Feldmoching:Der Ruf nach dem Gesamtkonzept

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Feldmoching muss in den kommenden Jahren mit bis zu 6 000 Neubürgern rechnen. Das wirft viele Fragen auf: Wohin mit den Autos? Reichen die Kinderbetreuungsplätze und Schulen? Lassen sich neue Ärzte im Stadtviertel nieder?

Von Simon Schramm, Feldmoching

Es ist für Feldmochings Bauern ein tägliches Ärgernis. "Von 16 bis 18 Uhr ist stehender Verkehr auf der Feldmochinger Straße", sagt Landwirt Georg Angermeier, der an der Straße seinen Hof betreibt. "Letztens haben wir für eineinhalb Kilometer eine halbe Stunde gebraucht." Die Bauern kommen mit ihren Traktoren nicht durch auf ihren Routen in die Stadt oder auf ihre Ackerflächen, weil zur Hauptverkehrszeit der massiv gewachsene Personenverkehr die Straßen besetzt. "Der Verkehr kommt aus Dachau, Freising, von überall", sagt Angermeier. Zwar hat die Stadt das Verkehrskonzept München Nord entwickelt, um den Verkehr der Viertel im Münchner Norden zu entlasten. Landwirt Angermeier fragt sich aber, wann es umgesetzt wird und ob das Konzept auch die Zunahme des Verkehrs abfedern wird, das entsteht, wenn Feldmoching in den kommenden Jahren wächst.

Auch wenn das Verkehrskonzept das Wachstum des Viertels grundsätzlich berücksichtigt: Die Schwierigkeiten von Landwirt Angermeier und seinen Kollegen stellen beispielhaft zur Diskussion, ob Feldmoching und seine Infrastruktur auf das Wachstum der Stadt München vorbereitet sind. Zudem wird das Viertel selbst in den kommenden Jahren erheblich größer werden. Viele Bewohner fragen sich, wie der Stadtteil den Zuzug im Gesamten verkraften soll, nicht nur in Bezug auf den Verkehr. Schon jetzt werden immer wieder Mängel an Feldmochings Infrastruktur sichtbar, etwa wenn Eltern händeringend nach Hortplätzen suchen oder der Bezirksausschuss zum wiederholten Mal einen Standort für einen dringend notwendigen Nahversorger diskutiert.

Zwei neue Siedlungen in Feldmoching haben derzeit eine konkrete Perspektive: Im Norden des Viertels entstehen etwa 600 Wohnungen, im Gebiet am Bahnhof parallel zur Bahnlinie sollen etwa 900 Einheiten entstehen. In der Summe werden damit wohl 3000 bis 3500 Menschen nach Feldmoching ziehen. In diesem Jahr ist zudem bekannt geworden, dass auch die Ackerfläche nahe der Bergwachtstraße zwischen Lerchenauer- und Lerchenstraße bebaut werden soll, die sogenannte Bergwacht-Siedlung. Die Stadt ist dabei, mit den Eigentümern über die Fläche zu verhandeln. Das Planungsreferat betont, dass es darum noch keine konkrete Planung und Zeitschiene, und auch keine faktische Anzahl an entstehenden Wohnungen angeben könne.

In einer Sitzungsvorlage zum Verkehrskonzept München Nord vom Mai 2012 findet man trotzdem einen Hinweis: Ein Potenzial von 2000 bis 2800 Einwohnern wird dort für die Bergwachtsiedlung angegeben. Somit würde sich die Summe der Zuziehenden auf rund 6000 erhöhen; falls sich nicht noch herausstellen sollte, dass die Bergwachtsiedlung im geringeren Maß realisiert wird. Freilich ist das nicht die Dimension anderer neuer Münchner Großsiedlungen wie in Freiham, mit 20 000 Menschen, oder im Nordosten mit 30 000 Zuzügen. Dennoch lässt sich feststellen: Feldmoching leistet seinen Anteil am wachsenden Münchner Wohnungsmarkt.

Viele Feldmochinger begrüßen, dass sie bei Workshops der Stadt zur Entwicklung der Neusiedlungen einbezogen worden waren, sie kritisieren aber einen Punkt. "Es fehlt die Diskussion über die Gesamtsituation", sagt Stefan Uhl. Er sitzt dem Eigenheimerverein Feldmoching vor, der 400 Mitglieder hat. Uhl plädiert für eine Veranstaltung, bei der die Bewohner mit der Stadt über ein Gesamtkonzept diskutieren, zum Beispiel wegen des Verkehrs. "Es gibt da auch eine zeitliche Komponente. Es ist die Frage, ob das Verkehrskonzept Nord schon umgesetzt ist, wenn der neue Siedlungsverkehr vorhanden ist." Seine Befürchtung: Der Verkehr könnte sich auf die Wohnstraßen verteilen, wenn die Hauptrouten über Feldmochinger-, Lerchenauer- und Lerchenstraße mal wieder verstopft sind.

