Film über das Oktoberfest-Attentat:Schreckensbilder, die zweifeln lassen

Lesezeit: 3 Min.

Bomben-Attentat auf dem Münchner Oktoberfest 1980: Mit Tüchern zugedeckte Todesopfer liegen neben Blutlachen am Tatort des nächtlichen Anschlages. (Foto: dpa/dpaweb)

13 Menschen starben, 211 wurden verletzt: Der Schrecken des Wiesn-Attentats von 1980 wird in einem neuen Film wieder lebendig. "Der blinde Fleck" ist nun in München präsentiert worden - und liefert eindrucksvolle Denkanstöße.

Von Beate Wild

Eigentlich sind es Bilder, die man schon tausendmal gesehen hat: der Oktoberfestumzug, der Oberbürgermeister beim Anzapfen, feiernde Menschen in den Bierzelten. Doch der Zuschauer weiß, was jetzt gleich passiert. Es sind Bilder aus dem Jahr 1980. Aufgenommen, kurz bevor es passierte. Kurz vor einer der größten Tragödien, die der Freistaat Bayern nach dem Zweiten Weltkrieg erlebt hat.

Es reichen diese Original-Szenen, mit denen der Spielfilm "Der blinde Fleck" beginnt, und sofort sind die Erinnerungen an das Attentat auf dem Münchner Oktoberfest wieder wach. Die Angst vor dem Terror, die Bilder der vielen Opfer. Am Dienstagabend ist im Bayerischen Landtag der gerade fertiggestellte Film präsentiert worden. 300 Gäste sind gekommen, um sich im ehrwürdigen Senatssaal das Werk von Regisseur Daniel Harrich anzuschauen.

Kein Tag wäre für diese Vorführung geeigneter gewesen als dieser Dienstag. Am Nachmittag hatte noch der NSU-Untersuchungsausschuss im Landtag getagt. Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hat dort ausgesagt, genauso wie der ehemalige bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU).

Am Abend im Kino geht es dann um das Wiesn-Attentat, bei dem 1980 13 Menschen starben und 211 weitere verletzt wurden. Der damals 21-jährige Student Gundolf Köhler wurde als Einzeltäter ausgemacht. Doch bis heute gibt es Zweifel an dieser Theorie. Der Verdacht, eine rechtsradikale Vereinigung wie die Wehrsportgruppe Hoffmann könnte hinter dem Attentat stecken, hält sich bis heute. Und da ist sie schon, die Parallele zur NSU-Mordserie. Auch hier verfolgte man erst jahrelang andere Spuren, bis im November 2011 die Wahrheit über die rechte Terrorzelle ans Licht kam.

Protagonist in "Der blinde Fleck" ist der Journalist Ulrich Chaussy, Reporter des Bayerischen Rundfunks (BR). Er ist in der Geschichte um die vermutete Verschleierung der wahren Hintergründe eine zentrale Figur, denn er beschäftigt sich seit fast 30 Jahren immer wieder mit diesem Thema. Ein hartnäckiger Reporter, der nie locker gelassen hat, der alles daran setzt, einen der schwersten Terroranschläge in der deutschen Nachkriegsgeschichte aufzuklären. Im Film wird Chaussy überzeugend gespielt von Benno Fürmann.

Setbesuch bei "Oktoberfest - das Attentat"
:Zwischen Lederblouson und Schalenstühlen

"Kamera, ab": In München und Umgebung wurde gerade der Fernsehfilm "Oktoberfest - das Attentat" gedreht. Darin geht es um die Recherchen eines BR-Journalisten zu den Hintergründen des schlimmsten Anschlags in der deutschen Nachkriegsgeschichte.

