, dass man sich in eine risikoreiche Situation bringt. Ich könnte mir niemals verzeihen, wenn jemand zu Schaden käme. Wir lassen auch nur erfahrene Kameramänner, die sehr gute Bergsteiger sind, solche Sachen machen.

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Erst vor kurzem gab es wieder ein Unglück am Mount Everest mit 16 Toten. Menschen wie Benedikt Böhm dagegen präsentieren sich als erfolgreiche Topathleten. Werden dadurch nicht falsche Illusionen geschürt?

Ob Personen wie Benedikt Böhm ein positives oder negatives Beispiel abgeben, ist fraglich. Sie verführen Menschen zu dem Glauben, dass der Berg immer bezwingbar ist. In erster Linie geht es ihnen darum, etwas zu beweisen. Das führt zu einer Extremisierung des Sports.

Beschwören nicht auch ihre Filme diesen Glauben herauf?

Ich denke, dass gerade in diesem Film viele unterschiedliche Menschen zu Wort kommen. Und letztlich zeigt die Lawine mit elf Todesopfern und vielen Verletzten, dass selbst erfahrene Bergsportler nicht frei von fatalen Fehlern sind. Solange man als Filmemacher die Balance wahrt, hat der Zuschauer die Möglichkeit, sich selbst eine Meinung zu bilden.

"Sieben Tage im September" läuft am 14. Mai um 20.30 Uhr im Kino Rio 1. Karten für die Vorstellung können Sie hier kaufen. Infos zum Dok.Fest gibt es hier.

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