Ähnliche Sorgen treiben den Bezirksausschussvorsitzenden Markus Auerbach (SPD) um. Er fürchtet ein Verkehrschaos, wenn die Anbindung der Schleißheimer Straße an die A 99 nicht zeitig umgesetzt wird und Maßnahmen außerhalb des Viertels den Verkehr beeinflussen werden, etwa der Ausbau des Allacher Tunnels oder der A 99. Auch Auerbach bemängelt, dass die Stadt die Neusiedlungen nur im Einzelnen bearbeitet und keine Gesamtperspektive einnimmt. "Es muss die Frage gestellt werden: Welches Viertel wollen wir in zehn Jahren haben? Eine Kolonie, nur zum Schlafen? Wir brauchen auch Raum für Kultur und Freizeit. Seit 1996 ist angekündigt, den Feldmochinger Anger zum Park auszubauen. Geschehen ist bis heute nichts." Nachdem der Bezirksausschuss ein umgreifendes Strukturkonzept gefordert hat, will die Stadt nun tatsächlich im kommenden Jahr ein solches vorlegen.

Sorgen hat Auerbach aber auch in puncto Kinderbetreuung. Die zugezogenen Kinder der Siedlung im Norden sollen die Grundschule an der Lerchenauer Straße besuchen. Dort sehe es mit der Nachmittagsbetreuung aber jetzt schon eng aus, meint Auerbach. In Bezug auf die Bergwachtsiedlung ist angekündigt, eine neue Grundschule auf dem Planungsgebiet zu bauen: "Aber was, wenn das nicht zeitnah geschieht?" Die Hoffnung von Stadt und Bewohnern ist es auch, dass sich in der Neusiedlung am Bahnhof Ärzte niederlassen werden. Im Norden herrscht seit langem Ärztemangel.

Nicht nur, wie die Infrastruktur mithalten soll, sondern auch wie sich Feldmochings Erscheinungsbild verändert, beschäftigt das Viertel. Immer wieder betonen Bürger und Lokalpolitiker, dass sich die neuen Siedlungen dem dörflichen Charakter des Viertels anpassen sollen. Umso mehr überraschte der Siegerentwurf des Architektenwettbewerbs von "03 Architekten" für die Siedlung an der Bahnlinie, der im Sommer präsentiert wurde und nun Diskussionsgegenstand im Bürgergremium war: Nahe dem Bahnhof hatten die Architekten einen 14-stöckigen Turm vorgesehen, in dem Gewerbe und Hotel unterkommen sollten. Der Bezirksausschuss hat sich gegen den Turm in dieser Form ausgesprochen: Er will höchstens fünf Geschosse akzeptieren. "Der Kirchturm von St.Peter und Paul soll weiter die Ortsmitte markieren", sagte Planungsunterausschussvorsitzende Gabriele Meissner (SPD).

Lokalpolitiker Stefan Hintsche (Grüne), der für den Bezirksausschuss im Preisgericht saß, erläuterte, dass viele Entwürfe wie kalte Riegel ausgesehen hätten, der Gewinner breche aus diesem Schema aus. Er sieht kristallin geformte Wohnhäuser mit offen gestalteten Innenhöfen vor. Der Forderung des Bezirksausschusses, die Bürger erneut einzubinden, wurde entsprochen: Die Entwürfe der drei Wettbewerbsgewinner werden derzeit in der Stadtbibliothek an der Blodigstraße 4 ausgestellt. In einer weiteren Informationsveranstaltung am Dienstag, 22. November, 19 Uhr, werden die drei Entwürfe dort vorgestellt, die Bürger sollen erneut ihre Anliegen einbringen.

Die Stellungnahme des Bezirksausschusses Feldmoching-Hasenbergl zum Siegerentwurf sei darum auch nur als vorläufig zu verstehen: Darin kritisiert das Gremium, dass im Entwurf die Fenster an der Westfassade in Richtung zur Bahn nicht zum Öffnen gedacht sind. Die Fassaden selbst sollten auf jeden Fall begrünt werden. Die Öffnungen zwischen den Gebäudeketten in Richtung zur Bahnstrecke will der Bezirksausschuss zum Lärmschutz verglast sehen: Die Grünanlagen zwischen Bahnstrecke und Gebäuden sollen mit einer transparenten Lärmschutzwand abgeschirmt werden.

© SZ vom 14.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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