hinter die Kulissen von Vanessa Steinmetz

Chaussys Gegenspieler ist der Chef des Staatsschutzes, Dr. Hans Langemann (diabolisch dargestellt von Heiner Lauterbach), der mit allen Mitteln versucht, die Wahrheit zu vertuschen. Auch, um den damaligen Ministerpräsidenten Franz-Josef Strauß im Wahlkampf zu schützen. Weitere bekannte Gesichter tauchen in dem Film auf. Nicolette Krebitz ist Lise, die Ehefrau von Chaussy. August Zirner ist Meier, ein Beamter des Staatsschutzes, der Chaussy geheime Unterlagen zukommen lässt. Jörg Hartmann ist in der Rolle des engagierten Opferanwalts Werner Dietrich zu sehen. Und sogar die beiden Münchner Tatort-Kommissare wirken mit, allerdings nicht in gewohnten Rollen: Miroslav Nemec gibt Generalbundesanwalt Kurt Rebmann, Udo Wachtveitl den schmierigen und korrupten Boulevardjournalisten Werner Winter.

Regisseur Daniel Harrich (rechts) mit dem Hauptdarsteller seines Films "Der blinde Fleck", Heiner Lauterbach, auf der Preview im Bayerischen Landtag. (Foto: Robert Haas)

Bei der anschließenden Podiumsdiskussion, moderiert von SZ-Redakteurin Annette Ramelsberger, geht es viel um die Parallelen zwischen dem Wiesn-Attentat und den NSU-Morden. Die Aufdeckung der NSU-Terrorzelle habe dazu geführt, die rechtsextreme Gefahr neu zu bewerten, sagt Innenminister Herrmann. "Deshalb ist es wichtig, dass wir ein Verbot der NPD betreiben." BR-Journalist Chaussy erzählt von seinen Recherchen aus dem Jahr 1977 über die Wehrsportgruppe Hoffmann. Man hätte damals schon erkennen müssen, dass es sich hier um eine gefährliche Dimension des Terrors handle, sagt er. "Damals hätte man schon die Reißleine ziehen müssen", der Staat hätte härter gegen solche Gruppierungen vorgehen sollen.

Dass Chaussy noch immer nicht locker lässt, zeigt sich, als er sich an Herrmann wendet. Die Beweise in der Asservatenkammer seien 1997 von der Bundesanwaltschaft vernichtet worden. "Aber es gibt noch Beweise in ihrem Landeskriminalamt." Diese könne man mit den heutigen Möglichkeiten der DNA-Analyse untersuchen lassen.

Setbesuch bei "Oktoberfest - das Attentat"
:Zwischen Lederblouson und Schalenstühlen

"Kamera, ab": In München und Umgebung wurde gerade der Fernsehfilm "Oktoberfest - das Attentat" gedreht. Darin geht es um die Recherchen eines BR-Journalisten zu den Hintergründen des schlimmsten Anschlags in der deutschen Nachkriegsgeschichte.

hinter die Kulissen von Vanessa Steinmetz

Im Mai dieses Jahres wurde bekannt, dass der Generalbundesanwalt Berichte über eine Beteiligung des Bundesnachrichtendienstes (BND) am Anschlag auf das Oktoberfestattentat prüft - auch das lässt neue Hoffnung aufkommen. Hintergrund sind die Aussagen eines Mannes, der in mehreren Interviews behauptet hat, sein Vater habe damals im Auftrag des BND den Anschlag vorbereitet.

Neue Erkenntnisse fördert "Der blinde Fleck", der auf dem Filmfest München bald offiziell Premiere feiert, nicht zutage. Die Rechercheergebnisse des 60-jährigen Chaussy sind schon länger bekannt. Aber wer weiß, vielleicht gehen weitere Hinweise von Zeugen ein, wenn der Film im Herbst in die Kinos kommt. Das hofft zumindest Chaussy.

Für Regisseur Harrich sind neue Hinweise dagegen nicht das Hauptanliegen. Er will mit seinem Film einen Denkanstoß geben, wie mit rechter Gewalt in Deutschland umgegangen wird. Und das ist ihm eindrucksvoll gelungen.

© Süddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: