Kindertagesstätten, kurz Kitas, erwartet man normalerweise im Viertel, mitten im Wohngebiet, im besten Falle möglichst nahe bei den elterlichen Wohnungen. Ganz anders ist das bei der ersten Bauernhof-Kita Münchens, die vor Kurzem offiziell eröffnet wurde. Denn diese Einrichtung findet sich relativ weit draußen, und: Regenhose und Gummistiefel gehören zur Grundausstattung. Auf dem 7000 Quadratmeter großen Gelände nahe dem Feldmochinger See toben derzeit jeden Tag 25 Kinder. Und noch immer ist Platz genug, denn insgesamt gibt es dort 48 Kindergarten- und 36 Krippenplätze; von September an soll auch eine Nachmittagsbetreuung für Schulkinder angeboten werden.
Die Idee zur Kita im Schweinestall hatte Georg Wiesheu, ehemals Betreiber des Schweinemastbetriebs an der Göttnerstraße und heute der Vermieter. Aber eigentlich wollte Helli Wunderlich-Steger, die Trägerin der Bauernhof-Kita, wegen des Personalproblems und des zunehmenden Verdrängungswettbewerbs unter den privaten Kita-Betreibern keine neue Einrichtung eröffnen. Aber: "Dieses Mietangebot konnte ich nicht ausschlagen, denn das Konzept ist absolut zukunftsträchtig und genau das, was Kinder heute in der Stadt brauchen."
Im ehemaligen Schweinestall, der einst Platz für 500 Tiere bot, finden sich jetzt Kinderküche, Badezimmer sowie Schlaf- und Gruppenräume; nur das gewölbte Dach und das Grundgerüst mit seinen Stahlpfeilern sind erhalten. "Beim Umbau haben wir großen Wert darauf gelegt, dass viel Glas und Naturmaterialien verbaut werden", erklärt Geschäftsführerin Helli Wunderlich-Steger , die seit 2008 auch eine Kita in Schwabing verantwortet. Und sie fügt hinzu: "Die meiste Zeit verbringen die Kinder aber im Garten. Darauf baut unser Konzept auf."
Die neun Ziegen, zwei Meerschweinchen und zwei Hasen machen zwar noch keinen Bauernhof, sie zu versorgen aber jede Menge Arbeit. "Diese Erfahrung sollen die Kinder machen und so lernen, Verantwortung zu übernehmen", erklärt Marina Arzmüller, die als pädagogische Leiterin von Anfang an dabei ist. Jeden Morgen besprechen die Kinder in ihren Gruppen, wer am Tag welche Aufgaben übernimmt. Dazu gehört natürlich auch das Ausmisten der Ställe. "Der pädagogische Einsatz von Tieren fördert und fordert die Kinder in ihrer Entwicklung: Sie müssen das Vertrauen zu den Tieren erst einmal aufbauen und sich ihnen dementsprechend vorsichtig annähern", weiß Arzmüller, die sich mit ihren sieben Kollegen im Bereich der tiergestützten Pädagogik regelmäßig fortbildet.
Gleichzeitig können die Kinder in diesem Zusammenhang Gefühle zeigen - ohne Angst zu haben, von anderen Kindern ausgelacht oder missverstanden zu werden: "Vor allem während der Eingewöhnungsphase können die Tiere ein tröstender Begleiter sein." Auffallend ist auch, dass sowohl drinnen als auch draußen kaum Spielzeug herumliegt. "Und das gehört zu unserer Idee. Die Kinder brauchen nicht ständig neues Plastikspielzeug; sie sollen zurück zur Natur finden und sich mit ihrer Umwelt befassen, Stöcke, Steine oder Schnecken sammeln und daraus die tollsten Dinge basteln", erklärt Wunderlich-Steger, deren Sohn ebenfalls die Bauernhof Kita besucht.
Die Kinder sollen sehen, wie aus einer Blüte an einem kleinen Pflänzchen eine Erdbeere wird, die man erst pflücken darf, wenn sie von der Sonne ihre rote Farbe bekommen hat. Und es soll ihnen auch bewusst werden, dass Obst und Gemüse nicht im Supermarkt wächst "und die Kuh nicht lila ist", meint Arzmüller lächelnd. Auch beim Essen wird auf regionale Bio-Küche mit viel Obst und Gemüse gesetzt, beides schon teilweise aus dem eigenen Garten.
Den Mietvertrag für die Bauernhof-Kita hatte Helli Wunderlich-Steger bereits im Jahr 2011 unterschrieben. Fehlende Genehmigungen und Behördengänge verzögerten allerdings den Umbau, der erst im Frühjahr 2015 startete. Seitdem hat die Geschäftsführerin mit ihrem Team viel erreicht: eine Streuobstwiese sowie Gemüse- und Blumenbeete haben sie angelegt, die Ziegen grasen auf einer großzügigen Weide, die Genehmigung für deren Haltung liegt vor. Nun fehlt noch ein Kräutergarten, und: "Auch über die Anschaffung einiger Hühner denken wir nach".
Die Bauernhofromantik, mitten in der Stadt undenkbar, hat aber einen Nachteil: Feldmoching ist eines der dörflichsten Gebiete Münchens und dementsprechend weit außerhalb. "Die Anfahrt dauert natürlich seine Zeit. Daher kann ich es mir durchaus vorstellen, dass viele Familien es sich gut überlegen, ob sie ihre Kinder bei uns unterbringen", räumt Wunderlich-Steger ein. Bislang besuchen Kinder aus Feldmoching, Schwabing, Pasing, Karlsfeld oder Unterschleißheim die Kita.